[ab 5 Jahren]
Als Frau Schupsikowski vom Amazonasstübchen dringend verreisen muss, wird Timmy kurzerhand zum Ladenhüter in dem kleinen Zoogeschäft ernannt. Doch er muss zum Glück nicht allein die Stellung halten: der Papagei Schnabelhofer und die Schildkröte Corinna sind Timmy eine grosse Hilfe und könnten den Laden wohl auch alleine „schmeissen" - wenn nur sprechende Tiere nur nicht so ungewöhnlich wären...
Eigentlich will Timmy nur neues Fischfutter für seinen verfressenen Goldfisch mit Namen „Mannheim" kaufen und er freut sich auch schon auf das kleine Zoogeschäft mit dem exotischen Namen „Amazonasstübchen", das sich direkt unter seiner Wohnung befindet. Er freut sich auch noch, als er das Geschäft betritt und keine Frau Schupsikowski in Sicht ist. Timmy schaut sich zu gerne in dem kleinen Geschäft um, in dem es scheinbar alles gibt, das irgendwie mit Tieren zu tun hat. Doch nach einer Weile wundert er sich und ruft ein fragendes „Hallo" in das Geschäft. Es antwortet jedoch nicht Frau Schupsikowski, sondern eine fremde, rauhe Stimme. Sie gehört dem grünen Papagei „Schnabelhofer" der Timmy unumwunden klarmacht, dass er, Timmy, nun auf den Laden aufpassen müsse. Frau Schupsikowski habe dringend nach Galapagos zu ihrer Cousine reisen müssen. Als wäre ein fliessend sprechender Papagei nicht genug Verwunderliches für Timmy gewesen, der ja eigentlich nur Fischfutter kaufen wollte, beginnt auch noch die alte Schildkröte auf der Ladentheke an zu sprechen. Ihr Name ist Corinna und sie weiss eine Menge über die Tiere in der Zoohandlung. Da sie selbst aber nicht mit den Kunden sprechen dürften, sollte das Timmy übernehmen. Timmy ist stolz und etwas aufgeregt zugleich. Wie soll er einen Laden hüten, wenn er doch selbst zweimal die Woche abends einen Babysitter brauchte, wenn seine Eltern fort waren?
Doch Timmy nimmt seinen Auftrag beherzt an und steht schon am nächsten Nachmittag pünktlich hinter „seiner" Verkaufstheke. Schon der erste Fall der drei ist ziemlich kurios. Da kommt ein Junge vorbei, der sich darüber beschwert, dass seine Kröte das Futter nicht verträgt. Immerzu würde sie pupsen. Es stellt sich aber heraus, dass es sich bei dem Tier im mitgebrachten Karton nicht um eine Kröte, sondern um einen Frosch handelt. Schnabelhofer und Corinna geben den Rat, das Tier wieder frei zu lassen - was Timmy auch gerne an den Jungen weitergibt. Doch was nur Timmy von seinen beiden tierischen Freunden erfährt, ist, dass Frösche eigentlich immer pupsen; sie springen dann ein wenig herum, „damit man das nicht so merkt."
Ein schwieriger Fall sind die drei Schulmäuse, die Terz machen, weil sie keiner will. Eher verwickelt wird es, als die beiden eng miteinander umschlungenen Frauen, Anna und Konda, in den Laden kommen und eine möglichst lange Schlange kaufen wollen. Zum Glück hat das Amazonasstübchen keine Schlangen im Angebot -und das wäre auch nicht gut, denn eine Schlange würde sich immer nach ihrem Urwald sehnen und auf ganzer Länge traurig werden. Und je länger die Schlange, desto grösser der Kummer. Logisch.
Ein Tier in Not ist der „Dichter auf acht Beinen" - eine kleine Spinne, die an der Decke des Amazonasstübchen hängt und in der echten Schaffenskrise steckt. Mit viel Feingefühl können sie dem Spinnerich mit Namen Levian ein wenig aufmuntern - auch wenn sie am Ende denken, dass er wohl ein wenig spinnt. Ein Telefonanruf bringt am nächsten Tag ein neues Problem. Da hat ein Rabe mit Namen Caruso sein rabentypisches Krächzen verloren und wird so zum Gespött der ganzen Sippschaft (selbst den Krähen ist er peinlich). Wie gut, dass Schnabelhofer im Amazonasstübchen so tüchtig Wind machen kann - auch wenn Corinna dann einen dicken Schal um ihren faltigen Hals tragen muss - denn der Rabe erhält so sein Krächzen zurück.
Timmys letzter Fall als „Dauerladenhüter" ist besonders spektakulär: Der Zoodirektor Zaunkönig ist vollkommen verzweifelt, weil sein Löwe aus irgendeinem Grund panische Angst hat. Er meint, das so etwas doch nicht gehe: Ein ausgewachsener Löwe! Und hier kommt der sonst so ängstliche Hausmeister-Hamster Hansi ins Spiel, der die Hamsterräder ölt und sich sonst lieber vor Timmy versteckt gehalten hat. Hansi macht dem Löwen klar, dass er keine Angst vor ihm, einen Hamster haben müsse - obwohl das Hansi sehr schmeichelt - er selbst habe immer Angst vor Kindern gehabt, vor allem vor Timmy. Doch das sei wohl eine Mischung aus „Angst und keine Ahnung" gewesen. Dann erzählt der Löwe von den drei Mäusen, die man vor seinem Käfig ausgesetzt hat. Die hätten ihn immerzu geärgert, weil sie wussten, dass er Angst vor ihnen habe. Schnell ist eine Lösung gefunden: Da die Mäuse einfach nur sauer waren, weil sie keiner haben wollte, werden sie Anna und Konda anrufen, denn sie sind ja immer noch auf der Suche nach einem passenden Haustier.
Hilke Rosenboom erzählt in „Die drei vom Amazonasstübchen" kurzweilige Episoden aus einem sehr eigenwilligen Zoogeschäft. Der kleine Held, Timmy, nimmt seine Aufgabe mit einer gewissen Portion Ernsthaftigkeit und Stolz an. Und schon sehr bald stellt sich auch heraus, dass Umsatz bei seiner Vetretung gar keine Rolle spielt. Vielmehr sind es die sehr besonderen Einzelschicksale seiner Kunden, deren Zeugen wir im Verlauf dieser sechs überaus phantasievollen Geschichten werden. Wunderbar unkompliziert lässt Hilke Rosenboom hier einen kleinen Mikrokosmos entstehen. Eine reizvolle Mischung aus Alltag und Fantasie für alle Kinder ab fünf Jahren - und auch schon für Kinder im Lesealter, denn die Geschichten machen immer wieder neugierig. Eingebettet in das Leben der Tiere im Amazonasstübchen, steht jede Geschichte für sich und doch erzählt sie eine Menge Details über das Leben in dem kleinen Zoogeschäft und auch über Timmy, der sich natürlich auch so seine Gedanken macht. Hilke Rosenboom fragt nicht, was die Eltern von Timmy dazu sagen würden - oder sontst jemand: In ihrer Welt ist alles möglich und folgt doch konsequent einer Logik, die Kindern nur zu vertraut ist.
Sehr einfühlsam zeichnet sie ihre Protagonisten und es ist ihrer klaren und warmherzigen Sprache zu verdanken, die, mit so mancher „Randbemerkung" versehen, das Treiben im kleinen Zoogeschäft wunderbar in Szene setzt. Dabei trifft ihre ruhige und wohlüberlegte Ausdrucksweise genau den richtigen Ton. Dass ihre Worte dennoch so locker und flüssig gesetzt sind, niemals konstruiert wirken, macht das Geschehen für Kinder so authentisch. Mit ihrem bekannten psychologischen Feingefühl spricht sie ohne jede Aufdringlichkeit Gefühle wie Angst, Wut, Unsicherheit und Scham an. Da kann über einen offensichtlichen Irrtum herzlich gelacht und über das vermeintliche Unglück des anderen ernsthaft nachgedacht werden.
Hilke Rosenbooms fantasievolle Episoden werden von den fröhlichen llustrationen Katja Bandlows unterstützt. In jedem Kapitel findet sich ein ganzseitiges Bild zu der jeweiligen Erzählung sowie kleinere Piktogramme, die das Tier, um das es gerade geht, zeigen. Katja Bandlows Illustrationsstil wirkt klar und schnörkellos - eher ein wenig wie von Kinderhand gezeichnet. Die milden, pastellig bis erdigen Farbtöne wirken auf den Betrachter ruhig, heben aber dennoch die wichtigsten Aspekte der Illustration hervor. So sind die Hauptakteure -wie etwa der sommersprossige Timmy in seinem gestreiften Pullover - mit einer klar umrissenen Kontur versehen, während das Umfeld durch weichere Konturen automatisch in den Hintergrund tritt. Dennoch sind alle Details, wie zum Beispiel die wohlgeordneten Futternäpfe oder die Käfige mit den „gefiederten Freunden," klar zu erkennen.
Apropos Freunde: Am Ende sind Timmy, Schnabelhofer und die Schildkröte Corinna zu einem richtig guten Team geworden. Frau Schupsikowski ist überaus zufrieden mit Timmys Arbeit im Amazonasstübchen - er kann ruhig weiterhin aushelfen. Doch Timmy findet, dass er sich nun endlich wieder mehr um seinen Goldfisch „Mannheim" kümmern muss.
Fazit:
Mit „Die drei vom Amazonasstübchen" hat Hilke Rosenboom einmal mehr zeitlose Kinderliteratur geschaffen. Durch ihre federleichte und warmherzige Erzählweise spricht sie die Herzen der Kinder an, ohne jemals zu offensichtlich zu werden. Die kurzen Episoden eignen wunderbar zum Lesen zwischendurch, aber auch als „Betthupferl".
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