Keine Angst vor gar nichts

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Kinderbuch Couch
89%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJun 2009

Idee

Gustav und Herr Schnuff sind im Bezug auf ihre Ängste treffend charakterisiert, die jeweilige Perspektive gut eingefangen.

Bilder

kräftige, gedeckte Farbtöne, teilweise comic-artige Sequenzen, ausdrucksstarke Bilder, die oft über den Text hinausgehen; witzige Details.

Text

knappe, gelungene Schilderung, teilweise lakonisch.

Kinderbuch des Monats [06.2009]. Zwei eigentlich furchtlose Charaktere: Gustav und Herr Schnuff - bewältigen ihre jeweiligen alltäglichen kleinen Überlebenskämpfe mit Bravour und fühlen sich dabei recht heldenhaft. Bis sie auf denjenigen treffen, vor dem sie am allermeisten Angst haben ...

Da wäre also zunächst Gustav, der dem Leser als so angstfrei beschrieben wird, dass er sich gar bei Dunkelheit in den Keller traut. Dies wird natürlich unbedingt noch von der Tatsache übertroffen, dass er unerschrocken an einem größeren Jungen im Namen des kleinen Karlchen Rache übt. Weitere Angstmacher, die er locker ausspielt, sind schlaflose „Knarzmonster" unter seinem Bett, Zahnärzte mit Bohrern sowie die eigene Mutter, der er einen Fußball-Fehltritt (in die eigene Fensterscheibe) gestehen muß. - Allesamt Lappalien gemessen an dem für Gustav Fürchterlichsten überhaupt: HUNDE!! Diese gefährlichen, laut bellenden, mit gruselig gefletschten Zähnen ausgestatteten Tiere lösen in ihm regelmäßig den Fluchtimpuls aus. Bis, ja bis Gustav just in der Buchmitte auf Herrn Schnuff trifft. - Der clevere Leser erkennt sofort die Brisanz, denn hierbei handelt es sich um einen Hund.

Eine textlose, dem Comic-Stil entlehnte Bildfolge schildert die Begegnung der beiden. Als die letzte Sequenz ein Happy-End verspricht, findet der erstaunte Betrachter jedoch keinesfalls die beiden Helden im 7. Himmel wieder. Vielmehr heißt die Devise nun „Maschinen stoppen und eine Kehrtwende einlegen": es gilt, das Buch von hinten erneut zu betrachten, um so Herrn Schnuffs Vorgeschichte zu erleben.

Dieser posiert ebenfalls in verschiedenen Situationen als Held - seien es Metzger, Briefträger oder vermeintliche Einbrecher - er bietet allen kühn die Stirn. Selbst gegen die ihm körperlich deutlich überlegene gefleckte Dogge geht er selbstbewußt in die Offensive und auch vor der Badewannen-Tortur fürchtet er sich nicht wirklich. Nein, all das wird zweifellos nur übertroffen von: KLEINEN JUNGS!! Die Erfahrung lehrte Herrn Schnuff bereits, dass es besser sei, diesen laut brüllenden, Steine werfenden oder gar an Hundeschwänzen ziehenden Wesen aus dem Weg zu gehen.

Sowohl Gustav als auch Herrn Schnuff ereilt nun das unvermeidliche Aufeinandertreffen in der Buchmitte - und siehe da, es geht gut aus. Der Autorin, Gudrun Likar, ist mit der Entscheidung für die unkommentierte Begegnung ein Clou gelungen. Die geschickte Darstellung der jeweiligen Perspektive in knappen, manchmal fast lakonischen Sätzen bringt die Gefühle der Figuren gut auf den Punkt. Unbestritten großen Anteil an der gekonnten Spannungssteigerung und pfiffigen Hinführung des Betrachters zum Höhepunkt hat der mit der Textvorlage absolut harmonierende Illustrationsstil von Manuela Olten. Mit wenigen Strichen zaubert sie Gustav mit Bravour die rechte (stellenweise gar verräterisch den Text konterkarierende) Mimik ins Gesicht. Die Wahl ihrer Perspektiven hat Ähnlichkeit mit Trickfilm-Sequenzen, z.B. wenn eine Seite großformatig das überdimensionale schreckliche Knarzmonster und Gustavs spindeldürre Beinchen im nächtlichen Zimmer zeigt. Witzige Details wie das Poster beim Zahnarzt, die vermeintlichen Räuber oder den fliegenden Superman gilt es allerorten zu entdecken. Wie auch schon in ihrem ausgezeichneten Erstling „Echte Kerle" sind sämtliche hier dargestellte Jungs echte Typen, denen der Schalk im Nacken sitzt. Ob mit Lunte, Katapult oder als vorgeblich harmloser Eckensteher - wirklich unschuldig sehen sie alle nicht aus.
Oltens Farbwahl bleibt ebenfalls ihrer gewohnten Linie treu; gedeckte Farben dominieren, ein gewisser Faible für quadratische oder schachbrettartige Muster ist nicht zu verleugnen.

Dieses Buch ist ein vortreffliches Beispiel dafür, wie die Illustration über den Text hinaus gehen und ihn somit bereichern kann. In diesem Fall wird das geschriebene Wort durch die Bebilderung ad absurdum geführt, wenn z.B. Gustav als furchtloser Kellergänger beschrieben, jedoch mit ängstlicher Miene gezeichnet wird.

Fazit:

Das vorliegende Bilderbuch bietet eine vielseitige Grundlage für die Beschäftigung mit dem Thema Angst. Illustrationen und Text bereichern Leser aller Altersgruppen um eine selbst gefundene Erkenntnis: Furcht ist besiegbar. Unbedingt ansehen, unbedingt vorlesen, unbedingt darüber reden!

Silvia Ströhmann

 

Keine Angst vor gar nichts

Gudrun Likar, Tulipan

Keine Angst vor gar nichts

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