[ab 5 Jahren]
Der Titel und die Coverillustration könnten kaum trefflicher sein für diese spannende und humorvolle Geschichte. „Rita das Raubschaf" mit Freund „Raubmeerschein" gehen mit einem Piratenfloß auf Entdeckungsreise und erleben ein Abenteuer der ganz besonderen Art...
Rita, ein kleines Schaf auf der Deichwiese, träumt von einem besseren und freieren Leben als Freibeuter oder Pirat. Ihre Eltern, typische Schafe, die nichts als Grassfressen im Sinn haben, versuchen ebenso einfältig wie vergeblich ihrer Tochter Rita die Flausen auszutreiben.
Szenenwechsel: Hinter dem Deich in der Stadt wohnt das Meerschwein Ruth, das es leid ist, immer nur süss zu sein und ständig von irgendwem angefasst zu werden. Als rettende Massnahme bringt es sich selbst ziemlich gruselige Laute bei, die alle Menschen vom Streicheln abhalten. Ruth schafft es schließlich auszubüchsen. Wie es der Zufall will, treffen die beiden aussergewöhnlichen Tiere aufeinander und beschliessen sich auf die Socken - bzw. Hufe und Pfoten - zu machen und sich in das wahre Piratenleben zu stürzen. Das Abenteuer kann beginnen.
Auf der Suche nach der richtigen Piratenbesetzung treffen sie auf viele Tiere, im Zoo, im Wald und am Strand - aber keiner von ihnen will etwas von Ritas und Ruths geplantem Abenteuer wissen. Alle berichten stattdessen von einer wilden Meute, die nachts mit grossen Scheinwerfern und Geräten, die aussehen wie Flinten, am Strand ihr Unwesen treibt. Nach einigen weniger piratenmässigen Kompromissen kommt schließlich tatsächlich die berüchtigte Bande mit lautem Hundegebell an. Rita und Ruth retten sich panisch auf einer Holzpalette, die nun als Piratenkahn dient, und machen sich auf hoher See aus dem Staub.
Aber auch dieses Abenteuer ist schnell zu Ende: Ein Zusammenprall mit einem grossen Schiff lässt sie zu Schiffbrüchigen werden, so dass sie doch noch in die Fänge der Meute an Land geraten. Die erweist sich als Filmcrew auf Talentsuche. So gelangen Rita und Ruth zum Film und werden Stars, die nach kürzester Zeit überall auf der Welt Autogramme geben müssen. Aber zum Verdruss beider werden sie schon wieder von jedermann angefasst.
Schliesslich setzen sie sich als Filmstars ruhmreich zur Ruhe. Am Ende geniessen sie den Tag irgendwo an einem unbekannten Ort am Meer und lassen es sich einfach nur gut gehen.
Martin Klein baut eine sehr schöne und gleichzeitig verrückte Geschichte auf, die vom Anderssein und vom Ausbruch aus den Konventionen erzählt - er stellt über seine beiden liebenswerten Charaktere auf witzige Weise dar, dass das klassische Schaf/Meerschweinchen-Dasein nicht für Rita und Ruth gemacht ist. Die beiden Rebellinnen, vom Mut der Verzweiflung angetrieben, werden durch jede Menge abwechslungsreicher Abenteuer belohnt.
Nicht nur für Jungen, sondern auch für nicht weniger abenteuerlustige Mädchen ist diese Geschichte mit jeder Menge Sprach- und Wortwitz geeignet. Kindliche Fantasien, wie sie sich tagtäglich in den kleinen Köpfen abspielen, weiss Martin Klein sehr gut zu nutzen und umzusetzen. Er nimmt die Fantasie seiner jungen Leser ernst und bringt damit erwachsene Vorleser wie zuhörende Kinder gleichermassen zum Lachen.
Die vielen Dialoge und die humorvoll gezeichneten Charaktere fordern geradezu dazu auf, beim Vorlesen in die verschiedenen Rollen zu schlüpfen. Damit ist der Spass für alle Beteiligten sicherlich schon vorprogrammiert.
Dass es im Verlauf des stetig ansteigenden Spannungsbogen recht turbulent zugeht - bis zum überraschenden und glücklichen Ende - tut natürlich sein übriges, um Kinder bei der Stange zu halten. Fraglich ist nur, ob die abenteuerlustigen Charaktere wie Rita und Ruth ihr ersehntes Leben so mir-nichts-dir-nichts ändern, bzw. enden lassen können. Immer nur am Strand im Liegestuhl zu sitzen, kann die beiden Rebellinnen doch auf Dauer nicht glücklich machen? Und tatsächlich: Die im Abspann angedeuteten Ausflüge nach alter Manier, Tritte gegen Schäferhundschienbeine und die Rede von zwei rätselhaften Freibeutern lassen auf weitere, heitere und spannende Geschichten hoffen.
Die Bilder von Ute Krause, die die Geschichte auf nahezu jeder Doppelseite begleiten, sind charakteristisch für den lockeren Zeichensti der bekannten Illustratorin. Sie sind voller Humor, mit flotter Hand gezeichnet und mit jeder Menge lustiger Details versehen. Ihre Begabung, manchmal nur Ausschnitte zu zeigen und auch häufig die Perspektive zu wechseln, machen ihren besonderen Zeichenstil aus und geben den Bildern eine eigene Dynamik und Lebendigkeit.
Fazit:
„Rita das Raubschaf" ist eine durch und durch humorvolle Geschichte über das Anderssein. Mit mehr als einem Schalk im Nacken erzählt, ist sie erfrischend anders und lässt kleine Piratenfans auf ihre Kosten kommen.
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