Sommerglück und Idiotenpech
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: April 2009
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[ab 9 Jahren]
Eine Naturschule in einem kleinen Ort in Brandenburg steht kurz vor der Schließung. Der Grund: Nur zwei Kinder fehlen in der künftigen 1.Klasse. Es muss etwas unternommen werden. Flora, Leonie, Johan schmieden Pläne und sind auch auf dem richtigen Weg, wären da nicht diese zwei Idioten, die ihnen ständig in die Quere kommen.
In der Hofpause paddeln die Freunde Leonie, Flora und Johan auf ihrem selbstgebastelten Floß auf die kleine Insel im Teich. Zusammen futtern die drei ihre mitgebrachten Brotbüchsen leer und genießen die Idylle. Floras Mutter, sie ist Tischlerin, hat den Kindern beim Bauen des Floßes geholfen. Alles könnte so schön sein, wären da nicht Konrad und Eric. Konrad lebt mit seiner Familie in der Sozialsiedlung. Er hat einen Vater, der nur säuft und eine Mutter, die sich nicht um ihre vielen Kinder kümmern kann. Der dicke Eric ist ein Einzelkind, die Eltern arbeiten viel und überlassen den Jungen der grantigen Oma. Konrad und Eric stiften nur Unfrieden, prügeln sich und rauchen. Jetzt sind sie auf der Suche nach dem Floß. Die drei Freunde verstecken es auf der kleinen Insel und waten durch die dicke, grüne Entengrütze an Land. Am Nachmittag treffen sich alle zum Anbaden im Mai am Badesee. Auch hier lauern die zwei Idioten den drei Freunden auf. Wutschnaubend kommt Leonie nach Hause, denn die beiden Jungen haben ihren Bade-Walfisch mit einer Zigarettenkippe kaputt gemacht.
Leonie will, dass ihre Mutter mit den Eltern von Konrad und Eric spricht. Leonies Mutter ist Malerin und hat mit ihrem Mann, einem Schriftsteller, für einen symbolischen Betrag das Schloss im Ort gekauft. In der Hoffnung, irgendwann mal reich und berühmt zu werden, arbeiten sich die beiden Künstler nun von Zimmer zu Zimmer vor. Telefonisch ist niemand zu erreichen und so machen sich Leonie und ihre Mutter auf den Weg, um ihren Ärger loszuwerden. Doch umsonst. Bei der Bäckersfrau hören die Kinder dann zwei Neuigkeiten. Konrads Mutter hat ihren Mann mit vier Kindern verlassen und lebt bei ihrer Schwester in der Stadt. Und die kleine Schule soll geschlossen werden. Die einzigartige Grundschule hat keine Klingel, kleine Klassen, übergreifende Klassenstufen von der 1. bis zur 6.Klasse, einen Schulgarten, ein paar ausgestopfte Tiere und grüne Iglus. Beide Gerüchte stellen sich als Wahrheit heraus. Die Direktorin bittet die Kinder um schriftliche Begründungen, warum die Schule unbedingt bleiben muss.
Inzwischen suchen Leonie und Flora ihren Freund Johan, den die miesen Typen immer Schrubber nennen, nur weil sein Haar bis zur Schulter reichen. In der Jungentoilette finden sie ihn mit aufgeschlagener Lippe. Das war Eric, der Schläger. Die Kinder halten dicht, denn niemand soll von dem Vorfall erfahren. Die Mädchen schreiben ihren Protestbrief für die Direktorin und suchen überzeugende Argumente für den Verbleib ihrer geliebten Schule. Beim Diskutieren entwickeln die Kinder eine zündende Idee. Wenn sie herausfinden, wie viele Kinder im Alter von fünf Jahren im Ort leben, dann könnten sie sie in den Pfingstferien für die Schule fit machen und per Antrag der Eltern bewirken, dass sie bereits in die 1.Klasse aufgenommen werden. Wenn sich die Kinder für den Malkurs bei Leonie anmelden, dann würde es mit Unterricht so nebenher vielleicht klappen.
Seit drei Tagen bereits fehlt Konrad. Die drei Freunde vermissen ihn kaum und doch bemerkt Leonie, dass jemand im Pferdestall ihres Schlosses kampiert haben muss. Konrad ist mit seiner kleinen Schwester Amanda abgehauen. Allerdings denkt die Mutter, dass die Kinder beim Vater sind und der Vater glaubt, dass die Kinder bei der Mutter sind. Die drei Freunde beobachten wie Konrad mit seiner kleinen Schwester am See Fische grillt und sie hören ihn liebevoll mit Amanda reden. Angeblich soll Amanda in die Förderschule, weil sie nicht sprechen kann. Aber das soll sich als Irrtum herausstellen.
Für den Malkurs haben sich dann drei Fünfjährige gefunden. Allerdings stellen Flora, Leonie und Johan schnell fest, dass ein Kind wirklich nur ein Wort sprechen will und vielleicht auch nur kann. Zum Ärger der drei Freunde ist auch noch Eric dabei, denn Erics Mutter hatte ein längeres Gespräch nach dem Walfisch-Vorfall mit Leonies Mutter. Leonie, Flora und Johan schaffen es, mit den kleinen Kindern ihren Unterricht zu beginnen. Sie bestechen sie mit Süßigkeiten und stellen fest, dass die Kinder doch schon so einiges wissen. Allerdings sind die pädagogischen Fähigkeiten der Freunde mehr als dürftig. Eins ist klar, wenn die Kinder Amanda auch noch für den Kurs hätten, dann wäre die neue 1.Klasse mehr als komplett. Die drei begeben sich auf die Suche nach Konrad und Amanda. Sie finden die beiden nicht am verfallenen Försterhaus, wo sie angeblich oft sind. Hier schießt Eric mit seinem neuen Freund Gregor auf kaputte Puppen. Konrad und seine kleine Schwester haben sich während der Ferien in der Schule versteckt. Als die drei Freunde sie finden, sind sie durchgefroren und völlig verdreckt. Leonie versteckt die beiden Ausreißer, die nicht zur Mutter in die Stadt wollen, auf dem Dachboden des Schlosses. Konrad ist ziemlich kleinlaut und weiß gar nicht, was er zu den Kindern sagen soll, denen er vor Tagen noch Prügel angeboten hatte. Aber alles ist etwas schwierig, denn bei Leonies Eltern ist Krach angesagt. Immer geht es ums fehlende Geld und die vielleicht falsch getroffenen Entscheidungen. Als die drei Freunde mit den Eltern der Fünfjährigen reden wollen, geht auch das gründlich schief. Im Schloss erwartet dann Leonie eine Überraschung. Ihre Eltern haben die Ausreißer gefunden und auch deren Eltern informiert.
Leonies Eltern wollen die beiden Kinder im Schloss behalten und ihnen ein Zimmer geben. Leonie ist ein bisschen eifersüchtig, versteht aber die Situation, in der sich Konrad und Amanda befinden. Nach einer Aussprache zwischen den Erwachsenen, die die drei Freunde belauschen konnten, ist klar, der Vater kann sich aufgrund seiner Trunksucht nicht richtig kümmern und die Mutter zeigt ihre Fürsorge immer nur dem jüngsten Kind. Eine Familienbetreuung muss dem Vater helfen und Konrad und Amanda kommen in der Woche ins Schloss und am Wochenende können sie dort auch schlafen.
Eine große Schulversammlung wird einberufen. Es ist klar, die Klassen müssen laut Sondergenehmigung 15 Schüler umfassen. Wenn das nicht der Fall ist, wird die Schule geschlossen. Wie der Ausgang der Geschichte ist, wird nicht verraten. Dass die drei Freunde zu Konrad einen guten Kontakt finden, ist eine überraschende Wendung in dieser Geschichte. Auch Eric muss seine Erfahrungen sammeln, denn Konrad ist nicht mehr auf seiner Seite und Gregor wendet sich ebenfalls ab.
Ob es der Kinderroman „Auch zwei sind eine Bande" oder „Kaninchen bringen Glück" ist, Beate Dölling ist immer am Hier und Jetzt interessiert. Sie findet für ihre Geschichten aus dem Alltag den richtigen Ton und lebensechte Protagonisten, die überzeugen. Leonie, Flora, Johan und auch Konrad und Eric sind Charaktere, die Kindern nicht fremd sind. Alle stammen aus unterschiedlichen Milieus ( Flora lebt allein mit ihrer Mutter, Johans Zuhause ist in Takt, aber ein bisschen spießig und Leonie ist die Tochter von zwei Lebenskünstlern) und finden doch zueinander. Der Leser kann sich in ihnen wiedererkennen oder auf eine Welt treffen, die für ihn fremd ist. Da ist Flora, das schmale, flinke Mädchen, das auch schnell mit Worten sein kann oder Johan, der Junge, der eher verträumt wirkt und den Kontakt zu Gleichgesinnten sucht. Aber am genauesten ist Leonie gezeichnet, das Kind, das voller Selbstbewusstsein ist und Mitgefühl zeigt. Außerdem lebt sie in einem richtigen, allerdings leicht verfallenen Schloss. Das klingt nach glücklicher Kindheit und Abenteuer pur plus dicker Freundschaft. Aber da sind ja auch noch die Dorfidioten, die einem das Leben schwer machen können. Konrad stammt aus einer Familie, in der Gewalt und Alkohol zum Alltag gehören. Seine Geschwister, außer Amanda, scheinen ihm fremd zu sein. Die Eltern sind überfordert. Das Schicksal des dicken Eric, dessen Eltern viel arbeiten und mit ihrem Kind kaum Zeit verbringen, sieht da ganz anders aus. Er wird mit materiellen Gütern überhäuft. Was er jedoch wirklich benötigt, das interessiert offenbar niemanden. Die kleine Naturschule mit ihren, und das ist ja auch mal hervorzuheben, freundlichen Lehrern und einer engagierten Direktorin, ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Nicht die Verbote stehen hier im Vordergrund, sondern die kreative Freiheit der Schüler und Lehrer, die gemeinsam am gleichen Strang ziehen. Für den jungen Leser sind alle Probleme überschaubar und verständlich. Wie die gemeinsam geplanten Aktionen die Kinder auf immer neue Ideen bringen, das liest sich witzig und spannend. Dabei wird nichts ausgespart, nicht die Sorgen von Leonies Eltern, die Gleichgültigkeit in Konrads Familie oder die Ängste der Kinder. Angesprochen werden auch die Ursachen für die Gewalt in Konrads Familie. Doch der Junge erlebt keine soziale Ausgrenzung, denn Flora, Johan und Leonie versuchen seine Lebenssituation zu verstehen. Er und Amanda bleiben nicht sich selbst überlassen. Die drei Freunde helfen. Außerdem erwarten Leonie, Johan und Flora von ihren Eltern Anteilnahme und eine Haltung zu ihren Problemen. Hier zeichnet die Autorin ein zu altruistisches Bild, gerade von Leonies Eltern. Aber das sei erlaubt, denn von wem sollen Kinder in bedrängten Situationen auch Hilfe erwarten, wenn nicht von Menschen, die unabhängig denken.
Fazit:
Aus der Perspektive der drei Freunde Leonie, Flora und Johan erzählt die Berliner Autorin eine realistische, unterhaltsame und warmherzige Sommergeschichte. Trotz gutem Ausgang und unerwarteten Wendungen bleibt Beate Dölling nah an der Wirklichkeit und spart die Probleme dieser kleinen Gemeinschaft nicht aus.
Beate Dölling, Beltz & Gelberg
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