Jetzt komme ich!
- Gerstenberg
- Erschienen: April 2009
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Ein kleiner Hasenfuß begibt sich in ein riesiges Zirkuszelt zu gefährlichen wilden Tieren um als Darsteller vorzusprechen - doch wie groß muss man sein, um als großartig zu gelten?!
Dies ist eines der immer häufiger werdenden Bilderbücher, die mit Überraschungen bereits im Innendeckel aufwarten. Wehe dem, der sie achtlos überblättert - entgeht ihm doch der eigentliche Auftakt der Geschichte und schließlich sogar das fulminante Finale. Anderenfalls jedoch steigt der Betrachter also mit dem ersten Blättern mitten hinein in eine Szene, auf der eine beängstigend große Plakatwand vor einem Zirkus äußerst beeindruckende Superlativ-Tiere zeigt: „Darsteller werden gebeten vorzusprechen.". Aber auch einen von all den Helden scheinbar unbeeindruckten, keck vorbeispazierenden Hasen. Wie sonst könnte er die abschreckende Notiz „Kleinvieh unerwünscht" so einfach ignorieren?! Eben diese scheinbare oder tatsächliche Gelassenheit ist sein Eintrittsticket in die Welt der giftgrünen Viper, der langhalsigen Giraffe und des gigantischen Gorillas. Alle genannten wie auch der Bär, der Löwe und das Nashorn schauen amüsiert verdutzt auf den Neuling, der sich zunächst als „klein" vorstellt. Er schießt ein scheinbar überdimensionales Eigentor, indem er alle seine Defizite auflistet. - Ein denkbar schlechter Auftakt für ein Bewerbungsgespräch!
Verblüffend jedoch, wie dieser Winzling all die Riesen um sich herum mühelos dirigiert, ihm zu helfen beim Naseputzen und Schuhebinden. Ja, er besitzt sogar die Kühnheit, den furchteinflößenden Gorilla mit einem Muffin zu bewerfen - welche Provokation. Was nun stark nach unvermeidlichem Rausschmiss aussieht ist jedoch eine raffiniert eingefädelte Vorbereitung auf die Präsentation seines genialen Tricks: zu verschwinden. Aber nur, um kurz darauf ganz nach Belieben im Hut des Affen oder im Maul des Löwen wiederaufzutauchen .... . Die Zirkusbewohner sind fasziniert vom wilden Treiben, das gar in einem Sprung in den Vipernhals mündet!
Das Abschlussbild toppt die Vorführung noch mit der Umgestaltung des Eingangsplakates durch den langohrigen Helden. Er stellt ein Konterfei in den Mittelpunkt, verhindert das Vorsprechen weiterer Bewerber und erkühnt sich sogar, seine neuen Kollegen in Wort und Bild zu verunglimpfen. Aus der „großen" wird dank des mutigen Kleinen eine „großartige" Manege.
Louis Yates, die Autorin und Illustratorin des Buches kommt in ihrem Erstlingswerk
mit erstaunlich wenig Text aus, um ihre Geschichte zu erzählen: Manchmal braucht sie nur drei Wörter pro Seite, gelegentlich auch nur eines, um den Spannungsbogen zur nächsten Handlung zu schlagen. Die Erzählerin verleiht allen Tieren Gestalt und Gesicht, aber einzig dem Hasen gibt sie auch eine Stimme. Doppelseiten füllende Einzeldarstellungen wechseln sich mit comicartigen Sequenzen ab. Vor einem zartrosa Aquarellhintergrund tummeln sich schwarzkonturierte Pastellkreide-Protagonisten - allesamt in ihren arttypischen Merkmalen gelungen porträtiert. Das couragierte und schließlich siegreiche Auftreten des kleinen Hasen ist ein geeigneter Gesprächsanlass gerade für Eltern mit jüngeren Kindern, denn diese thematisieren ja selbst häufig alle neu errungenen Fähigkeiten oder gerade die oft als schmerzlich empfundene Diskrepanz zwischen Wollen und Können. Gerade die Tatsache, dass das eigentliche Ende nicht erzählt wird lässt zunächst Raum für Spekulation und stimuliert nach dem Betrachten des Abschlussbildes zu bewertenden Kommentaren.
Fazit:
Ein gelungenes Denk- und Gesprächsangebot zum Thema Selbstbewusstsein, das ironisch-augenzwinkernd daherkommt und insbesondere seine jüngsten Betrachter dazu ermutigt, hinter „Jetzt komme ich" wirklich ein Ausrufezeichen zu setzen!
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