Die elfjährige Min ist, seit sie auf einer Toilette im Vergnügungspark einfach zurückgelassen wurde, von einer Familie zur nächsten gereicht worden. Und wieder einmal, kurz vor Weihnachten, versucht ihre aktuelle Pflegemutter sie loszuwerden. Min hat sich längst damit abgefunden, dass sie niemand will. Doch dann taucht plötzlich die Kinderärztin Jess auf und nimmt sie kurzerhand mit zu sich. Jess scheint der erste Mensch sein, der die verschlossene Min voll und ganz versteht.
Dabei schwankt Min hin und her zwischen Argwohn und Hoffnung, denn Jess scheint ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen und jeden ihrer Gedankengänge vorauszuahnen. Für Min ist das fast zu schön, um wahr zu sein. Dennoch erwacht in ihr eine verhaltene Freude, denn dieses Mal würde sie endlich ein richtiges Weihnachtsfest erleben. Ihr erste Unternehmung mit der alleinstehenden Ärztin besteht darin, bei Freunden auf dem Land einen eigenen Weihnachtsbaum zu schlagen. Während Jess sich noch bei einem Anstandskaffee bei ihrer Freundin verplaudert, ist Min draußen ganz allein im Schnee - und ist für ein paar kostbare Momente glücklich. Ihre Entdeckungstour führt sie schließlich zu einem verfallenen Stall, in dem sie ein herzerweichendes Wimmern hört. Erst später kann sie mit Jess dorthin zurückkehren und der Sache auf den Grund gehen. Sie finden, in einer Ecke zusammengekauert, einen kleinen Hund in einem mehr als erbärmlichen Zustand. Sei bringen das halb verhungerte und schwer verletzte Tier zu einem befreundeten Tierarzt, der verspricht sein Bestes zu tun.
Dann kündigt sich Tobias, Jess´ Patenkind an. Auch er ist in seiner neuen Patchworkfamilie nicht integriert und wird, da die Familie verreist, eine Nacht bei seiner Tante verbringen. Tobias´ leiblicher Vater, würde, so die Planung, die restlichen Feiertage mit seinem Sohn verbringen. Doch der Journalist und Weltenbummler befindet sich noch in Thailand.
Zunächst ist Min gar nicht begeistert, ihre Zeit mit dem Jungen zu verbringen. Schließlich hat sie mit Jungen ihres Alters immer nur schlechte Erfahrungen gemacht. Doch dem einfühlsamen Tobi gelingt es, die harte Schale von Min zu knacken und ist bald bei der Rettungsaktion um den kleinen Hund mit von der Partie. Der Besuch, am nächsten Tag, beim Tierarzt fällt ernüchternd aus. Dem Hund geht es sehr schlecht und die Verletzungen deuten auf Tierquälerei hin. Schnell richtet sich der Verdacht auf die Hundefarm in der Nähe von ";Emily´s" Fundort. Es besteht kein Zweifel, dass Emily von dort geflohen sein muss. Schnell fassen Min und Tobi einen Plan - sie wollen die gewissenlosen Züchter auffliegen lassen. Von all dem erfährt Jess natürlich nichts und beinahe hätte Min ihren Plan schon vergessen, denn Jess schenkt Min zu Weihnachten einen kleinen Welpen. Jess tut dies, um Min schweren Kummer zu ersparen, denn es steht zu befürchten, dass Emily ihren schweren Verletzungen erliegen könnte
Für Min, die dank der Unterstützung von Jess zum ersten Mal richtige Geschenke verteilen kann und selbst so reich bedacht wird, wird ein Herzenswunsch wahr und sie verlebt mit ihrer neuen kleinen Familie wunderschöne, unbeschwerte Weihnachten. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Als sie nach längerer Zeit wieder über die Nachrichten von der Welt ausserhalb erfahren, erleben die drei - vor allem Tobi - einen schweren Schock. Ein schwerer Tsunami ist über die Region, in der Tobis Vater unterwegs ist, hereingebrochen. Bange Stunden liegen vor ihnen, denn niemand weiss, ob sein Vater die Flutwelle überlebt hat. Doch dann kommt endlich der erlösende Anruf - Min erlebt ein Wechselbad der Gefühle, in dem ihr abermals bewusst wird, dass sie niemals erfahren wird, wer ihr Vater ist.
Tobi hat jedoch über all dem seinen Plan, die Hundefarm auszuspionieren, nicht vergessen und es gelingt ihm, unter einem Vorwand, gemeinsam mit Min dorthin zu gelangen. Doch als sie dem skrupellosen und noch dazu bewaffneten Besitzer gegenüber stehen, bekommen sie so grosse Angst, dass sie Hals über Kopf fliehen. Auf ihrem Weg kommen sie an dem Haus einer alten Dame, der ehemaligen Lehrerin von Jess, vorbei und erfahren, dass die alte Dame einen Hund vermisst, dessen Beschreibung auf ihre Emily passt.
Natürlich kommt Jess den beiden auf die Schliche und erfährt, dass sie angeschwindelt wurde - Min hat furchtbare Angst, dass Jess sie, entgegen ihren heiligen Versprechen, auch wieder loswerden will. Doch Jess denkt gar nicht daran und schreitet nach einer knappen Gardinenpredigt lieber selbst zur Tat und rückt dem gewissenlosen Tierhändler mit Tierarzt und Polizei zur Leibe - und das mit Erfolg.
Die Familie wächst zusammen und Min entdeckt neue, weiche Seiten an sich und ist zum ersten Mal in der Lage, diese auch ihren Mitmenschen zu zeigen. Dann wird es Zeit, dass Min wieder in die Schule geht und dieses Mal findet sie echte Freundinnen. Niemand lässt zu, dass sie aufgrund ihrer schwierigen Herkunft beleidigt oder drangsaliert wird.
Für Min, die sich nun auf den Vorschlag von Jess hin Jessamyn nennt, und nicht mehr den verhassten Namen ";Minerva" ertragen muss, beginnt damit eine ganz neue Zeitrechnung. Noch einmal wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, doch Jess hat so viel Verständnis und Einfühlungsvermögen, dass sie genau das richtige für Min tut. Am Ende ist Mins Glück so perfekt, dass sie sich sogar von ihrem bis dahin einzigen Anker trennen kann - ihrem langen Zopf.
Die kanadische Kinderbuchautorin, Jean Little, erreicht schnell, dass man die Geschichte von Min und ihrem kleinen Findelhund unbedingt weiterverfolgen will und ihre ";Zutaten" sind dafür bestens geeignet. Jean Little erzählt mit ";Schneeengel" ein echtes Wintermärchen von einem Waisenkind, das endlich - noch dazu an Weihnachten - ein Zuhause findet. Und die von allen Menschen zutiefst enttäuschte Min hat wahrlich Glück mit der beherzten und gleichzeitig so einfühlsamen Jess, die, wie sich schließlich herausstellt, ebenfalls eine Waise ist.
Jess, die als Kind ebenfalls schlimme Dinge durchmachen musste und daher Min besser als jeder andere Mensch zu verstehen scheint, stellt selbst in Anbetracht der idealen Voraussetzungen eine fast übermenschlich perfekte Pflegemutter dar. Es gibt - häufig sogar ganz ohne Worte - keine Missverständnisse, stets findet sie die richtigen Worte, um Min zu erreichen und weiss in den entscheidenden Momenten das Mädchen in Ruhe zu lassen. Andererseits ist Min, für ein Mädchen mit einem derart schwierigen Hintergrund, ein echtes Wunschkind, denn sie ist durch und durch gut erzogen, dankbar und zurückhaltend. Von kleineren Wutanfällen einmal abgesehen, verschont sie ihre neue Pflegemutter von ihren durchlebten Traumata. In aller Stille und Zugewandtheit überwinden schließlich beide ihre schlimmen Erlebnisse und gehen endlich einer glücklichen Zukunft entgegen, der selbst nicht einmal die Bürokratie im Wege stehen kann.
Die Autorin beleuchtet die Geschichte ganz aus Mins Sicht und lässt ihre Leserinnen ein wenig erahnen, wie freudlos das bisherige Leben des Mädchens war. Zu Anfang noch berührend dargestellt in der Interaktion der beiden Personen, die sich anschicken eine kleine Familie zu werden, wird es im Verlauf der Geschichte doch immer unglaubwürdiger - eben zu schön, um wahr zu sein.Wie auch die weihnachtliche Idylle, die Jean Little hier beschreibt und kann dem echten Leben kaum entsprechen. Zwar bringt sie immer wieder ein wenig Realität oder gar reale Dramatik in das Leben ihrer Protagonisten, aber letztlich landet es doch im zartrosa Weichspülgang der Gefühle und erfüllt alle Erwartungen an eine richtig schöne Geschichte ohne echte Ecken und Kanten.
Fazit:
Wer etwa zehn Jahre, weiblich und auf der Suche nach einer kurzweiligen Weihnachtslektüre ist, wird mit ";Schneeengel" von Jean Little bestens unterhalten. Mit viel Gefühl für berührende Momente führt uns Jean Little durch ein modernes Weihnachtsmärchen, das für die Wirklichkeit doch leider zu schön scheint, um wahr zu sein.
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