Eine winzigkleine Ameise und ein riesiger Elefant wollen das Ende des Meeres finden und kommen zuletzt zu einer überraschenden Erkenntnis. Die ";Geschichte ohne Ende und Anfang" ist ein humorvoll-hintergündiges Buch des erfahrenen russischen Autors Andrej Usatschow, illustriert von Alexandra Junge.
Eine Ameise krabbelt über den Strand an den Saum des Meeres und ist stark bewegt von der Frage: Wo ist das Meer zu Ende? Ihre winzige Körpergrösse im Vergleich zur Grösse des Meeres wirft nicht nur ein Sicht-Problem auf, sondern auch die existenzielle Frage: Was soll sie denn auf dieser Welt?
Da kommt ein grosser Elefant zu ihr. Doch der kann trotz seiner Grösse das Ende des Meeres nicht erblicken. Gemeinsam kommen sie nun ins Grübeln. Trotz grossem Ideenreichtum - der Elefant klettert zu guter Letzt sogar noch auf den Wipfel einer Palme, die sich gefährlich unter seiner Last biegt - sind sie dennoch zu klein, um das Ende des Meeres zu sehen.
Doch für den ans Ufer schwimmenden Thunfisch ist die Frage keineswegs so kompliziert. Für ihn ist die Sache klar, denn er meint das Ende des Meeres gerade hier, am Strand, erreicht zu haben.
Die Freude bei allen ist riesig! Dass sie das nicht gleich erkannt haben!
Doch die Freude währt nicht lange, denn nun stehen sie wieder vor einem Problem: Wenn hier das Ende des Meeres ist, wo ist dann der Anfang?
Mit dieser Frage und einem noch lange nachklingenden Schmunzeln bleiben Leser wie Zuhörer gleichermassen zurück und ein jeder mag sich seine eigenen Gedanken zu diesem - zugegebenermassen ziemlich alten Problem - machen.
Dabei geht es nicht nur um die Relativität von Anfang und Ende, eben ganz aus der subjektiven Warte aus betrachtet, sondern auch um das Unvermögen der eigenen Persönlichkeit, zu klein, zu unbedeutend zu sein, um die Welt ganz überblicken zu können. Ein Gefühl, das sich nicht erst einstellen muss, wenn es um alltäglichen Nachrichten geht. Kindern ist es nur zu vertraut und die Frustration über ihre naturgemässe Beschränkung schlägt sich schon früh Bahn. Sie können gerade die kleine Ameise verstehen, die glaubt, ihren Wissendurst aufgrund ihrer Winzigkeit nicht stillen zu können. Doch bald stellt sich heraus, dass selbst der Elefant, trotz seiner enormen Grösse, nicht mehr auszurichten vermag.
Diese philosophisch-hintergründige Botschaft wird uns in diesem Bilderbuch so humorvoll und leicht serviert, dass es ein Buch für jedes Alter ab 4 ist, da es jedem - und das buchstäblich je nach Horizont - andere Denkanstösse geben kann. Dass dies auf so spielerische und noch dazu pointierte geschieht, macht dieses Buch ebenso intelligent wie sympahtisch.
Und so ist es der drollige, unbekümmerte Thunfisch mit seinen gespitzten, rot angemalten Lippen, der uns zeigt, dass man mit einer gewissen Unbekümmertheit leichter durchs Leben kommen kann und das doch so Offensichtliche schneller erkennt.
Die Illustrationen bieten viele verschiedene und interessante, oftmals lustige Perspektivwechsel. So streckt sich ein Bild längs über zwei Seiten, auf dem man den Elefanten und die Ameise hoch oben im Wipfel der besagten Palme sieht. Das lustige ist, dass der Elefant auf Zehenspitzen auf dem letzten Ast der Palme steht-ohne ihn abzubrechen- und obenauf sich die Ameise noch auf dem ausgestreckten langen Rüssel reckt, um das Ende zu erspähen - bekanntermassen ohne Erfolg. Meist sind die Bilder nur zweifarbig, in erdigen Farbtönen unterschiedlicher Helligkeit gehalten, so dass sie eine gewisse Ruhe ausstrahlen. Mimik und Gestik sind mit einfachen Strichen klar und ausdrucksstark herausgearbeitet.
Die Sprache ist gerade wegen ihrer Kürze und Prägnanz so pointiert und kann dadurch auch schon die jungen Zuhörer erreichen.
Fazit:
Die liebevoll inszenierte ";Geschichte ohne Ende und Anfang" ist ein humorvolles Buch, das durch seinen unbeschwerten und gleichzeitig philosophischen Unterton all jene erreicht, die auf der Suche nach den grossen Fragen des Lebens sind und sich - ganz wie Kinder - nicht beirren lassen, immer weiter zu fragen.
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