Spannender Bauernhof-Alltag im Appenzeller-Land: die Kuh Rosa soll ein Kälbchen zur Welt bringen, doch es gibt Komplikationen. Der Tierarzt könnte helfen, doch wie soll er bei dem ausdauernd fallendem Schnee und ohne jeglichen Handykontakt auf den Berg gelangen?! Bäuerin Leni beweist Mut, beißt sich durch und ist pfiffig - aber kann das allein die Wende bringen?
Die packende Rettungsgeschichte von Leni spielt in den Schweizer Bergen und ist alles andere als idyllisch-glamourös aufgemacht. Das hat einen guten Grund: bereits mit dem in gedeckten Pastelltönen gehaltenen Cover und der ersten Doppelseite wird der Betrachter eingestimmt auf ein aufziehendes Unglück. Eine kalbende Kuh an sich erscheint noch nicht als Problem, wohl aber die Tatsache, dass Schnee ";in der Luft liegt" - Jakob als Liftwart und Schneepflug-Fahrer muß das wissen. Und dann kommt doch tatsächlich alles so, wie der Leser es schon geahnt hat: mitten in der Nacht wird Hilfe aus dem Tal gebraucht, doch die scheint mangels Handyverbindung und durch den Neuschnee auf den Zufahrtswegen unerreichbar fern.
Leni, die bei der Kuh Rosa gewacht hatte, fasst also ihren Mut zusammen und steigt auf ihre Skier. Jakob verabschiedet sich herzlich und schickt ihr ein ";B`hüet di" mit, als sie sich für die Abkürzung durch den Wald entscheidet. In langen Windungen durch prächtige Panoramen verläuft der Weg den Berg hinab und Leni kennt sich selbst im Dunkeln aus, bis sie schließlich doch stürzt und beinahe im Bach landet. Mit verbogener Ski-Bindung kämpft sie sich den Hang hinauf, rutscht zurück, bleibt stecken. Sie friert im eisigen Wind, will aber um Rosa und deren Kälbchens willen dennoch ihren Auftrag erfüllen. Unterwegs borgt sie sich einen Schlitten auf einem Hof um schneller talwärts ins Dorf zu gelangen.
Nach rasanter Fahrt klingelt die junge Frau schließlich den Tierarzt Dr. Niggli wach. Geschafft!? Leider noch nicht, denn ohne geräumte Straße kann sich das Auto des Helfers nicht zu Jakobs Hof hinaufarbeiten. Eile ist geboten und Leni zögert nicht lange, sondern setzt Jakobs Schneepflug in Gang - zum ersten Mal in ihrem Leben, wie es scheint. Das Losfahren meistert sie sofort, aber dann muß der Schneepflug abgesenkt werden ... . Schließlich ist auch das geschafft. Die Illustration auf der folgenden Doppelseite - nun in gleißend taghellem Weiß- zeigt eine froh gestimmte, laut singende Leni den Berg mit ihrem schweren Gefährt erklimmen, der Doktor folgt.
Damit endet auch der Text, aber Lika Nüsli, die Illustratorin entlässt den Betrachter nicht ohne versöhnliches Schlußbild im Innendeckel: Kuh Rosa leckt ihr trinkendes Kälbchen; alles ist zu einem guten Ende gekommen. Fraglich bleibt allerdings, ob die Geburt auch schon ohne die Hilfe des Arztes vonstatten ging, denn als Leni zurückkehrte, stand die Sonne bereits hoch und Jakob empfing sie mit einem strahlenden Lächeln ... Hier bleibt eine kleine Lücke, die durch die Phantasie der Kinder gefüllt werden kann.
";Ueli Ambühl" steht für zwei Freunde, die nebenberuflich Geschichten schreiben. Gemeinsam schrieben sie den Text zu den aufregenden Ereignissen der geschilderten Nacht und ließen dabei ihre schweizerische Herkunft in Details wie dem Abschiedsgruß oder dem Wort ";Tobel" mit einfließen. Deutschen Kindern dürfte das weniger geläufig sein, gibt dem Ganzen aber eine interessante Note. Sie zeichnet Leni und Jakob freundlich im Wesen. Kurze prägnante Situationsbeschreibungen mit kleinen Dialogen umreißen die Situation gut. Die sich steigernde Spannung wird geschickt aufgebaut, immer wieder fließen Lenis Gedanken über ihren nächsten Schritt in den Text ein.
Lika Nüssli aus St. Gallen gab der Geschichte mit geradlinigen, auf das Wesentliche reduzierten Pastellkreide-Illustrationen ein stimmiges bildliches Pendant. Insbesondere ihre Farbwahl ist als gelungen zu bezeichnen - wähnt man sich doch selbst inmitten der gespenstisch dunklen Bäume ins Tal hinabrauschen oder wird in Hochstimmung versetzt, angesichts des strahlenden Schlussbildes. Die an naive Bauernmalerei erinnernden menschlichen Figuren stehen jedoch nicht im Mittelpunkt ihrer zumeist gegenständlichen Darstellung: der Akzent liegt eher auf dem Anschaulichmachen der Länge des Weges oder der Weite der von der kleinen Heldin unter Zeitdruck zu durchquerenden Landschaft sowie auf den außerordentlichen Dimensionen (junge Bauersfrau Leni vor riesigem Schneepflug). Die Mimik wünschte man sich als Betrachter allerdings noch variantenreicher herausgearbeitet. Witzige Details wie Leni´s flotte Kleidung (sie trägt neumodisch Rock über Hosen zu knallbunten Gummistiefeln), der Autoaufkleber des Arztes oder die Beschriftung der Box in der Rosa steht sind genaueres Hinschauen wert.
Fazit:
Diese Geschichte über Mut und Entschlossenheit eignet sich gut zum Vorlesen und gemeinsamen Betrachten. Kinder könnten angeregt werden, im selben Stil eigene Bilder zu kreiren.
Deine Meinung zu »Leni holt Hilfe«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!