Brüder wie Freunde
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: September 2008
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[ab 11 Jahren]
Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Kinderbuch des Monats [09.2008]. Frank ist ein Berliner Junge - keine kesse Bolle, kein Großmaul, sondern eher ein Träumer. Die Straßen sind sein Zuhause und die Kneipe ";Zur gemütlichen Ecke", die seiner Mutter gehört. Es ist Nachkriegszeit. Frank bewundert seinen großen Bruder Burkhard. So wie er möchte er gern sein. Beide Jungen sind zur einen Hälfte Brüder und zur anderen Freunde.
"; Brüder wie Freunde": Zeit und Ort: 1950, Mai, Berlin - Prenzlauer Berg. Frank Gaspard ist sieben Jahre alt und ein stilles, eher ängstliches Kind. Sein Vater, den die Mutter nur kurz kannte, ist im Krieg gefallen. Lisa Gaspard ist die fleißige Inhaberin einer typischen Berliner Eckkneipe in der Raumerstraße. Die Stammgäste kommen täglich und so kann sie ihre beiden Jungen ernähren. Frank spielt leidenschaftlich gern mit seinem sieben Jahre älteren Halbbruder Burkie Fussball, obwohl die Mutter das nicht gern sieht. Sie mag den Sport nicht, denn zum einen gehen die Schuhe kaputt und es können Unfälle passieren. Burkhard ist Franks großes Vorbild. In seiner Freizeit spielt Frank mit seinem Freund Peter Hammerstein, einem Flüchtlingskind in den Trümmern von Berlin. Die Kinder sind oft auf sich allein gestellt, denn die Eltern arbeiten oder müssen für Lebensmittel sorgen. Frank träumt von Wunderpferden, Rittern und vor allem erinnert er sich gern an wahre Geschichten von seinem großen Bruder, in denen er ihm geholfen hat.
Der Leser lernt viele verschiedene Personen kennen, die in Franks Umfeld leben: den jüdischen Schneider Mendelsohn, den seine Frau unter Lebensgefahr im Keller bis 1945 versteckt hatte, die Stammkunden der Mutter mit ihren unterschiedlichen Ansichten über politische Fragen oder Moni, die Freundin von Burkie. Franks Mutter hat wieder einen Mann, er ist Rangierer und Organisierer auf dem Schwarzmarkt, kennen gelernt. Die Kinder nennen ihn Onkel Willi.
Mit ihren 45 Jahren hofft die Mutter, dass der 60jährige Willi ihr eine Stütze in der Gaststätte sein wird. Sie denkt, dass sie allein als Frau gerade in diesem Gewerbe und den unruhigen Zeiten männlichen Schutz benötigt. Burkhard ist sauer, denn er ahnt, dass Onkel Willi sich nur ins gemachte Nest setzen will. Es kommt immer wieder zum Streit und zu Machtkämpfen, denn durch die Heirat der Mutter muss Tante Lucie, die ebenfalls zum Haushalt der Gaspards gehört, ausziehen. Die beiden Brüder lieben ihre Tante und sind enttäuscht. Onkel Willi erweist sich als fauler Wirt. Er trinkt lieber mit den Gästen als dass er der Mutter hilft. Die Jungen nennen Willi Buffke, da er ziemlich ausgebufft sich die Sympathie der Mutter und die Kneipe ergattert hat. Onkel Willi schlägt Burkhard und später auch seine Frau.
Die Stimmung in der Familie wird unerträglich. Langsam geht der Mutter ein Licht auf und sie erkennt, dass sie einen großen Fehler begangen hat. Es stellt sich aber heraus, dass sie ihren Mann nicht loswerden kann. Inzwischen erlebt Frank, der nicht so gern liest und ziemlich ängstlich ist, Abenteuer mit seinem Freund Peter in den Berlin Häuserfluchten. Sie wollen eine Bande gründen und es geht um Mutproben, die jeder Junge absolvieren muss. Jeder aus der Bande klaut für die Unterkunft, eine unterirdische Höhle, ein paar Sachen zusammen. Frank stiehlt Zigaretten und wird unglücklicherweise von Onkel Willi erwischt. Die Mutter und auch Burkhard lassen Frank nach einer Moralpredigt in Ruhe, Onkel Willi prügelt auf ihn ein und Burkhard geht dazwischen. Die Mutter ist verzweifelt. Für eine Scheidung benötigt sie einen richtigen Grund und den kann sie nicht finden, denn kein Gericht scheidet eine Ehe, wenn der Vater die Kinder schlägt.
Burkhard wird von einem Jugendtrainer entdeckt, der daraufhin zu einem von Burkhards Fußballspielen kommen will. Doch schon beim Hinweg zum Spiel hat Burkhard ein schlechtes Gefühl, er hatte harte Erbsen in der Schule gegessen. Das Spiel verläuft gut und der Trainer möchte Burkhard und seinen Freund in das Hertateam aufnehmen, doch dann wird Burkhard von einem Ball in den Bauch getroffen. Burkhard bittet Frank nichts von dem Sportunfall zu sagen, denn er weiß wie die Mutter reagieren wird. Die Schmerzen werden immer schlimmer, der Bruder bricht zusammen und wird ins Krankenhaus eingeliefert, wo sich herausstellt, dass er sterben wird. Angeblich ist der Magen geplatzt, aber es ist ein Milzabriss. Er verblutet innerlich. Frank trauert um den verlorenen Bruder und Freund, gleichzeitig macht er sich unsägliche Vorwürfe. Frank möchte das Werk seines Bruders weiterführen, denn er will so wie Burkie werden und fängt ebenfalls an, intensiv Fußball zu spielen. Unterstützt wird er dabei von Burkhards Freund Hotte. Franks Mutter ist entsetzt, aber sie erkennt, dass sie Frank nicht im Weg stehen kann.
In den folgenden zwei Romanen ";Tage wie Jahre" (Handlungszeit: 1953) und ";Einer wie Frank" (1956) erzählt Klaus Kordon von den Ereignissen um den 17. Juni 1953, von der geteilten Stadt Berlin, von seiner Leidenschaft zu Büchern, Tieren und zum Kino, vom Tod der Mutter und seinem eigenen Entschluss ins Heim zu gehen.
Wie kein anderer Schriftsteller verknüpft Klaus Kordon lebendiges, szenisches Erzählen mit einer bildhaften Sprache. Wenn man in seinen autobiografischen Erinnerungen liest, dann scheint es so zu sein, als würde man an Franks Seite durch die damals noch ruhigen, wie kaputten Ostberliner und Westberliner Straßen laufen. Wenn Burkie stirbt, dann fühlt jeder Leser mit Frank mit, leidet mit ihm, teilt seine Zweifel, ist traurig und das für eine lange Zeit. Dabei schreibt Klaus Kordon nie sentimental. Wenn Klaus Kordon nach seinem Schreiben befragt wird, dann nennt er seine Sprache einfach und sagt, dass man sich einfach nur auf seine Texte einlassen soll. Der Berliner Autor ist ein außergewöhnlicher Chronist, der den Tonfall der Menschen trifft und es schafft, jungen Leser ein Gefühl für die Nachkriegszeit zu vermitteln. Keine Frage, diese Kinder- und Jugendzeit hat ihn geprägt wie keine andere Zeit.
Klaus Kordon erzählte im Interview, dass er sich sehr gut an seine Kindheit erinnern kann, bis hin zu Details. Und doch baut er mit seiner literarischen Hauptfigur Frank eine Distanz auf, um keine Ich-Erzählung zu schreiben. Auch wenn der Leser immer aus dem Blickwinkel von Frank die Handlung verfolgt, bleibt so die Möglichkeit Lokalkolorit festzuhalten und zu beschreiben. Der Autor kann frei hinzuerfinden und ist nicht an die wahren Ereignisse gebunden, obwohl vieles wirklich so stattgefunden hat.
Frank Kordon bleibt sich in seinem Schreiben immer treu. Realistisch und vor allem verständlich vermittelt er Lesern ein Bild von der Nachkriegszeit. Klaus Kordon packt seine Leser nicht in Watte, er mutet ihnen vieles zu und weiß, dass sie das auch verkraften können. Der Erfolg seiner bisherigen Bücher gibt ihm Recht.
Fazit:
";Brüder wie Freunde" ist ein ergreifendes Buch, denn es erzählt nicht nur von der wunderbaren Freundschaft der Halbbrüder, sondern auch realistisch vom Leben in der geteilten Stadt. Klaus Kordons Figuren leben und so bleiben sie lang im Gedächtnis derjenigen, die sich auf sie einlassen.
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