Gwendolina, kurz Gwen genannt, lebt bei ihrer Tante Flora und ist überglücklich, als die kleine Katze ";Mini" bei ihnen einzieht. Doch dann ist Mini plötzlich verschwunden. Zusammen mit ihrer besten Freundin Paula macht sich Gwen auf die Suche. Dabei kommt ihnen der überaus unsympathische Bolek höchst verdächtig vor...
Das Leben für Gwen, die von ihrer Tante Flora liebevoll ";Quentchen" nennt, ist in allerbester Ordnung: Ihre Tante Flora, die ein Blumengeschäft mit Namen ";Floras florale Floristik" betreibt, ist ein Juwel und die kleine, gesprächige Katze Mini macht das Glück perfekt. Wäre da nicht dieser eigenartige Junge in ihrer Klasse: Bolek. Er belauscht die Mädchen, schüchtert sogar die Lehrerin mit seinen eindringlich-feindseligen Blicken ein und schafft es sogar, in die Butterbrotdose von Gwen eine tote Maus zu deponieren. Bolek starrt, zischt Gemeinheiten zu und stellt Beinchen - er scheint es wirklich auf Gwen und Paula abgesehen zu haben. Die Mädchen fühlen sich immer mehr in der Defensive und so habensie eine Idee: Sie werden Spioninnen und schleichen dem fiesen Bolek einfach hinterher. Sie werden etwas über ihn herausfinden, das ihm sicherlich nicht gefallen wird. Das Verkleiden und Nachschleichen ist noch einfach, doch als sie bei Boleks wenig einladendem Zuhause ankommen, spüren sie, dass diese Umgebung alles andere als eine Freude ist. Gwen sehnt sich nach ihrer heilen Welt bei Tante Flora. Viel finden die beiden Mädchen nicht heraus, nur, dass etwas in allen Ecken fehlt - im ganzen Haus. Eines aber haben die Mädchen herausgefunden: Der Tisch wird von Bolek gedeckt, für drei. Sie sehen aber nur zwei Personen: Bolek und sein gereizter Vater. Auch den Einkauf hat Bolek ganz allein erledigt.
Doch dann bringt der Sturm die weiteren Untersuchungen ins Stocken. Über Tage hinweg stürmt es fürchterlich und Mini, die oben an Gwens Dachfenster ihren Ausguck hat - sie will sonst auf keinen Fall das Haus verlassen - ist eines Tages verschwunden. Auf dem Hof liegen nur die beiden Blumentöpfe zerschmettert am Boden. Tante Flora und Gwen stellen im Copyshop Suchplakate her und lernen dabei den netten Besitzer des Geschäftes kennen, Herrn Babak.
Gwen lässt bei ihrer Such nichts unversucht und so geht sie auf Nachtwanderung mit der Katzenliebhabern Frau Huschke, die die streunenden Katzen heimlich füttert. Doch auch hier: von Mini keine Spur. Eines Tages erhält sie einen mysteriösen Anruf von einer Frau, die behauptet, dass Mini überfahren wurde. Doch irgendwie ist sie unglaubwürdig. Frau Huschke will Mini noch bei einer weiteren Nachtwanderung mitnehmen, bei der sie Gwen einen Ort zeigen will, wo jemand anderer die Katzen füttert. Doch als sie an dem Haus ankommen, erkennt Gwen, dass es das Haus von Bolek ist.
Irgendwie scheint jetzt alles merkwürdig: Der Anruf der Frau, die abgerissenen Suchplakate, die Tatsache, dass an diesem Haus einst Katzen gefüttert wurden und die Beobachtungen, die Frau Huschke und Gwen heimlich in Boleks Haus machen. Geschickt baut Rusalka Reh die Spannung auf und lässt auch bei ihren Leser(innen) ein mulmiges Gefühl aufkommen . Gwen muss entdecken, unter welch traurigen Bedingungen Bolek mit seinem Vater leben muss, der mit dem Tod seiner Frau - Boleks Mutter - überhaupt nicht klarkommt. Bolek sorgt für seinen kränkelnden und vor Kummer verwirrten Vater und Gwen dämmert es langsam, dass Bolek nicht einfach so boshaft geworden ist.
Als Paula und Gwen gegen den ausdrücklichen Willen von Tante Flora doch noch einmal Boleks Haus aufsuchen, treffen sie zusammen mit den Sozialarbeitern des Jugendamtes ein. Auch sie sehen, dass der Junge unter desolaten Bedingungen lebt. Sein Vater will ihn nun gar nicht mehr fortlassen - noch nicht einmal in die Schule. Dann wird entschieden: Der Vater kommt für mehere Wochen in ärztlicher Behandlung und Bolek soll während dieser Zeit in ein Kinderheim; doch da steht Tante Flora plötzlich in der Tür und erkennt in Bolek den eigenartigen Jungen mit den guten Marnieren wieder:Er ist der ";komische Kauz" der jeden dritten Tag bei Tante Flora eine Blume kauft und sich älteren Damen gegenüber wie ein echter Gentleman verhält. Er hat die Blume immer neben das Bild der verstorbenen Mutter gestellt. Nun wird Tante Flora ungewohnt energisch: Auf keinen Fall wird Bolek in ein Kinderheim kommen; er soll so lange bei Gwen und ihr unterkommen. Gwen, die Boleks Fiesheiten nicht vergessen hat aber auch all das Widersprüchliche und Verlorene an dem Jungen sieht, spürt, dass der ";komische Kauz" in der Klemme steckt - und Bolek realisiert, dass sie auf irgendeine Weise Freunde geworden sind.
Die in Australien geborene Rusalka Reh zeigt in ihrem Kinderbuch-Debüt viele bildhafte und lebendige Begebenheiten des kindlichen Alltags. Die heile Welt, die Gwen trotz des Verlustes ihrer beiden Eltern bei ihrer Tante Flora gefunden hat, beschreibt sie mit viel Wärme und allerlei liebenswerter Details - besonders jenen, die Tante Flora ausmachen - so dass eine wohltuendes Gefühl der Geborgenheit entsteht. Es gelingt ihr mit einfachen, aber umso treffenderen Worten der Geschichte und ihren Personen Authentizität einzuhauchen und macht vieles aus der kindlichen Perspektive heraus nachvollziehbar. Rusalka Reh kann mit Sprache umgehen, das hat sie bereits durch ihre zahlreichen Veröffentlichungen ihrer Lyrik oder Anthologien unter Beweis stellen können. Vielleicht scheint es es ihr deshalb so leicht zu fallen, die unbestimmten Zwischentöne, die sie ihre Protagonistin so klar benennen lässt, auf den Punkt zu bringen. Besonders Boleks Habitus, seine Körpersprache und dessen Einfluss auf andere Menschen, kann Rusalka Reh wunderbar transportieren und nimmt ihre Leser(innen) auch auf eine emotionale Reise, die ihnen ein Spiegel ihrer eigenen Erlebnisse sein kann. Der Kontrast der beiden Welten, Gwens und die kalte, graue Wirklichkeit Boleks, erzeugt dabei ein ausreichend starkes Spannungsfeld. Die Autorin muss nicht zu mehr oder weniger spektakulären Inszenierungen greifen, es gelingt ihr nach klassischem Muster den Leser zunächst auf die falsche Fährte zu locken.
Am Ende zeigt sie allein durch die Beobachtungen, die die Mädchen machen, dass Bolek kein durch und durch fieser Typ ist, dass er es aber für sie geworden ist, um sich zu schützen - auch wenn es ihn am Ende beinahe noch einsamer gemacht hätte. Etwas überflüssig finde ich aber, dass Paula Bolek am Ende, als die drei Freunde geworden sind und Bolek sich wieder im normalen Alltag eingelebt hat, in die Enge treibt und noch eine Entschuldigung für sein damaliges Verhalten von ihm verlangt. Ich bin der Ansicht, dass echte Freunde auch ohne viele Worte verstehen und verzeihen können. Die Botschaft, dass es nicht richtig ist, andere unter dem persönlichen Stress leiden zu lassen, hätte auch anders - vielleicht auch aus freien Stücken von Bolek kommen können. Schön und durchweg positiv ist aber die ganz normale und herzliche Mädchenfreundschaft zwischen Paula und Gwen, die ihre Stärken ganz klar im Zusammenhalt hat. Zusammen mit Paula, der mutigeren der beiden, traut auch Gwen sich mehr zu. Doch als Paula krank wird, muss Gwen den Fall ganz allein übernehmen, vermisst ihre Freundin aber bei ihren nächtlichen Abenteuern sehr.
Dadurch, dass Rusalka Reh die beiden Mädchen vieles beim richtigen Namen nennen lässt, muss sie nicht viel erklären. Eingebettet in dem ganz normalen Schulalltag mit seinen kleinen, besonderen Eigenheiten kann sich jedes Mädchen in Gwen und Paula wiederentdecken. Besonders auffallend sind dabei die zahlreichen Details, die der Geschichte so viel Lebensnähe verleiht, dass sie ganz von sich aus fesselt. Und schliesslich wollen auch die Leser(innen) endlich eine Antwort auf die Frage, wo Mini wohl geblieben ist....
Fazit:
";Mini und die Spioninnen" ist ein unterhaltsames aber dennoch berührendes Kinderbuch-Debüt, das auch ohne spektakuläre Inszenierungen zu fesseln vermag. Ganz aus dem Kinderalltag beschreibt Rusalka Reh mit so vielen liebevollen und lebendigen Details, dass die Leser(innen) ihren Alltag hier wiederentdecken können. Mit einfachen aber umso treffenden Worten gelingt es ihr, auch die emotionale Seite der unterhaltsamen Geschichte zu transportieren und damit Spannung zu erzeugen.
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