Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Simon hat es erwischt, aber richtig. Plötzlich stand sie da - das fremde Mädchen im gelben Badeanzug. Simon bleibt die Stimme weg, er wird zum peinlichen Mädchengaffer und sein Herz schlägt so laut wie ein Presslufthammer. Simon ist völlig aus der Spur und darüber muss er schreiben.
Simon Kesselbeck, elfeinhalb, fast einen Meter vierzig groß, geht in die 6.Klasse einer Münchner Realschule. Alles läuft prima. Er hat einen besten Kumpel, eine Mutter, die im Sheraton Grand Hotel als Köchin arbeitet und einen Vater, der bereits seit drei Jahren aus seinem Roman vorliest und dem Simon gern beim Grübeln zuschaut. Simon ist eher der stille Typ, der nicht auffallen möchte. Er nennt es: minusprominent. Doch seit Simon Annalena im Schwimmbad des Hotels nur gesehen hat, stimmt etwas nicht mit ihm. Seine Gedanken springen wie ein Flummi hin und her, vor und zurück. Und so erzählt er auch. Ständig springen seine Beobachtungen, Erinnerungen von einer Geschichte und Idee zur nächsten.
Alles beginnt im Juni an einem Freitag mit dem Ausfall seiner Stimme. Angeblich hat Annalena sie ihm gestohlen, das Berliner Mädchen, dem Simon auf verrückte Weise vor vier Tagen, am Dienstag, verfallen ist. Kaum hat er sie gesehen, läuft er wie blind mit Karacho gegen die Tür. Als er zu sich kommt, liegt er in ihren Armen und sie sagt: ";Dein Herz schlägt ja bis zu mir." Mehr ist nicht notwendig. Simon kann nicht mehr schlafen, er lügt seine Familie an, obwohl er sich sonst nur, wenn überhaupt, in Notlügen flüchtet. Er entlockt einer Kollegin seiner Mutter die Zimmernummer des Mädchens, schleicht sich bis vor ihre Tür, um dann im entscheidenden Moment, wie ein aufgescheuchtes Huhn bei Annalenas Anblick wegzulaufen. Doch dann fasst sich Simon ein Herz, schwänzt die Schule und geht wieder ins Hotel. Annalena spricht ihn an. Ihre Eltern behaupten, sie habe ein Radio verschluckt. Ziemlich sprudelnd fließen die Worte aus ihrem Mund. Simon, wie immer stumm, muss nur zuhören. In Berlin sind bereits Ferien und sie sei auf Urlaub in München. Annalena berührt Simon ganz kurz mit ihrer Hand an seinem Mund. Simon fühlt sie wie in Trance. Mit ihrer Freundin Jil will sich Annalena gern die Stadt ansehen und fragt Simon, ob er ihr Guide sein will. Doch dann erwischt Simons Mutter den Jungen in der Lobby und es gibt Hausarrest.
Simon springt wieder zum Freitag, dem Tag, an dem er im Englischen Garten am liebsten sterben will. In seinem Versteck schreit er, wie er noch nie geschrien hat. Die Stimme ist also wieder da. Doch mit seinem Kopf stimmt etwas nicht. Ob das an der großen Beule liegt, die er sich beim Knall gegen die Tür eingefangen hat? Simon hört jetzt eine Stimme. Die Stimme der Nymphe Echo, die ihm ihre Geschichte erzählt und ihm versucht klar zu machen, dass er verliebt ist und davor keine Angst haben sollte. Simon ist ";schneller am Leben als sonst" und das ist es, was ihn so unruhig macht. Als Simon nach Hause kommt, der Zeit völlig entglitten, trifft er auf seine aufgeregten Eltern und die Polizei, die ihn inzwischen schon gesucht hat.
Seinen Eltern kann er einfach nicht erzählen, was ihm alles geschehen ist. Auf jeden Fall muss er am Wochenende für die Schule büffeln und soll Staub saugen. Vorher geht er noch mit der Mutter ins Krankenhaus um Opa Ferdi, der einen Herzinfakt hatte, zu besuchen. Opa Ferdi ist der einzige, der sehr schnell erkennt, was mit seinem Enkel los ist.
Doch dann ist Annalena am Telefon und lädt Simon zu ihrem 12. Geburtstag ein. Simon ist wieder von der Rolle. Er ist so überwältigt von diesem Gespräch, bei dem er nichts Wesentliches zu sagen hat, so dass er am Ende sogar heulen muss. Aber da hat er schon längst den Hörer aufgelegt. Trotz Hausarrest darf Simon ins Hotel zur Party. Wieder geschieht das Unglaubliche: ";Und dann kriegten meine Lippen einen Kuss. Und dann rannten meine Beine los." Simon ist nicht zu helfen. Aber Annalena versteht ihn, sucht ihn und feiert an diesem Tag mit ihm ihren Geburtstag.
Der Münchner Schriftsteller Friedrich Ani ist eher den Krimifans ein Begriff (Siehe www.krimi-couch.de), auch wenn im Carl Hanser Verlag bereits Jugendbücher von ihm erschienen sind. Ani arbeitet als freier Autor für Film und Fernsehen, fürs Theater und Radio. In seinem ersten Kinderbuch dreht sich alles um die Schmetterlinge im Bauch und den Schock der Liebe auf den ersten Blick. Das erste Verliebtsein als zentrales Thema haut Anis Helden, den Ich-Erzähler, im wahrsten Sinne des Wortes um. Auf berührende Weise vermittelt Friedrich Ani dem Leser die Hilflosigkeit und zugleich das Glücksgefühl seiner Hauptfigur. Simon hält in seinen Memoiren als Elfeinhalbjähriger alles ehrlich fest, was ihn bewegt und so unaussprechlich scheint. Ani hat seine Geschichte ganz vom Kind her empfunden und aus seiner Denkstruktur entwickelt. Er findet eindrucksvolle Bilder für die Sehnsucht und die Unsicherheit des verliebten Jungen. Das innere Chaos des Ich-Erzählers treibt die Handlung voran. Auf der einen Seite wünscht sich Simon einen Gedankenaustausch mit den Eltern oder zumindest mit einem fachkundigen Mitschüler, aber andererseits erkennt er, dass dies alles nur ihn allein angeht. Aber das ist wirklich schwer. Simon neigt zu Extremen wie alle, die frisch verliebt sind. Nichts ist ihm peinlich, nicht das Schreien, nicht das Weinen, nicht das Lügen, nicht die Kopflosigkeit oder die ständige Fluchtgefahr, der er immer wieder ausgesetzt ist, wenn er Annalena nur anschaut. Und sie? Das Mädchen ist eher in der beobachtenden Position und scheint auf ganz stille Weise zu verstehen. Gefühlvoll, subtil und ohne angesagte Coolness konzentriert sich Ani auf das Innenleben Simons. Wenn man verliebt ist, mag es sein, dass man Stimmen hört. Die ";Nümpfe" im Englischen Garten (Simon hat so seine eigene Schreibweise.) und das Einblenden der Geschichte von Echo und Narziss mag ein wenig konstruiert sein. Aber die romantischen Gefühle machen scheinbar alles möglich und letztendlich öffnet die griechische Mythologie ja auch Simons Augen für das Wesentliche.
Fazit:
Friedrich Ani ist ein wunderbar komisches wie einfühlsames Buch über die erste Liebe gelungen. Er hält beim Schreiben geschickt die Balance zwischen der Situationskomik und den ehrlichen, so unbekannten Gefühlen. Auf jeden Fall sind das die Geschichten, die man nie mehr vergisst.
Deine Meinung zu »Meine total wahren und überhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb«
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