Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Kinderbuch des Monats [02.2008]. ";Komisch, ich erlebe seit vier Tagen immer wieder denselben Sonntag und doch ist jeder Sonntag anders." Freddy sitzt in einer Zeitschleife fest. Für das Mädchen ist das ein scheinbar endloser Albtraum, doch zu guter Letzt auch eine einmalige Gelegenheit für einen heilsamen Rundumschlag gegen festgefahrene Verhaltensweisen innerhalb ihrer Familie.
Frederike Moll, genannt Freddy, 11 Jahre, ist mit ihrer vier Jahre älteren Schwester Mia, gestraft. Mia tyrannisiert die gesamte Familie mit ihren pubertären Gefühlsschwankungen. Frau Moll toleriert Mias unmögliches Verhalten ständig mit dem schönen Satz: ";Lass sie doch." Immerhin war Mia ein Frühchen und aus diesem Grund wird ihr alles nachgesehen. Vater Moll hat für familiäre Konflikte kein Ohr, denn das Gourmetkochen und die Hoffnung an dem Wettbewerb ";Deutschland sucht den Superkoch" erfolgreich teilnehmen zu können, beschäftigt ihn Tag und Nacht. Er plagt die Familie mit Köstlichkeiten, aber auch ständig angebrannten Wachteln und das im Hochsommer.
Alles beginnt ganz harmlos. Jedes Familienmitglied plant entgegen den mütterlichen Vorschlägen seinen eigenen Tagesablauf. Freddys Mutter stellt dann fest, dass sie sich als Lehrerin auf ihren Schulunterricht vorbereiten muss, der Vater ist natürlich mit seinen Kochexperimenten beschäftigt, Mia will ihre Freundinnen treffen und keinen Finger im Haushalt krümmen und Freddy soll wiedermal den Hund ausführen und allein die kranke Oma, die an Demenz leidet und sich in ihren Selbstgesprächen mit ihrer bereits verstorbenen kleinen Schwester Leni auseinandersetzt, besuchen. Vorher will Freddy allerdings noch bei ihrer Freundin Vero vorbeischauen, die bereits am Telefon von ihrem sagenhaften Italienurlaub schwärmte. Freddy denkt mit Grausen an ihren Sommerurlaub an der Nordsee. Warum die Tage dort so scheußlich waren, klärt sich erst im Lauf der Geschichte auf und hat mit Mias fiesem Benehmen zu tun. Trotzdem hat Freddy an Vero gedacht. Die Muschel vom Strand erfreut die Freundin nur mäßig. Die Urlaubskarte von Freddy hat sie auch in eine Schublade gestopft. Und dann ist Freddy auch noch sauer auf ihren besten Freund David, der sich offensichtlich eine andere Freundin gesucht hat. Freddy plagt sich wie jeden Tag mit der neugierigen Nachbarin Frau Haferkamp, die jeden Schritt des Mädchens mit ihrem Hund Jack verfolgt und keifend aus dem Fenster hängt, wenn Freddy nicht gleich den Hundekot beseitigt. Das Mädchen besucht die Oma im Heim, hört sich ihre Geschichten an und stellt fest, wie einseitig und lieblos die Versorgung der alten Leute ist. Dann brennen die Wachteln zu Hause an und der geplante Gaumenschmaus an diesem turbulenten Sommerabend endet im Chaos.
Wer wünscht sich am letzten Sonntagabend nach langen Ferien nicht, dass die Zeit stehen bleibt?
Freddy stellt fest, dass sie ihr Wunschband verloren hat. Bevor sie jedoch darauf aufmerksam wird, spricht sie diesen einen verhängnisvollen Satz aus: ";Ich will nicht, dass morgen Montag ist." Und nun geht dieser Wunsch in Erfüllung, denn am kommenden Tag klingelt kein Wecker, sondern die Kirchenglocken. Auch wenn jetzt jeder Tag ein Sonntag ist, so unterscheidet sich doch jeder 19. August vom anderen.
Freddy hört nun jeden Tag die gleichen Dialoge, sie entfernt die angegammelten Stullen aus ihrer Schultasche, sieht jeden Tag erneut die Flusen auf ihrem Teppich und das Zeugnis muss unterschrieben werden. Jeden Morgen muss sie die gleichen Sticheleien von Mia sind ertragen, auch wenn Freddy diplomatisch der Zankerei aus dem Weg zu gehen versucht. Freddy registriert nicht zum ersten Mal, dass ihre Mutter viel mehr Zeit und Geduld für die unerträgliche Schwester aufbringt. Von Sonntag zu Sonntag traut sich Freddy mehr, denn sie weiß, dies ist kein déja-vu, kein Gedächtnisstreich, sondern die Wirklichkeit. Das Mädchen kann nun ihren Tagesablauf so einrichten, dass sie bestimmte Ereignisse manipulieren kann, immer in der Gewissheit, dass am folgenden Tag alles ausgelöscht ist, denn es ist Sonntag und alles beginnt von vorn. Freddy lotet alle Möglichkeiten aus, schlägt über die Stränge und nimmt Risiken in Kauf. So kann sie die Familie zu einem Ausflug bewegen, schaut sich auf dem Weg zur Oma, einen Garten an, der ihr gut gefällt und kommt mit der Besitzerin ins Gespräch, um Pläne zu schmieden. Freddy versucht einen Unfall zu verhindern, sie schaut in die einsame Welt der ewig meckernden Frau Haferkamp, spielt die Hellseherin bei ihrer Freundin Vero und greift ins Schicksal ein, damit der unerträgliche kleine Kevin nicht in den schmutzigen Parksee fällt. Vieles gelingt ihr, einiges aber auch nicht. Natürlich probiert Freddy der Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Umsonst - keine Chance. Jeder Tag ist ein Sonntag. So kann sich Freddy kaum gegen die Bosheiten ihrer älteren Schwester wehren und bei allem Verständnis für die Pubertät, hofft Freddy nur, dass sie bald vorbei ist.
Freddy forscht nun nach einem ähnlichen Wunschband, dass die Klassenlehrerin der Grundschule ihren ehemaligen Mitschülern einst geschenkt hat. Das erweist sich als mühsam und erfolglos. Freddy denkt viel nach und entdeckt, dass auch in ihrem Leben so einiges renovierungsbedürftig ist. So stellt sie ihre Freundschaft zur leicht oberflächlichen Vero auf den Prüfstand, indem sie ohne faule Kompromisse endlich die Wahrheit sagt. Als Regisseurin des Tages ohne Angst vor den Konsequenzen spricht Freddy alles aus, was sie am Familienleben stört oder einfach besser sein könnte. Nach ein paar Umwegen erkennt Freddy auch, wer ihre wirklichen Freunde sind und dass die Eifersucht auf Davids Freundin völlig unnötig war. Freddy lehnt sich gegen ihre Familie auf, macht konstruktive Vorschläge und fühlt sich besser. Aber am kommenden Tag ist ja sowieso alles wieder beim Alten. Und doch: Freddys Aufstand lohnt sich. Die Erlebnisse des 7. Sonntags im August geben allen Beteiligten zu denken. Und Freddy wird zum guten Ende angenehm überrascht und das von einer Person, von der sie das nie erwartet hätte. Der Montag kann beginnen.
So wie Phil Connors (Bill Murray) in dem bekannten amerikanischen Spielfilm ";Und täglich grüßt das Murmeltier" erlebt Freddy einen einzigen Tag immer wieder. Wie Connors ist Freddy mit diesem Erlebnis ganz allein, nur die Oma, die sich von der Wirklichkeit entfernt hat, weiß, dass ihre Enkelin nun jeden Tag bei ihr sein wird. Der arrogante Fernsehjournalist im Film (Sabine Ludwig sorgt dafür, dass sich Freddy an den Streifen erinnert.) wird in seiner Geschichte als Mensch geläutert. Er lernt sich und die Liebe kennen und somit beginnt für ihn ein anderes Leben. Auch Freddy erhält die Chance, die angestauten Konflikte in der Familie zu lösen und auf einige Missstände im Familienalltag hinzuweisen. Manchmal fühlt sie sich allein gelassen und ungerecht behandelt. Ihre Schwester Mia stellt sie vor einem Jungen an der Nordsee bloß und lässt keine Gelegenheit aus, ihre kleine Schwester zu verletzen. Mia ahnt, dass sie im Urlaub eine Grenze überschritten hat. Die Eltern fungieren zwar als Schlichter und doch erreichen sie zwischen den Geschwistern keine Nähe mehr und schon gar kein Verständnis füreinander. Die Distanz scheint immer größer zu werden. So werden in kurzen Szenen aus Freddys Sicht die Schwierigkeiten im Rückblick verdeutlicht. Mia darf Klavier spielen, obwohl es gar nicht mehr um ihre zu fördernde Motorik geht. Aber das Mädchen übt nicht. Freddy hätte viel mehr Lust dazu. Mia und Freddy haben den kleinen Jack bekommen. Wer sorgt für ihn - Freddy. Auch wenn die Geschichte aus Freddys Blickwinkel erzählt wird, entsteht ein objektiver Eindruck vom ganz normalen Familienwahnsinn mit all seinen kleinen Tücken und Besonderheiten und jede Person und jedes Ereignis dieses einen Tages kann aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.
Die Berliner Autorin erzählt wie schon in ihrem letzten Buch "; Hilfe, ich habe meine Lehrerin geschrumpft" eine Alltagsgeschichte. Durch einen magischen Trick setzt sie die reale Welt außer Kraft und schon ist alles ganz anders. Viele humorvolle Szenen lösen auch ernste Episoden ab. Doch die Autorin verliert ihre Protagonisten nicht aus den Augen, ist als gute Beobachterin nah an ihrer Zielgruppe. Der Leser spürt die Verletzungen, die Freddy nicht mehr hinnehmen kann und so enttäuschen. Sabine Ludwig schreibt unterhaltsam und vor allem lebensnahe Dialoge. Immer wenn es um die Beziehung von Eltern zu ihren Kindern geht, findet sie einen leicht ironischen Ton. Am Ende fügt sie dramaturgisch geschickt alle Handlungsstränge zusammen und entlässt den Leser beruhigt in keine heile, aber doch entspanntere Familie Moll.
Fazit:
Das Ansprechen von Problemen fällt Erwachsenen schwer, um so komplizierter ergeht es Kindern, denen ja oftmals auch gar nicht zugehört wird. Die aktive Konfliktbewältigung in der Familie ist ein heikles Thema. Sabine Ludwig hat einen guten Dreh gefunden, um ernsthafte Schwierigkeiten mit Humor und zugleich Tiefgang anzusprechen.
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