Flunkerfisch
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: Januar 2008
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Flori Flunkerfisch ist - wie man schon an seinem Namen erkennt - ein besonders einfallsreicher Fisch, denn er ist ein Ausreden-Erfinder und Geschichten-Erdenker. Das ist amüsant für seine Mitschüler, aber auch so manches Mal verdrießlich - da er seine Freunde stets warten lässt. Doch das Tagträumen, das Flori sonst so glücklich macht, bringt ihn eines Tages in eine lebensbedrohliche Situation...
Wie alle Fischkinder soll auch Flunkerfisch sich stets pünktlich um 9.00 Uhr bei der Lehrerin, Frau Rochen, einfinden. Da jedoch Ausritte auf Seepferden und Tauchgänge mit Delfinen sowie gefundene Piratenschätze ihn aufhalten und hilfsbereite Nixen seinen Weg kreuzen, kommt er leider allzu oft zu spät. - Während Mond- und Spinnenfisch schon längst das Stundenthema auf ihr Schiefertäfelchen kritzeln, präsentiert Flori seine neuesten unglaublichen Abenteuer. Peter Petersfisch, seinem Freund, gefallen diese originellen Entschuldigungen. Andere Fische sind einfach nur ärgerlich - will Flunkerfisch etwa wieder eine Sonderrolle spielen?
Am Montag und Dienstag der geschilderten Woche gelingt es Flori immerhin noch, mit einiger Verspätung einzutreffen, am Mittwoch jedoch bleibt sein Platz bedenklich lange leer. Sein Träumen und Trödeln sind ihm dieses Mal zum Verhängnis geworden: Flori Flunkerfisch hängt verheddert im Fischernetz fest!
Wie Flori entkommen kann, wie er durch den Algenwald irrt und dabei allerlei abenteuerliche Begegnungen meistert, hält den Leser einige Seiten lang in Atem und soll hier nicht verraten werden. Zur Erleichterung aller Kameraden - und sicher auch der Leserkinder - landet Flori aber schließlich wieder wohlbehalten in der Schule. Und man glaubt es kaum: Die wegweisenden Flunkergeschichten werden am Ende sogar von einer Dichterin aufgeschrieben - damit auch wir sie erfahren können.
Ein kleiner Fisch, der in die Schule geht und von einem Rochen unterrichtet wird? Zunächst fühlt man sich wohl unweigerlich an den sehr erfolgreichen Animationsfilm mit dem Titel ";Nemo" erinnert. Aber was sind nicht schon viele kleine Meeresbewohner zur Schule gegangen? - Und die gab es noch vor dem berühmten Clownfisch mit der zu klein geratenen Flosse. Nein, eine Geschichte dieser Art erzählt das Erfolgsduo Julia Donaldson und Axel Scheffler hier nicht; vielmehr liegt ihr Schwerpunkt in der Macht der Fantasie und damit auf einer tiefsinnigen Geschichte, die uns in Fabelmanier allzu menschliche Schwächen der Tiere vor Augen führt. Flori ist zwar äußerlich ziemlich unscheinbar, dafür verfügt er aber über ein schillerndes Innenleben, an dem er seine ";Mitfische" nur zu gern teilhaben lässt. Man soll sich von Äußerlichkeiten eben nicht täuschen lassen.
Seine Fähigkeit, hingebungsvoll zu träumen, bereitet dem schuppigen Helden zwar viel Vergnügen, bringt ihn aber zugleich in höchste Gefahr - Licht und Schattenseiten derselben Eigenschaft. Viele der Meeresbewohner behalten seine halbwahren Geschichten nicht für sich, sondern tragen durch ihr Weitererzählen ungewollt erst recht zu deren Aufbauschung bei.
Selbst das versöhnliche Ende, in dem sich Flunkerfisch quasi am eigenen Schopfe aus der Misere herauszieht, bietet gelungene Gesprächsanlässe mit den sicherlich auch emotional stark angesprochenen kleinen Zuhörern.
Die Autorin verzichtet in ihrer, für sie so typischen Erzählform auf sprachliche Schnörkel und hält ihren Text bisweilen recht umgangssprachlich. Damit begibt sie sich auf Augenhöhe der (Fisch-) Kinder und bleibt gut verständlich.
In der Übersetzung aus dem englischen Originaltext ist es dem Übersetzer Martin Auer auch über weite Strecken gelungen, die Reimform beizubehalten. Die Reime machen die Geschichte noch einprägsamer und vergnüglicher, wenngleich das Reimkonzept nicht immer ganz sauber durchkomponiert wirkt. Der Wechsel zwischen Klein- und Großdruck der Zeilen und die teilweise Einfügung in die Bilder verleihen dem Inhalt Spannung und Nachdruck.
Auch die Bildsprache von Axel Scheffler ist wieder unverkennbar. Ganz wunderbar transportiert er die Atmosphäre der Unterwasserwelt. Die vorherrschenden Grün- und Blau-Töne geben die Umgebung realistisch wieder und das satte Gelb des Meeresgrundes bietet dazu einen reizvollen Kontrast.
Alle großformatigen Doppelseiten enthalten ein detailreiches Szenenbild, das von kleineren Darstellungen der jeweiligen Dialogpartner ergänzt wird. Schefflers Zeichenstil ist dem naiven Realismus entlehnt, seine Menschen und Wassertiere sind vereinfacht aber in ihren wesentlichen Zügen erfassbar aufs Papier gebannt. Und spätestens an der Ausgestaltung seiner vielen Charaktere zeigt sich Schefflers ganz eigener Stil. Seine kleinen Darsteller, egal ob im tiefen Wald oder im weiten Ozean, würde man überall wieder erkennen.
Ein sicherlich beabsichtigter Nebeneffekt beim Lesen des Abenteuers ist das Kennen lernen interessanter Bewohner der Unterwasserwelt wie Krabbe, Kugelfisch, Seestern und Hummer. Nach beendeter Lektüre kann der Betrachter auch dank der wiederholt auftretenden Fisch-Schüler hoffentlich den ziemlich unbekannten Kaninchen- vom Drachenfisch unterscheiden.
Einige der Fische mit bedrohlichen Leuchtaugen und schauerlichen Zähnen erscheinen insbesondere vor einem fast schwarzen Hintergrund recht gruselig. Diese Szene stellt den Höhepunkt der Spannung dar und wird auf den Folgeseiten zur allseitigen Erleichterung abgemildert und aufgelöst.
Fazit:
Dem Duo Scheffler/Donaldson ist nach langjähriger erfolgreicher Zusammenarbeit ein weiteres Buch mit ganz eigenem Gesicht und nachhaltiger Botschaft gelungen. Diese Geschichte zeigt, wie Gutes sich in Schlechtes verkehren kann - und umgekehrt. Ein einfallsreiches Bekenntnis zur Phantasie, aus dem Große und wie Kleine ganz eigene Schlüsse ziehen können.
Julia Donaldson, Beltz & Gelberg
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