Einfühlsame Hilfe für Toni, Kasimir und Pino
Der Name Ylvie bedeutet „kleine Wölfin“ und da überrascht es kaum, dass das kleine aufgeweckte Mädchen die Hauptperson im Buch „In der Tierarztpraxis“ extrem tierlieb ist. Allerding ist sie darüber hinaus auch noch sehr interessiert und aufgeweckt, so dass sie das Angebot, ein paar Tage in die Arbeit einer Tierarztpraxis hineinzuschnuppern, freudig annimmt. Schließlich möchte sie später einmal Tierärztin werden.
In der Praxis werden ihr Sachverhalte und Zusammenhänge bereitwillig und gut verständlich erklärt. Ylvies erster Tag beginnt mit dem 9-jährigen Border Collie Toni, der sich ein Bein gebrochen hat. Anhand seiner Untersuchung lernt Ylvie, wie Röntgenstrahlen funktionieren, wie Skelette aufgebaut sind und wie unterschiedlich sie bei Tieren aussehen können, warum Gelenke so besonders sind und wie ein Knochenbruch behandelt werden kann.
Nach Toni liegt Kater Kasimir mit einem langwierigen und schmerzhaften Zahnproblem auf der Untersuchungsliege – und verlässt die Tierarztpraxis am Ende mit ein paar Zähnen weniger. Ylvie erfährt so aber eine Menge über unterschiedliche Gebissformen in der Tierwelt – je nachdem, ob das Tier Fleisch- oder Pflanzenfresser ist. Als der 5-jährige Mischlingshund Pino im Behandlungszimmer ist, lernt Ylvie, dass nicht alle Krankheiten von außen sichtbar sind und manchmal nur eine Untersuchung von Blut, Urin, Kot oder Speichel Aufschluss geben kann darüber, warum das geliebte Haustier so schlapp ist. Genau das ist es bei Pino, der von einem Parasiten befallen ist, der im Blut nachgewiesen werden kann, der Fall. Hier hilft zwar keine OP, aber dankenswerterweise ein Medikament.
Auch große Tiere werden krank
Im Laufe ihrer Zeit in der Tierarztpraxis assistiert Ylvie noch bei etlichen anderen Tieren angefangen bei neugeborenen Hundewelpen, die nur zu einer Erstuntersuchung gekommen sind, über Hamster, Igel und Schildkröte bis hin zu einem Frettchen. Doch nicht nur Kleintiere werden in der Praxis behandelt. Einer der Ärzte ist auf Großtiere spezialisiert und es versteht sich von selbst, dass Ylvie ihn auch bei Krankenbesuchen auf Bauernhöfen begleitet. Hier kommt sie nicht nur mit der Rindergrippe oder der Klauenseuche in Berührung, der Erstbesuch bei einem frisch geborenen Fohlen fällt glücklicherweise auch in ihre Praxiszeit.
Die 64 Seiten des Buches sind randvoll gepackt mit Wissen, aber ohne dröge und langweilig wie ein Lexikon daher zu kommen. Das gesamte Wissen ist in eine schöne und glaubhafte Geschichte gepackt und wird angenehm leicht, sehr gut verständlich, einfühlsam und fast wie nebenher vermittelt. Die Erzählung ist in der Ich-Perspektive Ylvies und überwiegend in Dialogform erzählt, so dass jede*r Leser*in das Gefühlt hat, unmittelbar dabei zu sein. Zusätzlich sind die Wissensteile eingerahmt von Informationen zum jeweiligen Tier, wodurch sterile Fakten personalisiert werden.
Geballtes Wissen – perfekt aufbereitet
Carla Häfner war, bevor sie Autorin wurde, selber Medizinerin. Daher verwundert es nicht, dass sie Fachbegriffe, die auch teilweise im Buch verwendet werden, souverän einsetzt und damit die Authentizität des Buches noch steigert. So werden zum Beispiel Krankheitsnamen (wie räsorptive Läsionen) oder medizinische Instrumente (Otoskop) beim Namen genannt und anschließend angemessen und gut verständlich erklärt.
Über das ganze Buch hinweg sind Quizfragen von Ylvie an ihre Leser*innen verteilt, in denen sie dazu auffordert, das bereits vorhandene Wissen oder das neu erworbene zu testen oder anzuwenden. Sei es, dass Skelettformen Tieren zugeordnet werden sollen oder Parasiten einem Krankheitsbild – die Fragen sind angewandt und wecken die Knobellust.
Carla Häfner spart auch etwas schwerere Themen nicht aus und spricht Qualzuchten ebenso an wie den Umstand, dass alte und kranke Tiere eingeschläfert werden, um ihnen weiteres Leid zu ersparen. Auch hier gelingt es ihr wieder, angemessene und altersgerechte Worte zu finden, die weder beschönigen oder „wegreden“ noch dramatisieren.
Trotz aller Erklärkunst wäre das Buch doch eine ziemliche Wortwüste, gäbe es nicht die Illustrationen von Mieke Scheier, die in ihrer herzlichen Sachlichkeit gut zum Erzählstil passen. Sie verwendet recht große monochrome Farbflächen in gedeckten Tönen, wodurch die Bilder ruhig wirken, auch wenn es in einer Tierarztpraxis recht trubelig zugeht. Dem Thema des Buches tut diese Ruhe jedoch sehr gut. Die Illustrationen überzeugen nicht nur mit liebvollen Tierabbildungen, sondern auch bei der Verbildlichung von Vorgängen im Körperinneren, Mikroskopaufnahmen oder der Darstellung von Zusammenhängen. Damit greifen Illustrationen und Text gekonnt ineinander und machen das Buch zu einem sehr informativen und gleichzeitig gut und gern zu lesendem Werk.
Fazit
Wer sich für Tiere interessiert, dem sei dieses informative, verständlich geschriebene und in sich schlüssige Buch über die Arbeit in einer Tierarztpraxis empfohlen. Es weckt auf jeden Fall das Interesse an diesem abwechslungsreichen Beruf – mit allen seinen Facetten.
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