Salmiak und Spocke
- Gerstenberg
- Erschienen: August 2007
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[ab 7 Jahren]
Der siebenjährige Salmiak hat eine Menge Sorgen; nicht nur sein Name macht ihn zu einem Außenseiter in dem kleinen Schwedischen Dorf, auch dass seine Mama Mia eine ";stockdoofe" Stockholmerin sein soll, ist für ihn kein leichtes Los. Und wie so oft, in richtig verfahrenen Situationen, kann da nur einer helfen: Ein bester Freund. Nach ihm sehnt sich Salmiak mehr als nach allem anderen und findet ihn schließlich auch in dem eigenwilligen Kobold mit Namen ";Spocke".
Alle Kinder mit denen Salmiak spielen könnte - und das sind nur zwei in dem Dörfchen Nörrnäs - haben zwei Namen: ";Anna-Sara" und ";Per-Jonas". Und die ärgern Salmiak, den eigenartigen Jungen mit nur einem Namen, wo sie nur können. Seine Mama, die ganz offensichtlich mit dem langen Winter auf dem Lande nicht zurecht kommt und depressiv wird, liefert den Dörflern nur noch mehr Gesprächsstoff. Selbst als ";stockdoofer Stockholmer" beschimpft, muss sich Salmiak sogar die regelmässigen Gemeinheiten von Per-Jonas´dummem Papa gefallen lassen.
Als Salmiaks Mutter am Ende sogar ";winterverrückt" wird, lässt sie ihre Familie allein zurück, um nach Stockholm zurückzukehren. Einsamer, als Salmiak jetzt ist, kann man kaum sein. Auch Salmiaks Vater ist dem Jungen keine Hilfe: der steckt in seiner eigenen, neuen Computer-Welt, in der er seine ganze Zukunft sieht.
Eines Tages muss Salmiak wieder einmal vor seinen ";Verfolgern" auf einen möglichst hohen Baum flüchten, gerät in eine ziemlich missliche Situation und macht dabei die Bekanntschaft mit Spocke: ein kleiner - und nicht gerade hübscher - Kobold, der ebenfalls seine Eltern vermisst. Diese sind zwar nicht, wie Salmiaks Mama, nach Stockholm verschwunden, sondern nach ";Unternur" - Spocke aber kommt aus ";Nebenan Ungefähr" und weiss nicht, wie er ihnen dorthin folgen kann. Auch sonst haben die beiden so allerhand gemeinsam, denn auch Spocke weiß wie es ist, von den anderen immerzu gehänselt und traktiert zu werden. Aber Spocke wäre nicht Spocke, wenn er Salmiak nicht erstmal beibringen würde richtig frech zu sein, laut zu fluchen und vor allen Dingen Per-Jonas´dummem Papa derbe Streiche zu spielen, wie etwa dessen Motorschlitten festzubinden oder ihm heimlich Kacke in den Schnurrbart zu schmieren...
Die schwedische Autorin Moni Nilsson spielt mit dem wichtigen Thema des ";unsichtbaren Freundes" auf eine wunderbar humorvolle und kindliche Weise. Sie bringt mit dem Erscheinen von Spocke immer mehr Zuversicht in Salmiaks Leben und es ist letztlich doch so, dass der Junge endlich den Mut findet, seine Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Wie auch der berühmte ";Karlsson vom Dach" ist Spocke ein echter Rebell, schert sich nicht um gutes Benehmen und steckt Salmiak zu allerhand Schabernack an. Dieser ist jedoch nicht ziellos, denn er richtet sich ganz eindeutig gegen Salmiaks größten Peiniger, den Vater von Per-Jonas. Dabei gehen die beiden wirklich raffiniert vor und machen ihre Sache so gut, dass sich das ganze Dorf über Per-Jonas´ dummen Papa schieflacht. Es beschert einem einfach eine diebische Freude mitzuerleben, wie die beiden Freunde diesem überheblichen und wichtigtuerischen Ureinwohner so manchen Streich spielen. Moni Nilssons Sprache ist dabei warmherzig, leicht und sehr eingängig. Mit ihrem trockenen, eben ";jungenhaften" Unterton, mit dem sie die Höhepunkte von Salmiaks und Spockes Streiche schildert, zeigt sie ein gutes Gespür für treffsichere Pointen.
Trotz so manchem Abenteuer, das die beiden Freunde so erleben, bleibt Spocke aber für alle anderen Beteiligten Salmiaks Fantasiegespinst. Und auch für Salmiak selbst ist sein so dringend benötigter Freund nicht immer greifbar. Denn Spocke kann ganz plötzlich wieder verschwinden. Für einen Jungen, der mit einer verständlichen Verlustangst zu kämpfen hat, ist das keine leichte Situation. Salmiak möchte auch einfach unsichtbar werden können wie Spocke, der behauptet, dass es allein darum geht, es auch zu wollen. Doch es gelingt ihm ebenso wenig, wie das Verschwinden in die Welt von Spocke. Bei den Versuchen, Spocke nach ";Nebenan Ungefähr" zu folgen, holt er sich so manche hässliche Beule am Kopf. Das Scheunentor bleibt für Salmiak immer ein geschlossenes Scheunentor, egal, wie sehr er sich bemüht, es zu wollen.
Der Realität kann Salmiak also nicht ganz entfliehen und das ist auch gut so, denn trotz der vielen ";koboldmässigen" Streiche, verlässt Moni Nilsson nie ganz die reale Ebene; sie würzt sie allerdings mit allerhand unglaublichen Einfällen des Gespanns. Dadurch findet die einfühlsame Geschichte dennoch ein versöhnliches, aber lebensnahes Ende. Im Rückblick erscheint es fast als notwendig, dass Salmiaks unglückliche Mama ";Mia" den Einfluss auf ihren Sohn gelockert hat - nur so kann er seinen eigenen Weg und damit sicheren Halt finden.
Den findet Salmiak auch, als er außerhalb von Nörrnäs in die Schule kommt. Hier lernt er endlich einen ";echten" Freund kennen und zwar einen, den auch alle sehen können. Und damit steht so langsam der Abschied von Spocke an. Das geht nicht ganz ohne Kummer, denn loslassen ist nicht einfach und Salmiak muss lernen, dass man sich immer noch sehr nahe sein kann auch wenn man weit voneinander entfernt lebt. ";Alles andere hätte ja auch keinen Sinn." Würde Spocke dazu sagen.
Sinn machen auch die vielen, großzügigen schwarz-weiß Illustrationen von Sonja Bougaeva, die in ihrer Schlichtheit die witzige Geschichte unterstützen und die turbulenten Ereignisse wunderbar in Szene setzen.
Fazit:
Hier kommt eine Menge Schabernack aus Nörrnäs. Aber nicht nur das: Mit ihrem lebendigen Humor gelingt es Moni Nilsson, die Sorgen und Nöte Salmiaks einfühlsam zu schildern und gleichzeitig alles mit einer durchweg erfrischenden Prise Leichtigkeit zu würzen. Mit einem Freund wie Spocke geht eben vieles leichter.
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