Charley Feather

Charley Feather
Charley Feather
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Kinderbuch Couch
76%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2007

Idee

Charley selbst erzählt ihre Geschichte und stellt so auch ihre Klugheit unter Beweis. Die oftmals sehr markanten Charaktere wirken jedoch eher wie Statisten. Die ständige Bedrohung lässt kaum Lichtblicke in Charleys Leben eintreten – aber es gibt sie.

Text

Sprachlich teilweise durchaus anspruchsvoll; spannend durch das hohe Tempo erzählt, bleibt nur wenig Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen. Wenn das aber geschieht, entsteht ein sehr schöner Erzählfluss.

Charley Feather, der stadtbekannte Taschendieb, muss in den dunklen Gassen Londons untertauchen da er die Rache von gleich zwei gefährlichen Halunken fürchtet. Und obwohl Charley nicht so abgebrüht ist, wie es manchmal den Anschein hat, gelingt es dem jungen Dieb, sich erfolgreich durchzuschlagen. Denn was niemand weiß: Charley´s größtes Geheimnis ist auch gleichzeitig seine beste Tarnung ...

Charley Feather, so genannt wegen seiner großen Feder an seinem Hut und seiner federleichten Finger, kommt an einem trostlosen Morgen von einer Hinrichtung zum Wirtshaus zurück, in dem seine mittlerweile schon zweite ";Ersatzmutter" Mary Brazier und deren Mann Patrick O´Neill, der ";Halbgehängte", auf ihn warten. Der Junge sieht sich des Öfteren an, wie die Diebe der Stadt am Galgen baumeln. Mary meint, Charley sei herzlos, doch Charley selbst glaubt insgeheim, dies schärfe seine Sinne, um noch schneller weglaufen zu können. Als Charley seine schmale ";Ausbeute" seines morgendlichen Ausflugs an Mary und O´Neill abgetreten hat, wird seine Aufmerksamkeit auf Thomas Wild, dem brutalen Anführer von den hundert Banden Londons gelenkt. Da der zwielichtige O´Neill dessen Erfühllungsgehilfe ist, ist Charley auch notgedrungen Mitglied in Wilds Bande. An Wilds Tisch sitzt auch Claude Delamere - genannt Frenchy - der Franzose - wegen seines französischen Akzents und seiner Galanterie der Damenwelt gegenüber. Delamere ist nur wenig angetan von Wilds Gebaren. Wild ist außer sich, dass sein Bote, Hind, offenbar sein Geld unterschlagen hat. Als Wild das Messer an Hinds Kehle setzt, entsteht eine gefährliche Auseinandersetzung in dessen Verlauf Wild den Boten tötet. All das sieht Charley mit eigenen Augen und wird schnell von Mary fortgeschickt. Doch noch bevor Charley dem Wirtshaus entkommen kann, sind ihm die Gesetzeshüter schon dicht auf den Fersen. Im allerletzten Augenblick gelingt es dem Strassendieb noch einmal zu entkommen.

Da Delamere Wild schon sicher am Galgen baumeln sieht, hat er vor, dessen Geschäfte zu übernehmen und überredet seinen jungen Freund, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Charley bleibt nichts anderes übrig, denn auch Mary ist von den Hilfskräften des Friedensrichters gefasst worden. Doch der kleine Meisterdieb hat ein Geheimnis: Charley´s richtiger Name ist nämlich Charlotte Sharpe. Charley ließ alle in dem Glauben, sie sei ein Junge und war froh darüber. Als aber Delamere Charley auffordert mit ihm im See zu baden, bleibt Charley natürlich lieber am Ufer und hat so die Gelegenheit, sich einen versiegelten Brief genauer anzusehen. Er stammt von einem hochrangigen Mitglied der königlichen Regierung das Wild anbietet, ihn zu begnadigen, wenn er dafür alle anderen Diebe und Verbrecher seiner Banden an den Friedensrichter verrät. Als die beiden jedoch erfahren müssen, dass Wild den Wachen entkommen konnte, müssen sie so schnell es geht untertauchen. Charley will nicht länger bei Delamere bleiben und zieht ihren Trumpf: Sie gibt ihr bisheriges Dasein als ";Charley Feather" auf und kleidet sich wieder als Mädchen. So, das weiss sie, wird sie niemand erkennen. Nun sind gleich zwei gefährliche Männer hinter ihr her. Und ironischerweise entpuppt sich der ehrliche Weg, den Charley nun endlich einschlagen will, als eine gefährliche Falle, aus der sich Charley nur retten kann, indem sie wieder vorgibt, der ";Charley Feather" zu sein.

Auf der dunklen Seite Londons, die von dem Elend und der Verschlagenheit der Bewohner beherrscht wird, gilt ausnahmslos das Gesetz des Stärkeren. Niemandem darf man trauen. Charley, 14-jährig und für einen ";Jungen" viel zu klein und zart gebaut, hat dem nur ihre Klugheit und ihre schnelle Auffassungsgabe entgegen zu setzen. Und so ist es ihrer Klugheit zu verdanken, dass sie sich selbst aus der brenzlichsten Situation befreien kann. Es ist ihr trotz ihrer traurigen Vergangenheit bewusst, dass sie auf der moralisch falschen Seite steht. Doch Charley ist stets den Machenschaften der großen Ganoven ausgeliefert, ist niemals frei in ihren Entscheidungen, muss wie ein Hase auf der Flucht noch schnellere Haken als ihre Verfolger schlagen.

Zunächst wirkt, wie auch Charley´s Vorstellungen von ihrer Zukunft, die Geschichte ein wenig ziellos. Da ist der Wunsch ihrer ersten Ersatzmutter, Bess, nach Amerika zu folgen und kaum hat sie sich im allerletzten Moment dazu entschlossen, wird sie aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft - sie will Delamere vor Wilds Heschern warnen - von demselbigen gefasst und festgehalten. Bald leben sie, aufgrund Delameres dreister Erpressung des königlichen Vertreters, im puren Luxus. Gelähmt vor Kummer um ihren totgeglaubten und einzigen wahren Freund, Robert, macht Charley auch wenig Anstalten, sich zu befreien. Charley´s weiterer Weg scheint in einer Sackgasse geraten zu sein. Bei alledem bleibt die Geschichte insgesamt an der Oberfläche, treibt den Leser von einer bedrohlichen Situation zur nächsten - was auch das Hauptszenario von Charley´s Geschichte ausmacht - und scheint in dem Hin- und Herpendeln zwischen Gefahr und vermeintlicher Sicherheit nicht zu einem zufriedenstellenden Ende geraten zu wollen. Dass dies am Ende dennoch geschieht, überrascht fast. Vieles wird zurückgenommen, wieder in Angriff genommen und die Fortschritte in Charley´s miserabler Situation sind lediglich in der schwindenen Anzahl ihrer Widersacher sichtbar. Als die Gauner und Verräter dann doch am Ende alle dahingerafft sind, kann Charlotte alias Charley endlich ein freies, ehrliches Leben führen.

Bei aller Spannung und Bedrohlichkeit, die zu Lasten der Tiefe geht, bleiben auch die Charaktere ein wenig auf der Strecke. Sie sind benannt, oftmals äußerlich sehr detailreich beschrieben, werden aber nicht wirklich greifbar. Einzig der Charakter Charleys ist durchgängig und eigenständig herausgearbeitet. Sie ist ";tough" - zumindest nach außen hin; doch pragmatisch wie sie sowohl als vermeintlicher Junge als auch als Mädchen ist, geht sie stets auf ihre Weise mit der jeweiligen Situation um. Charley ändert also als Mädchen nicht ihre Haltung, mit der sie sich schon als Junge erfolgreich durchgeschlagen hat. Dadurch ist Charley eine gute Identifikationsfigur sowohl für Jungen als auch für Mädchen. Für Mädchen, da ihnen hier ein interessanter, da sehr eigenständiger und nur wenig ";weichlicher" Charakter aufgezeigt wird, und für so manchen Jungen ist dieses Buch wohl sowieso reizvoll. Immerhin wird hier viel von der schonungslosen Gewalt und ihren traurigen Ergebnissen berichtet. So mag es schon zu Beginn des Buches, als Charlotte über die Hinrichtungen erzählt, für manchen der jüngeren Leser (ab 10 Jahren) schon ein wenig zu gruselig werden. Denn was den armen Delinquenten am Galgen widerfährt, haben viele von ihnen sicherlich noch nicht gewusst - und wollten es vielleicht auch nicht wissen. Vieles deutet Kate Pennington geschickt an und doch ist die Rohheit, die Charley allenortes umgibt, sehr präsent und verlangt sicherlich oftmals nicht viel Fantasie, um sie zu Ende zu denken. Zum Verarbeiten der Geschehnisse bleibt dem Leser allerdings nicht viel Zeit - aber das gilt auch für Charley selbst.

Jenny Oldfield, die unter dem Pseudonym Kate Pennington ihr erstes Kinderbuch geschrieben hat und durch erfolgreiche Kinderserien bekannt ist, versucht sich weitestgehend sprachlich der damaligen Zeit zu nähern, bringt aber auch den modernen sprachlichen Umgangston ein, der von der Übersetzerin Michaela Kolodziejcok entsprechnd ins Deutsche übertragen wird. An manchen Stellen durchaus anspruchsvoll in ihrer Wortwahl, legt Kate Pennington alias Jenny Oldfield ihr Augenmerk auch auf die Beschreibung der Menschen und der jeweiligen Atmosphäre, was dem Buch wiederum gut tut. Auch Charley´s Beobachtungen und Einschätzungen, die die Autorin treffend wiedergibt, lassen die Leser erahnen, wie es wohl zu Anfang des 18. Jahrhunderts zugegangen sein mag. Dennoch; von einem Wiedererwecken des historischen Englands des Jahres 1739 - wie es auf dem rückseitigen Buchcover zu lesen ist - kann man kaum sprechen. Vielmehr ist es ein ";Schmöker", gleich einer Mischung aus Krimi und Abenteuerroman, der den historischen Hintergrund als lebendige und spannende Kulisse nutzt.

Fazit:

Ein ";Schmöker" für schon etwas hartgesottenere Jungs und Mädchen. Kate Pennington alias Jenny Oldfield spart nicht an gewaltsamer Szenerie und macht mit dieser sehr spannenden, aber doch etwas düster wirkenden Lektüre wohl jedem klar, dass das London des 18. Jahrhunderts gerade für Kinder ein sehr gefährliches Pflaster war.

Stefanie Eckmann-Schmechta


Charley Feather

Kate Pennington, Dressler

Charley Feather

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