[ab 11 Jahren]
Roland Mueller erzählt aus dem ausführlichen Reisebericht des damals erst 17-jährigen Entdeckers Marco Polos. Die über Jahrhunderte hinweg wichtigste Informationsquelle über das weithin unerforschte ";Reich der Mitte" ist auch in dieser Fassung ein fesselndes Zeugnis einer längst vergangenen, aber noch bis heute prägenden Zeit.
Marco Polo, Spross der einflussreichen Kaufmannsfamilie Polo aus Venedig, bricht im Jahr 1271 zusammen mit seinem Vater und seinem Onkel zu einer abenteuerliche Handelsreise in das Reich der Mitte auf. Marcos Vater und sein Onkel haben es schon einmal geschafft, bis in das chinesische Reich vorzudringen und dem Herrscher, um dem berühmten Kublai Khan zu begegnen. Mit einem deutschen Schiff, vollbeladen mit Waren, von denen die weitgereisten Kaufleute Polo wissen, dass sie sich gut zum Handeln eignen, geht es zunächst über das Mittelmeer nach Zypern. Doch dort angelangt, werden sie zum Papst nach Konstantinopel beordert. Der übergibt ihnen unter der Begleitung zweier seiner Mönche das heilige Öl Jesu aus der Grabeskirche, das sie zusammen mit einer persönlichen Botschaft des Heiligen Vaters dem Kublai Khan als Geschenk überreichen sollen. Auf ihrem Weg, der sie zunächst nach Akkon, an die Küste Arabiens führt, treiben sie regen Handel. Doch schon bald trennen sich die päpstlichen Gesandten von der Reisegruppe und überlassen es der Familie Polo, das heilige Öl dem chinesischen Herrscher zu überreichen. Auf ihrem Weg nach Aleppo begegnen sie im Gasthaus dem Kreuzritter Johannes, der seinen Schutz anbietet. Da die beiden älteren Polos um die bevorstehenden Gefahren durch Banditen wissen, stimmen sie zu und so wird Johannes ein fester Begleiter und schließlich zum Freund der Polos. Über Karawanenwege abseits der berühmten ";Seidenstraße" dringen sie in Gebiete vor, die vor ihnen noch kein Europäer betreten hat. Entsprechend groß ist auch das Staunen und die Verwunderung der einheimischen Bevölkerung. Alle sind begierig darauf, Geschichten aus dem ";Abendland" zu hören und manche erscheinen den Menschen, die nichts als die Wüste oder steiniges Land kennen, einfach unglaublich. Marco Polo entdeckt in der Wüste einen stinkenden klebrigen See, von dem sie glauben, dass er das Pech des Teufels und vollkommen unbrauchbar ist. Dabei ist es das heute so kostbare Erdöl. Im Pamirgebirge leiden Marco Polo und seine Begleiter unter der Höhenkrankheit. Doch sie wissen von dieser heute erforschten Krankheit noch nichts und wundern sich über ihre zunehmnede Kraftlosigkeit und den damit verbundenen Atemberschwerden. Überaus kritisch wird es, als sie eine ganze Yak-Herde, die ihnen nützliche Tragtiere für die Waren sind, über eine freischwingende Hängebrücke führen müssen. Die tiefe Schlucht, die sich unter diesem wackeligen aus Wolle gewirkten Konstrukt befindet, macht das Übertreten zu einem lebensgefährlichen Unterfangen. Doch es ist auch die Kälte, mehr noch als die Hitze, die den Reisenden über alle Massen zu schaffen macht. Glücklich erreichen sie schließlich die tieferen Ebenen und schließlich auch das große Reich der Mitte.Viel Neues haben die Menschen aus dem Abendland erfahren und erlebt. Sie haben die entspannende und erfrischende Wirkung von Bädern erfahren, haben wohl als erste Europäer das uns heute so gut bekannte Zahlungsmittel, nämlich Papiergeld in Händen gehalten - denn Papier gab es im damaligen europäischen Raum noch gar nicht - und haben die ";Pasta" für sich und schließlich auch für ganz Italien entdeckt.
Als sie endlich ";Cambaluc", das heutige Peking erreichen, werden sie überraschend kurzfristig zum großen Kublai Khan geladen. Als es so weit ist, dem großen Khan die Geschenke zu überreichen, bietet der Vater Marco Polos dem Herrscher das Kostbarste an, das er und seine Familie besitzt und der Herrscher nimmt das große Geschenk an.
Gesunde Neugier verknüpft mit Geschäftssinn und friedfertiger Vernunft; so kann man die Haltung beschreiben, mit der die Polos damals im 13. Jahrhundert aufbrachen. Diese ";Mischung" hat nichts mit wilder Abenteuerlust zu tun und das bringt Roland Mueller treffend in seiner Erzählung zum Ausdruck. Er zeigt auf eine möglichst realisitische Weise, wie beschwerlich eine solche Reise zur damaligen Zeit war und wie viel Willenskraft - und auch Demut - dieses oftmals lebensgefährliche Abenteuer von den Kaufleuten abverlangte. Besonders die Toleranz, mit der sie den Menschen gegenüber traten wirkt vor dem neuerlichen, schweren Konflikt der Religionen sehr aktuell. Es liegt daher nahe, dass Roland Mueller diese Aspekte mit Absicht herausgearbeitet hat, denn durch den Kreuzritter Johannes sind Resentiments und Feindseligkeit ebenso vertreten wie auch die Darstellung der damaligen, muslimischen Bevölkerung, die sich als ein sehr tolerantes und friedfertiges Volk zeigt. Im besonderen Masse beeindruckend sind auch die Schilderungen Marco Polos von dem Leben in dem tibetanischen Kloster. Zum allerersten Mal in Kontakt mit den Mönchen, spüren wir durch Marcos Schilderungen deren Freigiebigkeit und Güte. Die Intoleranz des Kreuzrittes Johannes, die aus Angst und Unkenntnis besteht, wird am Ende der Reise dem Vertrauen weichen, so dass er schließlich seinen kostbarsten Besitz, das Schwert, Marco als Abschiedsgeschenk überreicht. Er hat begriffen, dass ein Mensch mit Klugheit mehr in der Welt erreichen kann als mit Waffen.
Roland Mueller gelingt es überweigend unterhaltsam, wenn auch nur mit wenigen Dialogen, aus der Sicht des jugendlichen Marco Polos zu erzählen. Mit seinem ruhigen Erzählfluss und durch den unvoreingenommenen Blick des erst 17-jährigen Marco Polos schildert er dessen Begegnungen, Eindrücke und Gedanken. Die Neugierde und die Lernbereitschaft des jungen Reisenden ist beeindruckend, lernt er doch während der Reise die Sprachen vieler Einheimischen und erfährt auf diese Weise viel von der Kultur der Araber, Kirgisen, Tibeter, Mongolen und Chinesen. Störend wirken dabei nur die teilweise langatmigen Beschreibungen mit ihren immer wieder kehrenden inhaltlichen Hinweisen und Relativierungen. Dies bremst den ohnehin schon ruhigen Erzählfluss und verlangt an manchen Stellen etwas Durchhaltevermögen.Obwohl die Sprache eher schlicht ist, spricht Roland Mueller seine Zielgruppe mit einem durchweg positiven Unterton an, der wiederum motivierend ist. Damit ist der Reisebericht etwas für Liebhaber ruhiger, aber gehaltvollerer Geschichten - noch dazu mit dem Reiz des realen Hintergrunds.
Vor allem aber kann ich mir den Einsatz für den Schulunterricht gut vorstellen. Da, wo es thematisch passt, können die Erzählungen des jungen Marco Polo etwas mehr Lebendigkeit und Authentizität in den Unterrichtsstoff einbringen. Die Worterklärungen am Ende des Buches liefern noch einige Hintergründe, die bei Interesse aber noch vertieft werden können. Besonders die Karte, die jeweils auf dem Vorsatzpapier zu finden ist, ist eine reizvolle Informationsquelle beim Lesen des Buches. Immer wieder schaut man auf der Karte nach, an welchem Ort der Erde sich die Reisenden damals gerade befanden.
Fazit:
Sachbuch oder Erzählung? ";Die abenteuerlichen Reisen des Marco Polo" sind wohl beides zugleich und verbinden historisches Wissen mit einem Reisebericht, der auch heute noch die Menschen beeindruckt. Vor allem die Art und Weise der Schilderungen wirken authentisch und liefern viele interessante Einblicke in die damalige Zeit und die exotischen Orte. Dabei ist es dennoch in erster Linie eine eher ruhige Erzählung mit wenigen wirklich spektakulären Höhepunkten. Doch einmal mit auf der Reise, gewinnt auch die Neugier des Lesers Oberhand- vor allen Dingen da es diese Reise , wie heute bewiesen ist, wirklich gab.
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