Außergewöhnlich, aktuell und scharfsinnig
Durch das Dorf Elend geht schon gefühlt immer ein Riss. Ein Riss, der das Dorf und seine Bewohner*innen in Nord-Elender und Süd-Elender teilt. Warum das so ist, weiß keiner, aber alle fühlen die Trennung und unterstützen sie nach Herzenslust. Da wird über die jeweils anderen konstant geschimpft, Eier werden gestohlen und Mistladungen vor fremden Toren ausgeschüttet.
Auch auf die Kinder der beiden Elends scheint diese Fehde übergegangen zu sein. Frieda und Nikki aus Süd-Elend können den Nord-Elendern Jella, Adil und Bo zwar zuhause meist aus dem Weg gehen, in der Schule geht das jedoch nicht so gut.
Als Frieda und Nikki Zeugen eines eigentlich schönen Ereignisses werden, ahnen sie schon Böses: „Dass Angela ausgerechnet auf der Grenze zwischen Nord- und Südelend gekalbt hat, bringt die Badewanne des ewigen Streits zum Überlaufen.” Nun gehts ans Eingemachte: Um das kleine Kalb entbrennt ein, selbst in Elend, so noch nie dagewesener Kampf, dessen Ausgang nicht mehr abzusehen ist.
Besonders Nikki nimmt diese Eskalation der Dinge sehr mit. Der eher verträumte Junge kam als Ziehkind nach Süd-Elend und über seiner Vergangenheit liegt ein geheimnisvoller, eher trauriger Schleier. Er hoffte auf magische Wesen, die die Elender vereinen sollen und sieht all seine Hoffnungen nun zerstört. Als er und das kleine Kalb über Nacht verschwinden, kann Frieda zumindest die Kinder der Gegner für eine Suche gewinnen. Dabei entdecken sie allerlei Geheimnisse, die viel zu lange im Verborgenen ruhten.
Langjährige Konflikte und tiefe Vorurteile
Streitigkeiten, die keinen Anfang haben. Vorwürfe, die nur auf Annahmen basieren. Feindschaften, die isolieren. Das Leben in Elend ist voller Konflikte und die machen noch nicht einmal vor den Kindern halt. Nur der kleine Grenzladen samt Gaststätte ist ein Bereich der Gemeinsamkeit und für Frieda und Nikki ein Ort, wo sie den Nord-Elendern einmal halbwegs zivilisiert begegnen können.
Während für Frieda das geteilte Dorfleben fast schon normal ist, betrübt das ihren Freund Nikki sehr. Er sieht überall einen Hauch Magie, die man auch gut als Hoffnung interpretieren könnte, und er scheint als Einziger wirklich etwas gegen diesen Streit tun zu wollen. Aber wer hört schon auf ein Kind?
Gleich zu Beginn des Buches gibt es eine Aufzählung aller Kontrahenten, streng unterteilt in Nord- und Südelender*innen, komplett mit ihren individuellen Gründen, warum sie gegen „die Anderen“ immer so giften. Dennoch, wie es im Leben nun einmal so ist, steckt natürlich noch viel mehr hinter den fadenscheinigen Vorwürfen, die immer nur trennen und wütend machen. Bei ihrer Suche nach Nikki lernt Frieda auch die andere Seite kennen und die vermeintlichen Unterschiede verblassen nach und nach.
Neben dem sehr gut gewählten Ortsnamen, der natürlich sofort ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert, weiß Uticha Marmon sehr gut, wie man diese doch relativ übellaunige Thematik der Geschichte voller Witz und Leichtigkeit erzählen kann. Die kindlichen Leser*innen merken sofort, dass die Erwachsenen hier nicht sehr vorbildhaft agieren und können nur den Kopf schütteln, wenn sie die ganzen Beschuldigungen lesen. Gemeinsam mit Frieda und den anderen Kindern fangen sie an, Gegebenes zu hinterfragen und schlauere Schlüsse aus den Erkenntnissen zu ziehen als die sich immerzu streitenden Erwachsenen.
Die Illustratorin Maja Bohn hat das Ganze sehr eindrücklich bebildert und vor allem auch sehr schön die Streithähne in Aktion eingefangen.
Fazit
In einer Welt, in der viele sich streiten, braucht es jene, die sich für Versöhnung aussprechen. Frieda, Nikki und die Grenz-Kuh leiden unter alten Vorurteilen und falscher Konkurrenz, deren überbordende Ausmaße hier wunderbar humorvoll erzählt, hinterfragt und überworfen werden. Außergewöhnlich, aktuell und scharfsinnig. Sehr zu empfehlen.
Deine Meinung zu »Frieda, Nikki und die Grenzkuh«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!