Ein Kinderbuch voller nordischem Charme und moderner Problematik
Normalerweise stellt man sich unter Großmüttern liebevolle, zugewandte und heimelige Frauen vor, die gerne viel Zeit mit ihren Enkelkindern verbringen. Noras Oma ist jedoch etwas anders: Immer unterwegs und streitlustig. Als Journalistin und Kriegsberichterstatterin war ihr ihre Arbeit immer ein Stück wichtiger als Familie und darum kann es Nora gar nicht verstehen, warum sie gerade bei ihr die Sommerferien verbringen soll.
„Es war wichtig”, sagt sie, „ist wichtig. Den Mund aufzumachen, darauf hinzuweisen, zu tun, was man kann, damit Unrecht ans Licht kommt. Die Wahrheit suchen und helfen, wo man kann. Auch wenn dich der Krieg nicht selbst betrifft, vielleicht gerade dann.”
Der Hof der Großmutter liegt abgelegen am Rande eines Waldes. Auf ihrer Erkundungstour lernt Nora Abbas kennen. Der Junge lässt in ihrem Bauch Schmetterlinge entstehen und sie treffen sich von nun an den meisten Tagen und durchstreifen gemeinsam die Gegend.
Die unbeschwerte Zeit wird nur durch Dorrit getrübt. Die Besitzerin des Dorfkiosks unterstellt Abbas bei jedem Besuch betrügerische Absichten und verhält sich ihm gegenüber äußerst feindselig. Nora ist schockiert, sagt aber nie etwas. Der Fremdenhass in Bezug auf Abbas und seine aus Afghanistan stammende Familie beschäftigt Nora sehr – noch mehr sogar, als sie herausfindet, dass ihre Oma die Familie schon aus dem kriegsgebeutelten Afghanistan kennt und mehr über den Tod von Abbas Mutter weiß.
Ein leichter Sommerroman mit Tiefgang
Die Verhältnisse in Noras Familie sorgen für eine interessante Abwechslung im Kinderbuchbereich. Die Oma ist eine starke Persönlichkeit, die immer das gelebt hat, was ihr wichtig war und die sich mit den Konsequenzen arrangiert hat. Natürlich leiden unter Abwesenheit Beziehungen, das merkt auch Nora. Die genießt aber auch die damit einhergehenden Freiheiten, die sich ihr plötzlich bieten. Stundenlang ist sie mit Abbas unterwegs und bekommt so auch immer öfter seine Sorgen rund um seine Familie und die ungerechte Behandlung durch die Kioskbesitzerin mit.
Die lässt die Kinder ihre Vorurteile und Verurteilungen sehr genau spüren, hält sich interessanterweise bei Abbas Vater immer etwas zurück.
Nora navigiert die unterschiedlichen Gefühle, die für sie recht neu sind und manchmal auch sehr gegensätzlich: Erste Liebe und ein erster großer Streit mit der Mutter. Das Kennenlernen einer anderen Kultur und die damit einhergehenden Problematiken. Eine Oma, die unbequeme Wahrheiten aufdeckt und doch auch ein großes Geheimnis bewahren muss.
Das alles wird erstaunlich unaufgeregt und sommerlich-leicht erzählt, wobei die Geschichte rund um Abbas Familie ein spannendes und nachdenklich machendes Element kreiert, das noch lange nachhallt.
Fazit
Der Sommer, in dem einfach alles passiert verbindet mit einer sommerlichen Leichtigkeit ganz tiefgründige Themen rund um Flucht und Fremdenfeindlichkeit mit erster Liebe und Ungezwungenheit. Es ist ein Kinderbuch voller nordischem Charme und moderner Problematik.
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