Der Dieb von Rom

  • Arena
  • Erschienen: April 2007
  • 1
Der Dieb von Rom
Der Dieb von Rom
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2007

Idee

Durch die wunderbar gezeichnete Hauptfigur und die lebendige Darstellung der Zeit, in der das Buch spielt, wird dieses historische Kinderbuch zu einem fesselnden Zeitvertreib.

Text

Der Text, gespickt mit Fremdwörtern, die dafür sorgen, dass sich der Leser dem historischen Hintergrund nur noch mehr verbunden fühlt, erfordert eine kurze „Einlesezeit“

Wir tauchen mit diesem spannenden historischen Roman ein in die Zeit des römischen Reiches unter der Herrschaft Kaiser Augustus. Gemeinsam mit der Hauptfigur, dem 15jährigen Marius, erfährt der junge Leser nicht nur was es heisst, in dieser vergangenen Zeit zu leben, sondern auch, dass das scheinbar moralisch Falsche immer auch zwei Seiten hat.

Im Jahr 23 vor Christus erlebt der Junge Marius, was es bedeutet, Haus und Heimat zu verlieren: Gaius Cilnius Maecenas, dessen Land Marius Eltern bewirtschaften, macht von seinem Recht Gebrauch, die Familie von ihrem Land zu vetreiben. Mit der Begründung, dass sie wegen mehrerer schlechter Ernten ihre Pacht nicht mehr aufbringen können macht er sie zu mittellosen Bürgern. Besonders den Sohn der Familie, Marius, trifft die plötzliche Armut hart, denn abgesehen von einem alten Sklaven und einem noch älteren Maultier sowie einem Karren mit wenigen Möbeln, ist der Familie nichts geblieben.

Die Familie macht sich auf den Weg in die Hauptstadt Rom. Doch auch dort nehmen die Demütigungen kein Ende... Nicht nur die Vertreibung aus der Heimat und die neue, erniedrigende Unterkunft nagen an Marius Stolz, immer wieder ist es die unterwürfige Haltung seines Vaters gegenüber dem mitleidlosen Staat, die der aufbrausende Junge nicht verstehen kann. Nur in dem alten griechischen Sklaven Alexios findet Marius einen Vertrauten, dem er sich öffnen kann und der ihn versteht. Der Grieche ist es auch, der die Familie immer wieder dadurch überrascht, dass er Lebensmittel oder Medikamente auftreibt. Erst durch einen Zufall erfährt Marius, dass der Sklave durch kleinere Diebstähle und Gaunereien an Geld gelangt. Beeindruckt von den sich eröffnenden Möglichkeiten fordert Marius Alexios auf, ihn seine Fertigkeiten zu lehren.

So wird aus Marius Procillus, dem Jüngeren, nach Ausbildung durch den Sklaven, der mehr und mehr die Vaterrolle des Jungen einnimmt, sowie durch den Gladiator Marcellus Massilius Ficula, ein handwerklich überaus geschickter Dieb, der schon nach kurzer Zeit in der gesamten Stadt von sich Reden macht.

Gemeinsam kundschaftet das Triumvirat, wie sie sich selbst bezeichnen, vor jedem Einbruch das jeweilige Haus aus und nimmt die Bewohner und Wachen unter die Lupe, um dann zuzuschlagen. Oftmals von der Impulsivität des jungen Marius gefährdet, der stets sein Zeichen ";MFR" - Marius fur Romae (Marius, der Dieb von Rom) am Tatort hinterlässt, bleibt der Dieb lange Zeit ungefasst. Erst die Begegnung mit der jungen und schönen Sklavin Nioba, in die Marius sich auf den ersten Blick verliebt, sorgt für einen wirklich kritischen Moment der Unkonzentriertheit. Doch auch hier gelingt es dem Meisterdieb, rechtzeitig zu entkommen. Langsam festigt sich in Marius aber der Entschluss, Nioba von ihrer unbarmherzigen Besitzerin zu erlösen und mit ihr ein neues Leben zu beginnen.

Der größte und bedeutendste Einbruch steht aber noch bevor. Denn der mutige und unerschrockene Dieb wagt es, in das Haus des Mannes, der ihn und seiner Familie ihrer Heimat beraubt hat - Gaius Cilnius Maecenas - einzudringen. Doch dieser Diebstahl wird Marius zum Verhängnis. Er wird gefasst und eingesperrt. Er wäre aber nicht der berühmt- berüchtigte Dieb von Rom, wenn es ihm nicht mit viel Mut und Finesse gelänge, aus der scheinbar ausweglosen Situation zu entkommen.

Gekonnt spinnt der Autor eine fesselnde Geschichte um eine Hauptperson, die junge Leser trotz seines moralisch verwerflichen Verhaltens - schließlich bestiehlt er Menschen - schnell auf seine Seite ziehen wird.

Dadurch, dass wir einen sehr genauen Einblick in die Gefühlswelt von Marius erhalten, mit ihm die Demütigung durch den hochmütigen Maecenas sowie die Arroganz und Gleichgültigkeit des strengen Vaters erleben, tritt die Tatsache, dass eigentlich Marius derjenige ist, der Unrecht tut, in den Hintergrund. Der Junge wird so für die Leser zu einem Vertrauten, einem Freund, dem man sein Fehlverhalten nachsieht. Schliesslich ist es doch nachvollziehbar, dass er seinem Elend entfliehen will. Und irgendwie ist er doch auch ein bisschen wie Robin Hood: Er nimmt von den Reichen und gibt es den Armen.

Jetzt könnte man dennoch zu der Ansicht gelangen, dass mit diesem Kinderbuch das illegale Verhalten gutgeheissen wird; doch über die Person des Alexios, der seinerzeit selbst Dieb in Athen war, verdeutlicht der Autor oft genug, dass Marius´ Handeln moralisch nicht in Ordnung ist. Und so gibt der Junge am Ende das Stehlen auch auf.

Harald Parigger nimmt Kinder mit in die Zeit des alten Rom, in der es noch Leibeigene gab und Frauen wesentlich weniger wert waren, als Männer. Dabei verliert sich der Autor nicht in langen Schilderungen, Beschreibungen oder Erörterungen. Vielmehr ";erleben" junge Leser diese fremde und spannende Zeit durch die Perspektive der Hauptfigur. Wir sehen das alte Rom mit dessen Augen und dennoch lässt der Autor dem Leser genügend Raum für eigene Bewertungen und Eindrücke.

Denn durch die Erzählhaltung eines allwissenden Erzählers begleiten wir Marius und seine Familie auf dem beschwerlichen Weg nach Rom und durchleiden mit dem Jungen jede Demütigung durch den autoritären Vater. Trotzdem sind wir, dadurch, dass wir das Geschehen als ";Aussenstehende" erfahren, immer in der Lage, uns ein eigenes Urteil über Hergang der Geschichte zu bilden.

Wirkt das Kinderbuch, aufgrund zahlreicher Fremdworte anfangs etwas wie eine Lehrstunde in Latein, lässt dieser Eindruck schnell nach, wenn man sich etwas eingelesen hat. Das Glossar am Ende des Buches sorgt dafür, dass keine Verständnisprobleme entstehen. Auch die altertümliche Sprache, die in vielen Dialogen auftritt, entfremdet die Geschichte dem Leser nicht, sondern trägt, ganz im Gegenteil, dazu bei, dass wir noch tiefer in das Geschehen der spannenden Erzählung eintauchen.

Durch die gelungene Charakterisierung der Hauptperson Marius und dessen immer wieder eindrücklich beschriebene Emotionen, gewinnt dieses Buch an Lebendigkeit. Marius ist ein Junge, etwas älter als die Zielgruppe dieses Buches, der sich gegen die absoluten Autoritäten seiner Zeit, Vater und Staat, auflehnt. Deswegen und auch wegen seiner offenen Art, wird er den Lesern dieses Buches schnell sympathisch werden.

Der Autor hält seine junge Leserschaft stets bei der Stange, es gibt keine langatmigen Schilderungen oder gar langweilige Dialoge. Durch den ständigen Wechsel zwischen den Szenerien (mal setzt Marius sich mit seinem Vater auseinander, ein anderes Mal lehrt Alexios ihn die Fertigkeiten, die ein Dieb benötigt, und wieder ein anderes mal, nehmen wir an einem Diebstahl teil) entsteht ein mitreissender Lesefluss, den man bis zur letzten Seite kaum unterbrechen mag.

Sehr schön auch, dass der Autor sich in seiner Erzählung historisch belegten Personen bedient. So lernen wir in einem Anhang am Ende des Buches nicht nur etwas über den Kaiser Augustus, sondern erfahren auch, dass es unter anderem den unbarmherzigen Maecenas tatsächlich gegeben hat

Fazit:

Ein spannendes und mitreissendes Kinderbuch, das vor allem durch die absolut gelungene und gut gezeichnete Hauptfigur überzeugt. Nicht nur thematisch, sondern auch durch seinen Erzählstil entführt uns der Autor auf beeindruckende Weise in die Zeit des alten Rom.

Da sich das Kinderbuch an eine Leserschaft ab 10 Jahren richtet, erfordert es seinen Lesern eine gewisse Lese- Kompetenz ab: Einige Fremdwörter und die leicht gewöhnungsbedürftige Sprache setzen voraus, dass Kinder etwas Geduld aufbringen können, um sich ";einzulesen". Ist das allerdings geschehen, steht einem spannenden Lesevergnügen nichts mehr im Wege.

Simone Brinkschulte


Der Dieb von Rom

Harald Parigger, Arena

Der Dieb von Rom

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