Tobias mag von all seinem Spielzeug den Roten Tret-Traktor ganz besonders. Auf ihm sind schon sein Vater und sein Onkel gefahren. Auf dem Hof der Familie hat er jede Menge Platz um Holz, Sand, Äpfel und Kartoffeln zu transportieren. Doch die Freude für sein Fahrzeug ändert sich urplötzlich, als Norbert, der Nachbarsjunge, mit seinem ganz neuen grünen Traktor vorbeischaut und prahlt; es handelt sich hierbei um einen Frontlader mit Gangschaltung und Zwillingsreifen. Tobias alter Traktor hingegen hat nicht einmal eine richtige Hupe.
Klar, dass sich Tobias jetzt genau so einen Traktor wünscht und macht sich sofort zu seiner Mutter auf, um ihr diese ";Entscheidung" zu verkünden. Doch für seine Mama ist ein Traktor ein Traktor - und schließlich besitzt Tobias doch schon einen. Enttäuscht und etwas zerknirscht fährt Tobias mit seinem Traktor los, immer schneller, bis es kracht. Tobias landet im matschigen Wiesengraben und sein Traktor ist kaputt. Tobias ist nicht allzu traurig darüber, hofft er doch, sofort einen neuen von seinen Eltern zu bekommen. Doch die sind da ganz anderer Meinung...
Ganz ohne Traktor wird es Tobias schnell langweilig und so besucht er eines Tages Bauer Bokelmann, der in der Scheune seinen alten grünen Deutz-Traktor repariert, was - so Bauer Bokelmann - sehr regelmäßig geschieht. Tobias erkennt, dass er seinen eigenen roten Traktor nicht einmal versucht hat zu reparieren und macht sich zusammen mit Bauer Bokelmann daran, das nachzuholen. Es gelingt ihnen den Traktor wieder fahrtüchtig zu machen und Tobias fährt glücklich und stolz davon.
Ob unter Geschwistern oder Freunden, irgendwann stellt sich wohl bei allen Kindern einmal das Gefühl ";Neid" ein. Gerade wenn es um besondere Begehrlichkeiten wie Spielzeug geht, können wir von Kindern nur schwer erwarten, den aufkommenden Gefühlen und dem intensiven Wunsch danach, es auch zu besitzen, mit Abgeklärtheit zu begegnen. Es ist dabei sicherlich nicht leicht, Kindern in solchen Momenten zur Seite zu stehen und ihnen dann gleichzeitig auf kindgerechte Weise ein generelles Werteverständnis zu vermitteln. Denn sie agieren im spontanen Augenblick und dieser ruft gerade Enttäuschung und Unzufriedenheit hervor.
Andreas Dierßen gelingt es in seiner alltagsnahen und leicht zugänglichen Erzählung, sich ganz ohne den berühmten Zeigefinger dieser speziellen Thematik zu widmen und wählt mit dem Traktor ein sehr kindgerechtes und auch etwas größer angelegtes ";Spielzeugsymbol". Durchaus bewusst mag Andreas Dierßen dabei die Markennamen der Traktoren mit ihrer spezifischen Historie gewählt haben. Denn er nimmt es in seiner Erzählung sehr genau und lässt damit Spielraum für Interpretationen. So ist der rote Traktor von Tobias ein alter McCormick, die Marke eines amerikanischen Unternehmens in der Zeit von 1889 bis 1985. Im Jahr 2000 wurden die Markenrechte von einer Firmengruppe gekauft. McCormick-Traktoren waren eben rot. Damit steht McCormick für eine Marke, die eigentlich schon im Aus stand und später wieder aufleben durfte. Ein ähnliches Schicksal ereilt Tobias Traktor, der zunächst auf den Schrott befördert wird und später doch wieder zum Einsatz kommt. Die Marke John Deere - Norberts Traktor ist ein solcher - steht für ein großes, erfolgreiches und ebenfalls amerikanisches Unternehmen, das auch heute noch sehr moderne Traktoren produziert. Kein Wunder, dass sich Norbert mit Stolz auf seinem Traktor bewegt. Und dann wäre da noch der grüne Deutz von Bauer Bokelmann. Die Geschichte der Marke Deutz ist ebenfalls von Erfolg geprägt. Das Traditionsunternehmen stellt auch heute noch erfolgreich Traktoren her. Und dennoch fährt der Bauer ein besonders altes Modell, dessen Wert sich mittlerweile ein ganz anders gelagerter ist.
Selbstverständlich liegen diese möglichen konzeptionellen Zusammenhänge für Bilderbuchkinder in doch unerreichbaren Tiefen und haben keinerlei Bedeutung für eine bessere Funktion des Buches - beinahe das Gegenteil ist der Fall. Denn sicher hätte eine schlichte ";Farbbezeichnung" der Traktoren als Unterscheidungsmerkmal zum Verständnis ausgereicht. Dennoch, die Geschichte der Traktormarken mögen für Traktorkenner und begeisterte Zuhörer durchaus nachvollziehbar sein.
Die Bilder von Daniel Sohr sind mit schönen Details ausgestattet und führen Kinder stimmungsvoll durch die Geschichte. Insbesondere die Mimik von Tobias ist gut ablesbar und lässt Zuhörer und Zuschauer teilhaben an seiner jeweiligen Gemütsverfassung.
Fazit:
Andreas Dierßen erzählt eine leicht verständliche und alltagsbezogene Geschichte über das Gefühl von Neid und den Umgang mit eigenem Besitz. Es ist verständlicherweise zunächst leichter sich in die Unzufriedenheit über das, was man nicht hat, fallen zu lassen, statt sich an dem was man hat, zu erfreuen. Dass man seinen Besitz pflegen und ihm Wertschätzung entgegen bringen soll, ist natürlich ein Lernprozess - und der darf auch schon im frühen Kindesalter beginnen.
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