Der Turm der Füchse
- Thienemann
- Erschienen: August 2023
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übersetzt von Ingo Herzke; Illustrationen von Anya Kendel und Varya Kendel; Hardcover, 208 Seiten
ISBN: 9783522186452
Ein Buch voller Schattenhaftigkeit und Tiefgang
Von ihrem Zimmerfenster aus sieht Willow oft ihren Vater alleine auf der Gartenbank sitzen und in den angrenzenden Wald blicken. Die beiden sind sich nicht sehr nah. Sie gehen auf gemeinsame Spaziergänge, meist zu Willows Unmut, aber sie reden nicht miteinander, nur immer die gleichen Worte des Vaters, die Willow nicht hören möchte. Sie reden nicht über Gefühle, nicht über das Fehlen der Mutter.
Eines Nachts sieht Willow einen riesigen dunklen Wolfsschatten aus dem Wald kommen und den Vater mit sich reißen. Sie beschließt, ihn zu retten. Im Wald entdeckt das Mädchen einen riesigen Turm, in dem Füchse und manch andere Waldbewohner leben und alle scheinen ihren Vater zu kennen.
„All diese wundervollen Kreaturen, die so viel Kraft und Klugheit aufwandten, um zu den Fressenden und nicht zu den Hungernden zu gehören, wenn auch nur für kurze Zeit. Das sah ich und beschloss, ich würde einen Weg finden, dieses erste Gesetz zu brechen.”
Der Turm der Füchse wurde von Reynard geschaffen, der sich uralte Magie zu eigen gemacht hat, um den natürlichen Lebens- und Sterbenskreislauf zu brechen und den Tieren ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Doch nun braucht er Willows Vater, weil mehrere Faktoren diesen Traum zu sabotieren drohen. Als der sich weigert, wird Willow zum Spielball des schlauen Fuchses.
Magisch, kritisch und kompliziert
Der Turm der Füchse ist ein philosophisches Kinderbuch, dessen Bedeutung sich nicht so leicht erschließen lässt.
Die Beziehung von Vater und Tochter ist ungewöhnlich distanziert und lieblos für ein Kinderbuch und es fehlen Unterhaltungen und Gedanken, die diese Kluft der beiden überwinden könnten. Offensichtlich ist, dass der frühe Tod der Mutter den Vater so in Trauer gestürzt hat, dass er Schwierigkeiten hat, sich in dieser Trauer mit der Tochter zu verbinden. Die Vergangenheit ist generell eher schattenhaft und damit bleiben einige Zusammenhänge rätselhaft.
Ganz originell und faszinierend ist die Idee hinter dem Turm der Füchse und den magischen Figuren, die die Geschichte bevölkern. Der Turm ist eigentlich das Werk der Menschen, die den Tieren eine Menschlichkeit verpasst haben, die in ihnen ein ganz neues Bewusstsein ausgelöst hat. Durch besondere Zuschreibungen, wie zum Beispiel, dass Füchse schlau seien, kam bei denen das Gefühl auf, eben jene Klugheit auch nutzen zu müssen. Zu Hilfe kam eine besondere, uralte Erdart, die die Träume des Fuchses Reynard Wirklichkeit werden ließen.
Der Turm ist gleichzeitig modern und voller uralter Strukturen und steht gerade kurz davor, einem cleveren Despoten zum Opfer zu fallen, der erst unterschätzt wird und dann ganz unsichtbar-sichtbar volle Fahrt aufnimmt, die öffentliche Meinung mit Falschinformationen ins Chaos zu stürzen.
Diese sehr aktuelle Thematik ist sehr gut umgesetzt und am Beispiel des Turmes überaus schlau verständlich gemacht worden. Auch die Geschichte rund um die schattenhaften Tierwesen, die erst nur Befehlsausüber sind, hat viel Potenzial eigene Gedanken über unsere Gesellschaft anzustoßen.
Ob dies sich 10-jährige schon zusammenreimen können oder selbst junge Erwachsene durch die ganzen mehr oder weniger versteckten Zusammenhänge blicken, wage ich zu bezweifeln. Ich könnte mir eine begleitete Behandlung des Textes in der Schule oder in einer Lesegruppe vorstellen, die Raum gibt, über das Gelesene gemeinsam nachzudenken und zu sprechen.
Fazit
Der Turm der Füchse ist ein anspruchsvolles philosophisches Kinderbuch voller Potential, Parallelen zu unserem eigenen Leben und unserer Gesellschaft zu ziehen. Die Macht von Geschichten und die lebendige Magie der Erde verbinden sich hier zu einem tiefgründigen Buch über Trauer, Visionen und Zusammenhalt.
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