Julies Einschlafbuch
- arsEdition
- Erschienen: März 2007
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";Ich bin noch gar nicht müde!" sagt Julie wenn es Zeit zum Schlafengehen ist. Für Julie ist das Bett langweilig. Doch das ändert sich, denn die Gutenachtgeschichten von Julies Mama berichten jeden Abend von einem anderen Kind und seinem Nachtlager, das sich in der Wüste, im Baumhaus, im ewigen Eis oder auf der Strasse befinden mag. Julie schläft bei jeder der Geschichten schließlich ein und so langsam versteht sie, dass längst nicht jedes Kind so ein kuscheliges Bett hat wie sie.
Julies Mutter erzählt jeden Abend Einschlafgeschichten aus einem anderen Erdteil. Im Laufe der Woche erzählt sie von Fatima, einem Mädchen aus der Wüste. Julie erfährt, wie Fatima schläft. Sie hat nicht so ein schönes kuscheliges Bett wie Julie. Sie muss auf dem Wüstenboden schlafen. Am Dienstag hört Julie, dass Shu Hi im Urwald in einem Baumhaus auf einer Strohmatte schläft. Mittwochs lernt sie, wie Rashin zwar in einem Bett schläft, aber unter einem Moskitonetz, da durch den Regen in der Regenzeit viele lästige Moskitos den Schlaf rauben können. Xuxa dagegen lebt in der Eiswüste bei den Eskimos und schläft in einem Iglo, eingepackt in dicken Fellschlafsäcken, da es dort bitterkalt ist. Nur die Geschichte von dem Strassenkind Pablo lässt Julie nicht gleich einschlafen. Lange denkt sie über den armen Pablo nach. Ein Junge aus Südamerika, Riza, verbringt seine Nächte in einer Hängematte. Am Sonntag, erzählt die Mama Julie eine Geschichte von Julie selbst. Sie schläft in einem kuscheligen und warmen Bett in einem gemütlichen Haus mit Ziegeldach. Julie erkennt sich in der Geschichte wieder, als das Mädchen, das nie schlafengehen will. Doch ihre Mutter sagt, dass sie es ja nicht sein könne, denn ihre Julie trödelt ja nicht. "; Das muss dann doch eine andere Julie sein." Die "Mama gibt Julie mindestens 10 Gutenachtküsse und dann schläft Julie ein."
";Julies Einschlafbuch", erstmals 1998 erschienen, gewährt Kindern stimmungsvolle Einblicke in die Schlafgewohnheiten anderer Kulturen und damit in andere Welten. Es vermittelt ganz ohne moralisierenden Unterton ein Gespür für unseren eigenen ";gelebten Luxus", der gerade für Kinder nichts außergewöhnliches ist. Und wie auch? Sie kennen die Lebensbedingungen in der Wüste, am Polarkreis oder im Dschungel nicht; auch haben sie sich - zum Glück - niemals Gedanken darüber machen müssen wie es ist, allein auf der Strasse schlafen zu müssen. Dabei werden die Geschichten aus den fernen Ländern keinesfalls dramatisiert - sie zeigen eine ruhige und zumeist heimelige Art, die Geborgenheit vermittelt. Das Lager auf dem Wüstenboden im luftigen Zelt, oder dick in Fellen eingewickelt an die Familie und die Hunde gekuschelt unter dem eisigen Dach eines Iglus. Natürlich ist der traurigen Situation Pablos nichts heimiliges abzugewinnen; schläft er doch allein in einer Tonne irgendwo auf einer der schmutzigen Strassen einer Großstadt.
Die Thematik des Buches behandelt damit also nicht nur das ";Einschlafproblem" mancher Kinder, sondern informiert kindgerecht in sieben abgeschlossenen Geschichten, wie Kinder in anderen Ländern schlafen und damit im erweiterten Sinne leben. Diese Erzählungen werden jeweils von einer illustratorischen Traumreise begleitet. Mit den eingeschnittenen Mittelseiten jeder Geschichte - zwischen der Welt Julies und der fernen Welt - erleben wir den Übergang zu Julies Fantasie und der dahinterliegenden Geschichte der Mutter. Jede Geschichte verfügt über zwei Doppelseiten. Auf der ersten Seite sieht man jeweils Julie mit ihrem Kuschelbären im Bett liegen. Die gegenüber liegende Mittelseite ist, auf die jeweilige Illustration angepasst, eingeschnitten. Der freie Raum oberhalb des ausgeschnittenen Teils lässt uns vor dem Blättern schon einen Blick auf das nachfolgende fremde Land erhaschen. Dort wird dann weiter mit eindrucksvollen Bildern gezeigt, wie das entsprechende Kind in dem anderen Land schläft. Von dieser Perspektive aus gibt es über die eingeschnittene Fläche wiederum schöne Einblicke in Julies Welt, die sich teilweise ganz neutral halten aber sich auch an manchen Stellen wunderbar mit den hier dargestellten Illustrationen verbinden. Sehr raffiniert verwebt die Illustratorin Vera Sobat so die beiden Welten, schafft ein traumwandlerisches Bindeglied. Den Einleitungsteil der Geschichte gestaltet Vera Sobat mit warmen Braun- und Beigetönen. Eine andere Farbwelt kommt ins Spiel, sobald wir mit Julie in die Traumwelten einsteigen dürfen; Vera Sobat fängt die jeweilige Atmosphäre mit dem passenden Farbspektrum ein und erzeugt so über ihre Illustrationen bereits reges Interesse.
Die Texte sind recht kurz, so dass man das gesamte Buch gut als Gute-Nacht-Geschichte vorlesen kann. Da die Illustrationen aber so stimmungsvoll sind, kann man die sieben Geschichten, wie Julie´s Mutter, auf sieben Abende verteilen, um sich die Bilder genau anzusehen und sich dann gemeinsam mit dem Kind ein Bild von dem Leben in dem jeweiligen Land zu machen. Man gibt dem eigenen Kind vielleicht so auch die Möglichkeit, intensiv in die fremde ";Welt" einzusteigen.
Sehr gezielt und überlegt wählte die Autorin Doris Wiederhold ihre Kinder, bzw. die Länder. Ein viel tiefgründigeres Buch, als es auf den ersten Blick den Anschein macht und über das Thema des Einschlafens hinausgeht.
Gut durchdacht erscheint mir auch, dass auf dem Einband die Kinder auf einer Weltkarte in ihrem Land abgebildet sind. Hier können Kinder nachvollziehen, auf welchen Kontinent der Erde sie die Traumreisen geführt haben.
Fazit:
Ein überzeugendes und tiefgründiges Buch, das durch kurze Texte klar und knapp die Botschaft und das Wissen zu den einzelnen Ländern vermittelt. Die aufwändige Aufmachung und die ausdrucksstarken Illustrationen regen sicherlich die Fantasie an, und lassen Kinder dabei gemütlich in ihr eigenes kuscheliges Bett fallen.
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