Ein gelungener Roman, der Kinder auf einfühlsame Art und Weise für das Thema Transgender sensibilisiert
George und ihre Freundin Kelly sind eigentlich ein Herz und eine Seele, zumindest bis zu dem Tag, an dem ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt wird: Kelly bekommt die Hauptrolle der Charlotte im Stück „Wilbur und Charlotte“, die auch George gerne bekommen hätte und welche für sie eine tiefe Bedeutung hat. Obwohl sie beim Vorsprechen glänzt, hat George keine Chance, denn ihre Lehrerin Miss Udell ist nicht bereit, die Rolle mit einem Jungen zu besetzen. Damit berührt sie in George mehr als nur einen wunden Punkt, denn obwohl sie den Körper eines Jungen hat, fühlt sich George als Mädchen und sieht in der Rolle der Charlotte die Chance, allen ihre wahre Identität zu zeigen. Bisher hat sie sich noch nicht getraut, irgendjemandem ihr Geheimnis anzuvertrauen. Bereits jetzt treffen sie die Sprüche der anderen Jungen immer wieder, denn dass sie anders ist und mit den typischen Jungenhobbys und -interessen nichts anfangen kann, ist ihnen bereits aufgefallen und ohne ihre Freundin Kelly steht sie in der Schule nun ziemlich alleine. Doch zum Glück wäre Kelly nicht Kelly, wenn sie nicht immer eine gute Idee hätte. Ihr vertraut sich George schließlich auch an und gemeinsam finden sie eine Lösung, wie es George immer noch gelingen kann, ihre Mutter mit einer überraschenden Vorstellung zu überzeugen und zu zeigen, wie viel „Melissa“, wie sie sich selbst nennt, in ihr steckt!
Anderssein für Fortgeschrittene
George weiß schon lange, dass sie ein Mädchen ist. Als sie als kleines Kind die Kleider ihrer Mutter angezogen hatte, steckte da bereits mehr als ein lustiges Verkleidungsspiel hinter. Gleichzeitig fürchtet sie sich vor den Reaktionen ihres Umfelds und traut sich nicht einmal ihrer besten Freundin von ihrem Geheimnis zu erzählen. Wie sehr unsere Gesellschaft in „männlich“ und „weiblich“ eingeteilt ist, spürt George an allen Ecken. Nicht nur, dass sie die weibliche Rolle im Theaterstück nicht spielen darf, denn was würden schließlich die Leute denken, auch sonst gibt es viele Dinge, die ihr nur schwer möglich sind. Sowohl Frisur als auch Kleidung müssen einem männlichen Stil entsprechen, wenn sie nicht zur Zielscheibe der anderen Kinder werden will. Auch zuhause ist es ihr nur möglich, ihre Mädchen-Zeitschriften zu lesen, wenn weder ihre Mutter noch ihr Bruder da sind, die dafür wenig Verständnis hätten.
Alex Gino gelingt es gut, Georges Gefühle zu benennen und Kinder für das Thema zu sensibilisieren. Dass Alex Gino sich bei der Geschlechtsidentität selbst als nichtbinär bezeichnet, seit vielen Jahren in der queeren und transgender Bewegung aktiv ist, macht den Roman noch authentischer und glaubwürdiger als wenn sich jemand ohne eigene Einblicke dem Thema widmet. Als Motiv für seinen Roman nennt er seine „persönliche Erfahrung und sein Wissen, dass transgender Kinder Romane brauchen, die sie bestärken und ihnen Mut machen“.
Identität und Akzeptanz
Die Geschichte der zehnjährigen George richtet sich an Kinder im selben Alter und macht deutlich, dass sich die Geschlechtsidentität schon früh und sicher zeigen kann, was gerade jungen Kindern noch oft abgesprochen wird. Häufig spüren sie, dass ihre Andersartigkeit von vielen nicht akzeptiert wird, was es ihnen umso schwerer macht, sich zu outen, wenngleich sie unter ihrem Versteckspiel leiden. Alex Ginos Roman eignet sich gut als Schullektüre, um das Thema ins Bewusstsein möglichst vieler Kinder zu bringen, um sie selbst durch Wissen und Aufklärung zu rücksichtsvollen Erwachsenen werden zu lassen, die dem Thema Transgender offen und mit Akzeptanz gegenüberstehen.
Fazit
Alex Gino hat mit Melissa ein gelungenes Romandebüt geschafft, das sowohl von der Story als auch von der Botschaft her überzeugen kann. Durch seine sympathische Protagonistin fällt es nicht schwer, sich in Georges besondere Situation hineinzuversetzen und das Thema für Kinder greifbar zu machen!
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