Die Drachen Chroniken - Das magische Drachenauge
- arsEdition
- Erschienen: Februar 2007
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Feuer, farbenprächtiges Schuppenkleid, Hörner, Stachel und Klauen, riesige Schwingen: Majestätische Wesen am Himmel, scheue und wilde Geschöpfe alter Sagen. Die Rede ist von Drachen. Wer bisher nicht daran glauben mochte, wird vielleicht in den Drachen Chroniken von Dugald A. Steer eines Besseren belehrt.
Die Geschwister Daniel und Beatrice Cook haben auch in diesem Sommer Pech: Ihre Eltern können nicht aus dem fernen Indien zu ihnen kommen; sie müssen wieder einmal einen wichtigen Auftrag übernehmen, der keinen Aufschub duldet. Ganz zu ihrer Überraschung erfahren sie, dass sie die Ferien bei einem gewissen Dr. Drake verbringen sollen. Dr. Ernest Drake ist ein ziemlich eigenartiger, verschrobener Mann, der sich der Drachenforschung verschrieben hat - wo es doch, wie ja jeder weiß, gar keine Drachen gibt! Schnell aber werden die Kinder erfahren, dass es sehr wohl Drachen gibt und zwar die unterschiedlichsten Arten: Den Knucker, etwas dumm vielleicht aber gutmütig, den großen, klassischen europäischen Drachen oder etwa den größten aller Drachen, den Wyvern.
Vollkommen fasiziniert begeben sie sich in die Fußstapfen des Dr. Drake und studieren das Fach der Drachologie. Hingebungsvoll sorgen sie für die Pfleglinge und eignen sich mit den anderen Schülern ihres Lehrmeisters mehr und mehr Wissen über die beeindruckenden Wesen an. Doch die Idylle ist von Anfang an bedroht: Der Sohn des verstorbenen Drachenmeisters, Ebenezer Crook, beansprucht schon seit langem sein unverdientes Erbe: Auch er will Meister der Drachen werden, wie sein Vater. Doch die Drachen selbst sind da ganz anderer Meinung, diesem ehrgeizigen und skrupellosen Menschen, der von ihrer Art kaum etwas weiß, können sie nicht vertrauen. Zum Äußersten entschlossen, geht ebendieser, Ignatius Crook, so weit und stiehlt Dr. Drakes Drachentagebuch, in dem alle Erkenntnisse und Forschungsergebnisse vermerkt sind. Auch der von Dr. Drake vermutete Verbleib der kostbaren Drachenschätze. Doch Ignatius Crook braucht vor allen Dingen eines: Das magische Drachenauge, das ihn zum Meister der Drachen macht - das ihn befähigt, den Drachen zu befehlen. Ein beinahe atemloser Wettlauf mit der Zeit beginnt, bei dem die zu allem entschlossenen Widersacher immer wieder Boden gut machen können.
Dugald A. Steer hat mit dem ersten Band seiner Drachen Chroniken ein komplexes und stimmiges Fundament für seine nachfolgenden Bände geschaffen. Besonders zu Anfang dieses ersten Bandes wird auch ein Leser, der mit seinem vorherigen Bestsellern, den aufwändig und geheimnisvoll gestalteten Sachbüchern ";Drachologie - ein Kurs für Drachenforscher" oder in besonderem Masse auch ";Expedition in die geheime Welt der Drachen", noch nicht in Berührung gekommen ist, mit Sicherheit vom ";Drachenfieber" infiziert. Sehr logisch und dennoch fantasievoll beschreibt Steer die vermeintlich biologischen Hintergründe, bezieht sich sogar auf den Darwinismus, bringt immer wieder die alte Mythen und Sagen ins Spiel, so dass man sich gut vorstellen kann, dass damals, Mitte des 19. Jahrhunderts, ein solch spektakulärer Bund der Drachologen existiert haben könnte. Sehr einleuchtend spinnt Steer seine Geheimnisse um die Ur- Wesen - und könnte es nicht wirklich so sein, dass es für Menschen und Drachen tatsächlich besser ist, wenn zumindest die Menschen nichts von deren Existenz wissen?
Der Einstieg wirkt also sehr ausgereift, denn diese Welt hat Dugald A. Steer bereits in seinen vorangegangenen Büchern auf eindrucksvolle Weise vorgestellt. Ab der Mitte des Buches aber gleitet die Geschichte mehr und mehr in ein Abenteuerroman ab, der mich ein wenig an die Art der ";Indiana-Jones"-Filme erinnert. Die Mischung aus Wissenschaft, alten Mythen und der klassische Kampf von Gut gegen Böse funktioniert jedoch auch hier wunderbar. Und das wird der jungen Leserschaft ganz sicher gefallen. Das Drachenwissen tritt hier ein wenig in den Hintergrund, doch immer wieder und wenn nötig, auch wiederholt, erhält der Leser den Background, um bei der Geschichte am Ball bleiben zu können. Obwohl sich im Laufe der Geschichte so manche Person hinzugesellt und viele Orte, an denen die Helden agieren, wechseln, bleibt das Konstrukt der Geschichte übersichtlich.
Die Darsteller allen voran Daniel, der als ";Ich-Erzähler" durch das Abenteuer führt, seine mutige Schwester Beatrice und der ebenso weise wie herzliche Dr. Drake sind Dugald A. Steer gut gelungen. Es ist kein Buch, das in erster Linie Jungen ansprechen wird - obwohl die Hauptperson, Daniel, genau auf diese schwer zu gewinnende Leserschaft ausgerichtet sein wird - vielmehr haben die weiblichen Hauptpersonen einen wichtigen Anteil an der Geschichte, denn um ein Abenteuer in der Drachenwelt zu bestehen, benötigt es viele gute Eigenschaften, die die Mädchen ebenso in sich vereinen wie die Jungen. Und so überzeugen auch die eifrigen Schüler neben Daniel und Beatrice nicht nur durch ihren Mut, sondern auch durch Fleiss und Gewissenhaftigkeit. Dies ist auch ein Punkt, der mir gut gefallen hat: Steer beschreibt eigentlich durchgängig in seinem Roman, wie wichtig für die Forschung auch das Aneignen von Wissen ist, dass Lernen und Forschen Hand in Hand gehen. Eine schöne Einladung an die Kinder, sich selbst wissenschaftlich fortzubilden - die angeregten Gespräche der Geschwister sind da vielleicht schon Anreiz genug, es auch einmal zu versuchen.
Der Text, übersetzt von Dorothee Haentjes-Holländer und Stefanie Mierswa, ist überwiegend klar strukturiert aber nicht anspruchslos. Durch die vielen Dialoge ist der Leser stets am unmittelbaren Geschehen beteiligt - nur selten finden sich längere Beschreibungen von Begebenheiten oder Stimmungen. Die Sprache von Dugald A. Steer ist abwechslungsreich und auf kindliche Weise wissenschaftlich, was u.a. durch die Erzählungen des Daniel bedingt ist. Dennoch gelingt es ihm, eine ganz besondere Atmosphäre einzufangen. Nicht zuletzt wird dies auch durch den Charme der von ihm gewählten Zeit (Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts) transportiert, in der es noch dunkle Gassen, alte Gasthäuser, kleine Schlösser und weitläufige Landschaften gab. Gerade die Einbeziehung der englischen und schottischen Landschaft trägt zu dem Reiz seiner Geschichte bei.
Besonders hervorheben möchte ich die kunstvollen Tusche-Illustrationen von Douglas Carrel; hier gibt es sogar am Ende des Buches ein Verzeichnis, wo welche Illustration zu finden ist. Besonders die akribische Darstellung der Drachen fallen bei den Tusche-Zeichnungen auf, aber auch die feinen Details der Landschaften und anderen Darstellungen wirken wie ziseliert. Insgesamt ist die gesamte Aufmachung eindrucksvoll: Es wird jedem neuen Kapitel sehr viel Platz eingeräumt und jede Überschrift wird mit der passenden Illustration begleitet, die wie ein sehr feiner Scherenschnitt wirkt. Darunter finden wir ein erhellendes Zitat aus dem ";Originaltagebuch" des berühmten Drachologen mit entsprechendem Datum. Ziemlich dramatisch wirken dazu einige Darstellungen der Bösewichte, sie wirken mehr wie eine Karrikatur, erscheinen ein wenig unproportioniert und verzerrt - doch sie erhöhen den Unterhaltungswert natürlich ungemein. Am allerbesten sind Douglas Carrel ohne Frage die Hauptdarsteller des Buches gelungen: Die Drachen. Die Darstellung des kleinen ";Flitz", der ziemlich einem alten Wasserspeier ähnelt und triumphierend mit dem drachologischen Tagebuch von Daniel davonfliegt, gefällt mir persönlich am besten, weil er ebenso bösartig wie ";schräg" wirkt.
In Ergänzung zu dem Inhaltsverzeichnis der Illustrationen finden wir zu Beginn des Buches eine Drachologische Karte der Britischen Inseln und zum Ende ein paar Worte des Autors über Dr. Ernest Drake, ein Glossar drachologischer Begriffe und natürlich auch ein Hinweis des Verlages auf die bereits erschienen Drachenbücher. Besonders die fantasievollen und neugierigen Leser wird dieser ";Stoff" faszinieren und mit Sicherheit steht spätestens jetzt der Kauf der bereits erwähnten, aufwändigen Sachbücher an.
Fazit:
Drachen - nur Fantasiewesen? Weit gefehlt: Nach diesem Buch werden viele darüber anders denken.
Die Art und Weise, wie Duglas A. Steer die mystischen Wesen zu neuem Leben erweckt, ist beeindruckend.
Eine echte Offenbarung für alle wissenshungrigen Abenteuerer, deren Fantasie hier sicherlich zu Hochtouren auflaufen wird.
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