Die kleine Maus Lucia hat so manches gefährliche Abenteuer zu bestehen. Dabei spielen die alten, phantastischen Mythologien eine nicht unerhebliche Rolle; am Ende zeigt sich jedoch, dass Hoffnung, Glaube und Zusammenhalt mehr bewirken können, als die Beschwörung eines ";antiken" Helden.
Die kleine Maus Lucia lebt in einer Mäusekolonie, die schon seit einiger Zeit unter den schweren Dielen eines alten Kornspeichers ihre Nester gebaut hat. Da dort früher sehr viel Korn gelagert wurde, welches über die Jahre hinweg durch die Ritzen der Dielen gefallen war, konnte die Mäusekolonie immer gut davon leben. Der Kornspeicher gehört zu einem Gut mit Herrenhaus, was leider zugleich bedeutet, dass die Mäuse dort nicht alleine leben. Denn auch der ";Schrecken" hat sich dort eingenistet! Die Mäuse haben große Furcht vor dem Schrecken, der Ihnen in Gestalt von Katzen regelmäßig das Leben schwer macht. Auch Lucias Eltern sind ihnen bereits zum Opfer gefallen.
Aus diesem Grund gibt es in der Mäusekolonie gewisse Regeln, an die sich jeder halten muss, um zu überleben. So dürfen die Mäuse den Speicher nicht verlassen. Aber Lucia und ihr mutiger Freund Orlando kümmern sich wenig um diese Regeln und verlassen regelmäßig den Speicher. Deshalb kommt es, wie es kommen muss: Lucia und Orlando geraten oft in Gefahr!
Jedes mal, wenn eine Maus einer Katze begegnet ist, wird Diodorius, der alte, weise Mäuserich, zu Rate gezogen und eine Zeremonie vollzogen. Diodorius erzählt dann von der mutigsten, heldenhaftesten Maus der Welt: Gil Gamáus! So gibt er der Mäusekolonie Hoffnung, denn jeder glaubt daran, dass Gil sie im Zweifelsfalle beschützen wird.
Gil Gamáus befreite die Welt nicht nur von einem Basilisken, einem Drachen, einem Mantikor sondern auch vor einem Minotaurus. Ja, er war ein richtiger Held! Zwar konnte er nicht durch Kraft oder Größe überzeugen, aber er setzte seinen Verstand immer kämpferisch ein und überlistete so die Monster.
Im Laufe der Zeit jedoch, hinterfragen gerade Orlando und seine Freunde die Existenz von Gil Gamáus. Denn wenn es ihn wirklich geben würde, hätte er ihnen doch schon längst geholfen!
Rudolf Herfurtner hat eine spannende, phantasievolle Geschichte über die Abenteuer von Lucia, dem kleinen Mäusemädchen verfasst. Gerade die Charaktere und die eingestreuten Fabelgeschichten machen dieses Kinderbuch lesenswert.
Die Hauptdarstellerin, Lucia, ist neugierig und mutig. Deshalb will sie alle Seiten des Mäuselebens kennen lernen und gerät oft in gefährliche Situationen, in denen sie oftmals ohne Orlando dem ";Schrecken" zum Opfer gefallen wäre. Gerade die leckeren Dinge außerhalb der alten Scheune locken sie in die verbotenen Gegenden, was ja bezeichnend für Kinder ist. Somit bietet Lucia für alle abenteuerlustigen jungen Leser gutes Identifikationspotential. Jedoch ist Lucia nicht ganz furchtlos. Im Gegensatz zu Orlando braucht Lucia ihren Glauben an Gil Gamáus und somit die Geschichten von Diodorius, um immer wieder neuen Mut zu schöpfen.
Orlando hingegen startet eine Mäuserevolution und überzeugt so zumindest einen Teil der Mäusekolonie, dass Diodorius´ Geschichten nur erfunden sind. Er ist eine ";Maus der Tat" und überlässt nichts der Hoffnung oder dem Zufall. Junge Leser wird der mutige Orlando sicherlich beeindrucken.
Als sehr gelungene Essenz dieser Geschichte stellt sich heraus, dass auch die Mäuse, so klein sie auch sein mögen, durch die Gemeinschaft stark sein und etwas erreichen können.
Die Geschichten von Diodorius, bestehend aus bekannten Fabelwesen oder Teilen der Mythologie unterschiedlichster Länder und Kontinente, in denen Gil Gamáus die Ungeheuer durch seinen überlegenen Verstand besiegt, geben der Geschichte ein mystisches Flair. Leider verfällt der Autor in diesen Passagen oft in einen etwas altertümlichen Sprachgebrauch, der anfangs, gerade für den jungen Leser, gewöhnungsbedürftig sein könnte. Trotzdem regen diese Fabelwesen die Phantasie der Kinder an. Unterbrochen wird dies dann allerdings recht schnell wieder durch die Bilder, die dann eine Erscheinung der Fabelwesen wiedergeben. Das tut jedoch der guten Qualität der Illustrationen von Jacky Gleich keinen Abbruch. Zudem wirkt die Art und Weise der Darstellung passend: während die Bilder zu den Geschichten von Gil Gamáus farbig sind, wurden die Zeichnungen von dem Mäuseleben in schwarz-weiß dargestellt. Dadurch wird eine optische Trennung der Fabeln von dem Rest der Geschichte erreicht.
Abgesehen von dem Sprachgebrauch hinsichtlich der Fabeln orientiert sich der Text an der anvisierten Leserschaft ab acht Jahren. Dies zeigt sich unter anderem in den Abschnitten der verwendeten wörtlichen Rede. Leider fehlten mir etwas humorvollere Einblicke in das Mäuseleben. Die Geschichte erhält so eine gewisse Schwere, die meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wäre. Die Grundidee, deren Aussage die Bedeutung von Glaube, Hoffnung und Gemeinschaft beinhaltet, hätte sicherlich mit ein wenig mehr Humor um so besser funktioniert.
Durch die vielen Abenteuer, den mutigen Orlando und die eingebetteten Fabelgeschichten über allerlei Ungeheuer, vermute ich, dass diese Geschichte wohl eher Jungen ansprechen wird.
Fazit:
Lucias, im wahrsten Sinne des Wortes, fabelhafte Entdeckung der verbotenen Welt und der anstehende Kampf gegen den ";Schrecken", die Katzen, zeichnet sich durch einen meist leserorientierten Sprachgebrauch, gelungene bildliche Darstellungen und die gute Abbildung der Charaktere aus. Trotz aller Abenteuer und dem entstehenden Gemeinschaftsgefühl, haben mir daneben aber noch humorvollere Passagen gefehlt. Das hätte sicherlich noch mehr Lesefreude geweckt und das Eintauchen in Lucias Mäusewelt erleichtert.
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