Huch! Eine Überraschung

August Fuchs gehört zu jenen Lebewesen, die sich vor dem Unbekannten fürchten und keinerlei Überraschungen mögen. Aber ausgerechnet die beste Freundin von August Fuchs, Susi Eichhorn, ist das pure Gegenteil. Sie mag es zu toben und wilde Sachen zu machen. Und sie mag Überraschungen. Als Susi August ankündigt, ihn abzuholen, um mit ihm etwas Schönes zu erleben, steigert sich August ganz in seine Ängste hinein. Je länger es dauert, desto mehr fürchtet sich August. In seinen Gedanken tauchen ganz fürchterliche Vorstellungen auf und August würde sich am liebsten vor Susi verstecken. Doch genau da taucht Susi auf und August folgt ihr zögerlich zur angekündigten Überraschung. Und es ist alles ganz anders, als es sich August vorgestellt hatte.

Sich überwinden und auf etwas Unbekanntes einlassen

Die Geschichte von Miriam Bos hat gleich mehrere Aspekte, die es genauer anzusehen gilt. Da ist zuerst einmal das ängstliche Kind, dem schnell alles zu viel wird und das sein eigenes Tempo braucht, um glücklich zu sein. Dies kann durchaus ein Anstoß an Erwachsene sein, das persönliche Tempo des Kindes zu respektieren. Dann ist da auch die Macht der Phantasie, die zulässt, dass sich das ängstliche Kind in allerlei düstere Bilder hineinsteigert und sich deshalb der Freundin verschließt. Ein Ansporn an die Erwachsenen also, diesen Mechanismus zu brechen, in dem sie das Kind mit seinen Ängsten ernst nehmen und ihm behutsam mögliche Umgangsweisen mit diesen Ängsten zu zeigen. Es ist aber auch die Empathie der kleinen Freundin, die ihre eigene Wildheit und ihre persönlichen Präferenzen hintenanstellt, um ihrem Freund einen schönen Tag zu bescheren, an dem er sich nicht Dingen stellen muss, die ihn überfordern. Schlüpfen Erwachsene in diese Rolle, erkennen sie, dass sie hinhören müssen, um die Bedürfnisse des ängstlichen Kindes zu erspüren und ihm etwas anzubieten, das es langsam aus seiner abwehrenden Haltung herausholt. Insofern richtet sich dieses Bilderbuch also stark an die Erwachsenen, die mit ihrem Kind die Geschichte erleben. Es richtet sich aber auch an das Kind direkt und versuchen, ihm klarzumachen, dass nicht jede Überraschung etwas Negatives in sich birgt…

Interessante Rollenverteilung

Ein genauer Blick lohnt sich auf die gewählten Figuren. Zum einen wird hier der als schlau und oft unerschrocken und manchmal durchtrieben geltende Fuchs als Figur dem ängstlichen Kind zugeschrieben, was eindeutige Stereotypen bricht. Das agile Eichhörnchen wird zwar seiner Rolle in der Beschreibung gerecht, das Verhalten zeugt dann aber von großer Empathie und einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse der anderen. Auch hier eine kleine Mahnung an alle, sich nicht von einem Klischee beirren zu lassen. Schließlich ist auch die Rollenverteilung in Sachen Geschlecht interessant: Das ruhige, zurückhaltende Kind ist als Junge dargestellt, das unerschrockene und wilde Kind als Mädchen – also auch hier ein Bruch mit den gängigen Rollenbildern. Miriam Bos bewegt sich mit einem bestechenden Charme durch die Geschichte. Ihre Figuren wirken glaubwürdig und laden Kinder zu ein, in ihre Rollen zu schlüpfen. Eine überzeugende und farbenfrohe Illustration rundet dieses Bilderbuch ab. So kann Miriam Bos mit ihren Bildern allerlei Gefühle sichtbar machen – sei es nun das große dunkle Tier, das die Ängste zeigt oder das quirlige Eichhörnchen, dessen Bewegungsdrang man direkt spürt.

Fazit

Ein bezauberndes Bilderbuch mit überraschend viel Tiefgang: Die Autorin Miriam Bos bricht hier mit vielen Klischees und lädt zum Nachdenken ein, ohne auch nur im Entferntesten einen Mahnfinger zu heben. Ein wirklich überzeugendes Bilderbuch.