Vom Mythos der Wikinger
Die Wikinger waren rau und furchtlos, brutal und furchterregend – dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Und tatsächlich eroberten sie große Gebiete und gingen nicht gerade zimperlich mit ihren Gegnern um. Doch es verbarg sich auch eine interessante Kultur hinter ihrem blutigen Mythos, die bis heute nachhallt ...
„Mit der Waffe in der Hand, einem Lächeln auf den Lippen und einem Lied im Herzen zu sterben – das war der Traum eines jeden Wikingers.“
Dominic Sandbrook ist ein Meister darin, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen und schlüssig für Kinder aufzubereiten. In seinem neuesten Buch geht es um das Leben der Wikinger. Beginnend mit den Mythen, an die die Nordmänner und -frauen glaubten – etwa Odin und Thor, die Walküren und Walhalla –, schafft Sandbrook den geschichtlichen Rahmen, in dem sich die Wikinger bewegten. Obwohl die Zeit der Rus oder Waräger, wie sie auch genannt wurden, nur knapp 300 Jahre andauerte, waren sie in ganz Europa bekannt und gefürchtet.
Doch der Einfluss des eher christlich geprägten Kontinents ging nicht an den Wikingern vorbei: Während manche von ihnen neue Gebiete erkundeten und sogar bis nach Nordamerika reisten, waren die Konflikte zwischen den Nordmännern und England groß. Wiederholt fielen sie brandschatzend ein und verwüsteten Ortschaften, verunsicherten englische Könige und brachten manch einem den Tod. Auch in Asien, vor allem im Nahen Osten und in Russland breiteten sie sich aus.
Schließlich aber war das Ende der Wikinger gekommen. Siedlungen wurden aufgegeben, und auch die plündernden Heere wurden weniger. Wie ein letztes spektakuläres Aufbäumen trat Harald Sigurdsson auf den Plan, der heute gemeinhin als der letzte Wikinger bezeichnet wird. Doch welches Erbe hinterlassen die Nordmänner heute noch in ganz Europa? Auch dies verrät Sandbrook in diesem Buch.
Wenn Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen
Mit einem einladenden Cover beginnt die Reise in die Zeit der Wikinger. Für Kinder ab 10 Jahren geschrieben, ist es jedoch keine allzu leichte Kost, die man eigentlich von dem Autor gewohnt ist. Das könnte daran liegen, dass sich Sandbrook diesmal an eine Zeit wagt, die zum einen sehr weit zurückliegt (ca. 790-1070 n. Chr.) und zum anderen nur wenig zu analysierenden Material hinterlassen hat. Die Wikinger verschriftlichten nichts, allerhöchstens über Runen, und so liegen nur Berichte anderer Kulturen vor, die meist ein eher einseitiges Bild zeichnen. Auch vermischten sich Sagas (altnordische Erzählungen, die mündlich überliefert wurden) und Wirklichkeit.
So ist es schwer, Fiktion von Wirklichkeit zu unterscheiden. Nur selten weist Sandbrook darauf hin, dass der Ursprung der Geschichte in der Phantasie zu finden ist; hier wäre ein wenig mehr Aufklärungsarbeit wünschenswert gewesen. Vielleicht ist es dem Autor angeraten, Geschichte lebendig werden zu lassen, über die mehr bekannt ist und die nicht so lange zurückliegt. Man darf gespannt sein – denn in seinem nächsten Buch wird man Kleopatra einen Besuch abstatten, und die lebte zu Zeiten vor Christi Geburt …
Fazit
Dominic Sandbrook schreibt unvergleichlich und spannend. Auch in Eroberer der Meere wird man schnell in die Geschichte hineingezogen. Doch es ist keine leichte Kost und oft weiß man gar nicht so recht, was nun historisch belegt ist und was nicht. Das wird mit der Zeit mehr als nur ein kleiner Wermutstropfen.
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