Opa, ich kann Hummeln zähmen

Opa ist eingeschlafen, Opa ist im Himmel, Opa ist beim lieben Gott, Opas Körper ist unter der Erde. So viele Erklärungen für Opas Verschwinden. Jori weiß nun eigentlich gar nichts mehr. Denn im Bett liegt Opa nicht, auf einer Wolke scheint er auch nicht zu sein, in der Kirche hat Jori nachgeschaut und die Vorstellung von Opa im Erdboden macht ihm Angst. Also beginnt Jori in seinen eigenen Erinnerungen und Gedanken nach Opa zu suchen.

Der Tod ist auch für ein Erwachsene ein nicht ganz greifbares Thema. Ein Thema, das nicht selten für große Sprach- und Machtlosigkeit sorgt. Es gibt Dinge, die man einfach nicht erklären kann. Jori hat einige Erklärungen für den Tod seines Opas bekommen, doch mit diesen kann er nichts anfangen. Was gut gemeint und tröstend sein sollte, lässt ihn mit noch mehr Fragen zurück. Wo kann Opa denn eingeschlafen sein, wenn er nicht im Bett, auf dem Sofa, der Hängematte oder dem Fernsehsessel liegt? Wie könnte Opa an sonnigen und wolkenlosen Tagen im Himmel schweben? Warum lügt mich ausgerechnet Tante Ann an und behauptet, Opa sei beim lieben Gott, wenn Jori ihn in der Kirche nirgends finden kann?

„Der Nachthimmel […] ist voller Löcher. Durch jedes dieser Löcher schaut ein verstorbener Mensch zu uns herunter. Und wenn er besonders glücklich ist, dann sieht man dieses Glück bis zur Erde leuchten.“

Es sind Gespräche wie dieses, an die sich Jori nun erinnert und die ihm in seiner Trauer viel eher weiterhelfen als die seltsamen Erklärungsversuche seiner Familie. Mit seinem Opa hatte Jori einfach eine tolle Zeit. Sein Opa war ein grandioser Geschichtenerzähler, dafür brauchte er keine Bücher. Und er liebte die Natur: Wie viele Stunden haben Jori und Opa in dessen Garten verbracht? Als Jori sieht, dass sich nun niemand mehr um die Rosen und Stachelbeeren kümmert, nimmt er die Sache selbst in die Hand. Schließlich hat ihm Opa alles beigebracht.

Er kann die Dahlien zusammenbinden, die Algen aus dem Teich fischen und wie man einen Brennnesselsud anrührt, das weiß er auch. Und als Jori, müde von der ganzen Arbeit im Garten, eine Pause macht, da spürt er seinen Opa plötzlich ganz nah bei sich. Ein Glück, denn so kann er ihm direkt erzählen, dass sich gerade eine Hummel auf seinen Arm gesetzt hat.

Was diese Geschichte so authentisch macht, ist die Tatsache, dass es nicht immer nur bergauf geht und die Traurigkeit von einem auf den anderen Tag verfliegt. Vielmehr ist es ein schleichender Prozess mit Höhen und Tiefen. So bringen ihn alte Fotos zum Weinen, schöne Erinnerungen zum Lachen. Es ist wunderbar zu sehen, wie Jori in seiner Trauer eine zunehmende Hoffnung und Fröhlichkeit zurückgewinnt. Und das aus sich selbst heraus.

Während in der ersten Ausgabe des Bilderbuchs von 2007 noch Isabel Pin die Illustrationen anfertigte, ist es nun Claudia Burmeister, die diese Geschichte bereichert. Ihre Bilder sind phantasiereich, farblich unglaublich facettenreich und atmosphärisch auf den Punkt gebracht. Ein kleines Kunstwerk.

Fazit

Ein Buch, das zeigt, wie individuell ein Trauerprozess ist. Für den einen mögen die tröstenden Worte ausreichen, für den anderen sind sie bloß leere Worthülsen. Joris Geschichte nimmt uns mit auf eine Reise in die kindliche Gefühlswelt und seinen Weg das Unbegreifliche greifbar zu machen.