Das alte Haus an der Gracht
- Jacoby & Stuart
- Erschienen: Februar 2023
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Illustrationen von Britta Teckentrup; Taschenbuch, 48 Seiten
ISBN: 9783964281579
Ein Buch, das durch seine besondere Perspektive ganz neue Einblicke in die Geschichte des Anne-Frank-Hauses liefert
Wenn von der Prinsengracht 263 die Rede ist, fällt einem entweder spontan nichts ein oder aber man denkt direkt an die Geschichte von Anne Frank, die sich im Haus unter dieser Adresse während des Zweiten Weltkriegs lange Zeit versteckt hielt. Was viele nicht wissen, das Haus an der Gracht wurde bereits 1580 erbaut und ist inzwischen über 400 Jahre alt. Neben der Geschichte von Anne Frank hat es im Laufe der Jahre viele Bewohner erlebt, wodurch es jeweils eine ganz unterschiedliche Wirkung nach außen bekam. In Das alte Haus an der Gracht lässt sich seine Geschichte erfahren, die bis in die Gegenwart reicht.
Ein Haus im Wandel
Aus heutiger Sicht kann man sich oft nur schwer vorstellen, dass vor mehreren hundert Jahren an den Orten, an denen sich jetzt große Städte befinden, freies Land war. Auf der Fläche des heutigen Amsterdams befand sich vor über 400 Jahren noch feuchtes Marschland, welches erst einmal durch Gräben entwässert werden musste, bevor sich auf tiefen Pfählen Häuser errichten ließen. So entstand 1580 auch das Haus in der Prinsengracht 263, welches zu damaliger Zeit durch einen Steinmetz errichtet wurde, der dort einige Jahre wohnte. 1653 zog dann eine junge Frau mit ihren zwölf Kindern ein, die lange sehr glücklich in dem Haus waren. 1742 erblühte das Haus unter seinem neuen Besitzer, einem reichen Kaufmann. Er und seine Frau zogen mit ihren Bediensteten ein und feierten fröhliche Feste, bis der Mann schließlich starb und das Haus leer stand.
70 Jahre später wurde es dann zum Stall, denn es beherbergte im Erdgeschoss fünf Pferde. 1853 wurde es zur Arbeitsstätte. Zunächst arbeitete in ihm ein Chemiker, anschließend wurden in ihm von einer Familie Gemüsekonserven hergestellt. 1885 brach im Haus dann ein Feuer aus, welches glücklicherweise gelöscht werden konnte, bevor dann 1910 ein Schmied mit seiner Familie in ihm lebte und arbeitete. Ab 1941 zog Otto Frank mit seinen Gewürzmischungen ein, die im Erdgeschoss gemischt wurden, bevor er sich ab 1942 mit seiner Familie im Obergeschoss versteckt hielt und wo sie schließlich doch gefunden wurden. Danach war das Haus lange dem Verfall preisgegeben, bis in den 1960er Jahren Renovierungsarbeiten begannen, die das Haus zu dem machten, was es heute immer noch ist: Ein Museum und Zentrum für Bildung.
Geschichte konkrekt
Geschichte ist für Kinder manchmal ein sehr abstraktes Thema, unter dem sie sich oft nicht viel vorstellen können. Aussagen wie „Das Haus ist sehr alt und hat schon eine lange Geschichte hinter sich“ ist häufig nur eine leere Wortfloskel. In Das alte Haus an der Gracht lässt sich die lange Vergangenheit des Gebäudes an der Prinsengracht 263 konkret mitverfolgen. Von seiner Entstehung bis zur heutigen Nutzung begleitet das Buch viele verschiedene Bewohner, die das Haus ganz unterschiedlich prägten oder verwendeten. Wichtige geschichtliche Ereignisse wie die Pest, kalte Winter oder Kriege hinterließen auch hier ihre Spuren, die am Beispiel des Hauses für Kinder greifbarer werden. Auch wenn das Haus heute viele „nur“ mit Anne Frank in Verbindung bringen, wird deutlich, dass es für eine viel längere Geschichte steht.
Die Gestaltung des Buches ist auf den ersten Blick eher schlicht. Die digitalen Collagen bestehen aus digitalen, sich farblich überlagernden Collagen, welche schimmernde Effekte ermöglichen. Die Illustrationen basieren häufig auf alten Fotos, die das Buch besonders authentisch machen. Sprachlich ist das Buch relativ einfach zu verstehen, wohingegen die historische Bedeutung erst von älteren Kindern erfasst werden kann. Hier liegt auch ein „Problem“ des Buches. Auch wenn das Werk durch seine besondere Perspektive, bei der ein Haus in den Mittelpunkt gerückt wird, und seine künstlerisch gelungenen Illustrationen überzeugen kann, ist es keine Geschichte, die neunjährige Kinder anspricht und die mehrmals von ihnen gelesen wird. Gut vorstellbar ist das Werk im Schulunterricht, um Geschichte anschaulich werden zu lassen oder auch für interessierte Erwachsene, die Spaß an künstlerischen Bilderbüchern haben.
Fazit
Ein gelungenes Buch, welches eine ganz andere Perspektive auf das Haus in der Prinsengracht 263 vermittelt. Für Kinder können die Geschichte und die Gestaltung des Buches jedoch etwas zu langweilig sein, wohingegen Erwachsene sich sowohl von den Bildern als auch vom Text angesprochen fühlen können.
Thomas Harding, Jacoby & Stuart
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