Was Falten über uns erzählen
Jeden Dienstag holt Opa Jotam vom Kindergarten ab und sie gehen anschließend in Avivas Café. Jotam trinkt einen Traubensaft, Opa einen Kaffee. Aber heute fällt Jotam etwas auf, etwas ist da in Opas Gesicht: Falten. Warum kriegt man Falten? Tun sie weh? Und wie fühlen sie sich an. Jotam hat wahnsinnig viele Fragen an seinen Opa, die alle beantwortet werden müssen. Und das macht Opa so gerne.
Die kindliche Neugier ist etwas Großartiges. Sie macht das Leben zu einem spannenden Abenteuerspielplatz: Immer wieder gibt es etwas zu entdecken, zu erforschen und auszuprobieren. Mit einer unglaublichen Fantasie, Energie und Freude lernen die Allerkleinsten die Welt kennen. Wie gerne möchte man diese positive Grundeinstellung doch manchmal in einem Marmeladenglas aufbewahren und sie in späteren schlechten Zeiten einfach wieder hervorholen.
Das neue Kinderbuch von Bestsellerautor und Friedenpreisträger David Grossman erzählt die berührende Geschichte zweier Generationen, die miteinander über das Leben sprechen. Jotam ist fasziniert von den Falten seines Opas und möchte mehr über diese erfahren. Und diese Frage hat Opa Amnon tatsächlich noch niemand gestellt. Mit einer wohltuenden Geduld erklärt er Jotam, was es mit den Falten auf sich hat. Natürlich darf sein Enkel diese auch mal anfassen. Ein bisschen krumpelig fühlen sie sich an. Seltsam, denkt Jotam, er hat ja gar keine Falten. Die, so erklärt es ihm Opa, kommen erst mit dem Älterwerden.
„Einige Falten habe ich durchs Älterwerden bekommen […]. Andere wegen allen möglichen Dingen, die mir im Leben passiert sind. Schöne und traurige.“
Auch Opas Leben war nicht immer von Glück und Heiterkeit geprägt. Tiefe Falten zeigen, wie schwer die Zeiten während Oma Dinas Krankheit waren. Oder als sein Hund Papaya gestorben ist. Forschend geht Jotam auf die Suche nach den zugehörigen Falten und ihrer jeweiligen Geschichte. Aber die Falte auf der Wange, die ist aus einem ganz anderen Grund entstanden, erklärt Opa: aus purer Freude über die Geburt Jotams. Zu der Zeit konnte Opa nämlich gar nicht mehr aufhören zu lächeln.
Es erscheint beim Lesen und Vorlesen so einfach, die Welt mit Jotams Augen zu entdecken. Die Sprache ist kindgerecht, einfühlsam und inspirierend. Ebenso die Illustrationen von Ninamasina, die trotz ihrer Abstraktheit die Stimmungen gekonnt einfangen und in wunderbarem Einklang zum Geschriebenen stehen. Für die kleinen Leserinnen und Leser sind sie auf den ersten Blick jedoch etwas schwer zu fassen.
Wenn man zu einem späteren Zeitpunkt im Leben die Beziehung zu den eigenen Großeltern und Eltern reflektiert, stellt man vielleicht bedauernd fest, dass man zu wenig gefragt, zu wenig nachgebohrt hat. Irgendwann ist dann meist der Zeitpunkt verpasst und wir haben nicht mehr die Möglichkeit zu einem Gespräch. Die Beziehung zwischen Jotam und seinem Opa ermutigt zu einem offenen Miteinander, in dem keine Frage zu oft oder zu viel gestellt werden kann.
Fazit
Eine Ermutigung für alle Kinder, mit den Eltern und Großeltern ins Gespräch zu kommen und für die Großen ein Reminder, aus Gewohnheiten auszubrechen und das Leben immer mal wieder aus einer kindlichen Perspektive zu betrachten.
Deine Meinung zu »Opa, warum hast du Falten?«
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