Ein abenteuerlicher Roadtrip vierer Geschwister, der eine große Themenbandbreite beinhaltet
Für Charlie ist das Leben am schönsten, wenn die Tage möglichst ohne größere Abweichungen der Routine ablaufen. Schon kleinere Unterschiede bringen ihn komplett durcheinander und führen in seinem Kopf für ein großes Durcheinander, welches er mit bestimmten Waschritualen unter Kontrolle zu halten versucht. Auch was Kleidung, Nahrung, Gerüche oder Geräusche angeht, ist Charlie sehr speziell und empfindlich. Doch mit drei etwas chaotischen Geschwistern und einem Vater im Koma, der als Journalist in Afghanistan schwer verwundet wurde, ist ein geordnetes Leben nach seine Vorstellungen gar nicht so einfach. Als sein Vater dann auch noch zu einem Hirnspezialisten 2.500 Meilen entfernt verlegt wird und ihn Gram, die Oma der vier Geschwister, begleitet, wird Charlies Leben auf den Kopf gestellt.
Charlie, seine jüngeren Zwilllingsbrüder Joel und Jake und seine ältere Schwester Davis machen sich nämlich auf den Weg von San Diego zu ihrem Vater nach Virginia. Nachdem die erste Mitfahrgelegenheit mit Davis Freund in einem Unfall endete, werden sie schließlich von der ihnen fremden Ludmila begleitet, die ihren Vater jedoch täglich im Krankenhaus besucht hatte und eine geheimnisvolle Verbindung zu ihm zu haben scheint. Einzig die Aussicht auf der Reise viele fremde Vögel beobachten zu können, macht die Fahrt im engen und stinkigen Wohnmobil für Charlie halbwegs erträglich. Ob er am Ende der Reise seine Vogelliste abgearbeitet hat, damit sein Vater bestimmt wieder gesund wird?
Eine Reise ins Unbekannte
Sally Plas Roman ist eine bunte Mischung aus Roadtrip, Familiengeschichte und Drama, kombiniert mit einem besonderen Protagonisten, der einen an seiner ganz speziellen Sicht auf die Welt und besonders an seiner Liebe zur Ornithologie teilhaben lässt. Die Handlung besteht dabei in erster Linie aus der Fahrt der vier Geschwister zu ihrem Vater, wird jedoch durch verschiedene andere Themen wie Ludmilas Vergangenheit im Krieg in Sarajewo, der Kriegsverletzung seines Vaters oder auch von Charlies Liebe zu seltenen Vögeln ergänzt. Besonders über die ersten beiden Themen erfährt man im Laufe des Romans immer nur Häppchenweise mehr, sodass die Handlung bis zuletzt spannend bleibt. Auch die große Frage, ob die Untersuchungen von Charlies Vater erfolgreich sein werden und er am Ende wieder gesund wird, klärt sich erst ganz am Ende.
Besonders interessant ist es, die Sichtweise Charlies einzunehmen, der die Geschichte als „Ich“-Erzähler aus seiner Perspektive erzählt. Schnell fällt auf, dass er in seiner Wahrnehmung, seinem Denken und seinem Erleben von den meisten Menschen abweicht. Ihm ist zwar bewusst, dass er „anders“ ist und beispielsweise seinen Geschwistern vieles im Umgang mit fremden Menschen, neuen Situationen oder spontanen Ereignissen leichter fällt, doch ist es ihm nicht möglich, sich ebenso zu verhalten. Gerade, da er nach außen ganz normal wirkt, stößt er bei seinen Mitmenschen oft auf Widerstand, da sie kein Verständnis für seine Besonderheiten haben. Ein Problem, das wahrscheinlich viele neurodivergente Personen kennen, sodass es umso schöner ist, dass das Buch aus Charlies Perspektive erzählt wird und man auf diese Weise Einblicke in seine etwas andere Welt bekommt. Dass Charlie am Ende über sich hinauswächst, ist dabei fast schon nebensächlich.
Ernste Themen, aktueller denn je
Viel Raum nimmt das Thema Krieg ein, denn ohne Krieg wären Charlies Vater nicht verletzt und Ludmilas Bruder Amar nicht getötet worden, was jedoch Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist. Wie schlimm Krieg ist, lässt sich auch an Ludmilas eigener Geschichte als Kriegswaise aus Sarajewo erkennen, einen Krieg innerhalb der 90er Jahre in Europa:
„Das klingt schrecklich“, sage ich zu Ludmila. „Wie aus dem Mittelalter.“ „Ja. Bloß, dass es sich anfühlt, als wäre es gestern gewesen, dass meine Welt in Rauch und Flammen aufging.“
Ein Thema, dass sich so oder so ähnlich leider aktuell zu wiederholen scheint, umso wichtiger ist es, dass die Seite der Frauen und Kinder dabei nicht in den Hintergrund gerät. Sally Pla ist es dabei gut gelungen, die verschiedenen Aspekte des Krieges kindgerecht in ihren Roman einfließen zu lassen, ohne dabei die Grausamkeiten zu schmälern, gleichzeitig sie aber auch nicht zu sehr in den Fokus zu rücken, sodass der Roman dennoch seine positive Grundhaltung behält.
Fazit
Ein gelungener und facettenreicher Roman, der durch seinen besonderen Protagonisten und seine Themenvielfalt überzeugen kann!
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