Das Geheimnis der Nachtwache
- Jungbrunnen
- Erschienen: Oktober 2006
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Kinderbuch des Monats [10/2006]. Die Begegnung mit zwei außergewöhnlichen Männern verändert die Zukunft des Jungen mit Namen Wiggert. An nur einem Tag lernt er den Wundertäter Kolhak kennen und begegnet dem schon zu Lebzeiten berühmten Maler Rembrandt. Beide Männer sehen sofort die Besonderheit des Jungen und möchten ihn für ihre außergewöhnliche Arbeit gewinnen. Am Ende des Tages ist Wiggert auch der tiefen Danbarkeit eines sehr einflussreichen und wohlhabenen Mannes gewiss. Klug wie Wiggert ist, weiß er Freundschaften zu pflegen und seine neuen Kontakte zu nutzen. Eine Zeitreise in das 17. Jahrhundert, in der Fantasie und Geschichte so geschickt ineinanderfliessen, dass man sich am Ende fragt, ob es Wiggert nicht wirklich gab.
Auf einer der zahlreichen Hochzeiten, auf die er seinen erblindeten Vater begleiten muss, erkennt Wiggert , wie schlecht es seinem Vater geht und dass dieser vor Schmerzen kaum sein Musikinstrument spielen kann. Auch nimmt er voller Sorge den Zustand des Brautvaters, Herrn Commelyn, wahr, der von sich selbst glaubt, er würde nicht mehr lange zu leben haben. Wiggert sucht schließlich Hilfe bei dem Wundertäter Kolhak, der sich zur Zeit in Amsterdam aufhält. Der geht nach seiner Vorstellung mit dem energischen Jungen mit, um den beiden Männern zu helfen.
Die Schmerzen von Wiggerts Vater kann er jedoch nur begrenzt lindern; aber den reichen Mann mit Herzbeschwerden kann er von seinem Leiden befreien, indem er ihm rät, nie wieder an Geld zu denken. Und das Wunder – unter anderem geschickt insziniert von Kolhak- nimmt noch während der Hochzeitsfeierlichkeiten seinen Lauf. Damit ist das zukünftige ";Duo"; Kolhak und Wiggert schon das erste Mal erfolgreich und der reiche Mann verspricht, ihnen stets hilfreich zur Seite zu stehen. Kolhak fragt Wiggerts Vater, ob der Junge ihn als Gehilfe begleiten könne – so einen gescheiten Kerl wie Wiggert könne er gut gebrauchen. Wiggerts Vater, ein gefragter Musikant, aber braucht seinen Sohn in Amsterdam, um zu den Festen zu gelangen.
Am selben Abend begegnet Wiggert aber noch einem weiteren wichtigen Mann auf dem Fest: Rembrandt. Die Begegnung ist eigenartig, denn er hat zwar von dem berühmten Künstler gehört, hat ihn aber noch niemals zuvor zu Gesicht bekommen. Wiggert erkennt Rembrandt jedoch auf Anhieb und dieser ist so von dem Jungen beeindruckt, dass er Wiggert unbedingt in seine Dienste stellen möchte.
So wird Wiggert Rembrandts ";Faktotum";, beauftragt, den reichen Fundus an Requisiten zu sortieren und zu katalogisieren. Doch schon bald beweisst Wiggert darüberhinaus, dass er echtes Organisationstalent besitzt und seinen Meister vor den aufdringlichen Anfragen seiner Auftraggeber zu schützen weiß. Wiggert wird für Rembrandt unentbehrlich.
Rembrandt nimmt seinen bisher größten Auftrag für die Schützenkompanie des Kaptitäns Frans Banningh Cocq an: Es soll ein Gemälde sein, das alle bisherigen Formate sprengt. Um ein solches Bild malen zu können, braucht der Maler entsprechende Räumlichkeiten. Da entsinnt sich Wiggert seines überaus wohlhabenen Freundes, der nicht weit von Amsterdam über ein entsprechend großes Haus verfügt. Schon bald ist der Besitzer des Anwesens, Herr Commelyn, damit einverstanden und sagt dem Maler jedwede Hilfe zu.
Durch die Realisierung von Rembrandts vermutlich berühmtesten und größten Meiterwerks ";die Nachtwache"; werden die drei Männer, Rembrandt, Kolhak und Commelyn, die sich über Wiggert kennenlernen, selbst zu Freunden. Kolhak ist schließlich in Rembrandts tiefer Trauer um seine verstorbene Frau Saskia eine große Hilfe und das nicht zuletzt dadurch, dass Kolhak Rembrandts Schulden bei der Familie seiner Frau begleicht. Doch die massiven Geldsorgen Rembrandts reissen nicht ab. Obschon er so zahlreiche Aufträge hat, dass er kaum dazu kommt sie zu realisieren, kann er das Geld nicht zusammenhalten. Viele Mittel werden für den reichen Fundus ausgegeben, die Rembrandt für die Ausstattung seiner Modelle benötigt. Umso erboster ist Wiggert daher, als als er eines Tages beobachtet, wie Rembrandts Sekretär, Koppenol, wertvolle Gegenstände aus dem Fundus stiehlt, um seine Spielschulden zu begleichen. Aber damit nicht genug, auch nimmt Koppenol Gelder von Auftraggebern an, um seinen Einfluss auf Rembrandt geltend zu machen, so dass deren Porträts schneller fertiggestellt werden. Von diesem Vorfall berichtet Wiggert dem trauernden und entkräfteten Remrandt, nicht aber von seiner Entdeckung, dass Koppenol obendrein noch ein Dieb ist. Stattdessen stellt Wiggert den fragwürdigen Sekretär zur Rede. Ein Fehler, denn koppenol betäubt den Jungen auf ebenso brutale wie hinterhältige Weise, um ihn auf ein Schiff zu verschleppen, wo sein Rang weniger sein soll als der eines Schiffsjungen. Eine Fahrt ohne Wiederkehr, für die sich Koppenol abermals Geld für die ";Vermittlung"; einsteckt.
Doch Wiggert hat noch eine, wenn auch geheimnisvolle Freundin in Amsterdam. Und die setzt alles daran, um den Jungen gerade noch rechtzeitig zu retten.
Dick Walda, der auch gebürtig aus Amsterdam kommt, schildert in ";Die Nachtwache"; in Anlehnung an das berühmte Gemäldes Rembrandts, eine durch und durch lebendige Geschichte, die unbedingt neugierig macht. Neugierig auf den Maler Rembrandt und seine außergewöhnlichen Werke, auf die Zeit und die Umstände, wie sie enstanden und auf die Ausdruckskraft seiner Bilder mit der er die damalige Zeit mit ihren Menschen einfing. Walda gelingt es binnen kürzester Zeit, den Menschen, allen voran der Hauptfigur Wiggert, eine Seele einzuhauchen und sie damit so greifbar werden zu lassen, als hätte es sie wirklich so gegeben. Dabei sind es vor allem die ";alltäglichen"; Begebenheiten die fesseln; denn Wiggerts Leben ist alles andere als beschaulich. Das Dunkel und die Armut der damaligen Zeit beeinträchtigen den optimistischen Jungen ebenso wenig, wie die Last der Verantwortung, die er gegenüber seinem Vater tragen muss. Die Zeit war für Kinder hart, doch auf glaubwürdige Weise bringt Dick Walda eine besondere Art der elterlichen Liebe zum Ausdruck und die zunächst fremde und rauhe Welt des 17. Jahrhunderts zeigt schnell seine abenteuerliche wie auch freundschaftliche Seite. Der Junge hat großes Glück, denn er steht fest in der Mitte zweier kluger und gutherziger Männer, die sein außerordentliches Potential auf Anhieb erkennen und fördern. Von ihnen erfährt er Zutrauen in sich selbst und den Mut, seinen Verstand ebenso wie sein Herz sprechen zu lassen.
Eingebettet in historisch belegte Begebenheiten aus dem Leben und Schaffen Rembrandts nimmt Wiggert die Leser mit, die damalige Welt mit seinen Augen zu sehen. Zwar in der dritten Person erzählt, erfährt man doch einiges von Wiggerts Gedanken, Träumen und Nöten. Dass der Junge dabei stets bescheiden bleibt und niemals die Sicht auf das Wesentliche verliert, macht ihn zu einer überaus sympathischen Figur.
Zu Anfang ist Dick Waldas anspruchsvolle Sprache sicherlich gewöhnungsbedürftig und fordert eine intensivere Auseinandersetzung geradezu heraus. Es finden sich zahlreiche Begriffe, die Kinder in ihrem täglichen Sprachschatz wohl kaum nutzen werden. Auch legt Walda manchmal ein ganz schönes Erzähltempo an den Tag, bei dem er ohne lange Umschweife auf den Punkt kommt. Die zunächst alten Begrifflichkeiten, die aufgrund der damaligen Tradition gebräuchlich waren, bleiben jedoch nicht ohne Bezug. Ihre Bedeutung wird schnell vertraut, denn es fällt leicht, sich ganz in Wiggerts Welt zu versenken. Ohne die für unsere heutigen Ohren manchmal umständlichere Ausdrucksweise (wobei es sich hier selbstverständlich um eine stark modernisierte Form handelt), wäre die Erzählung nicht annähernd so atmosphärisch und dicht. Dazu gehören auch die vielen Straßennamen Amsterdams – hier wäre eine Karte des damaligen Amsterdams sicherlich sehr reizvoll gewesen -, so wie auch die vielen historisch belegten Mitdarsteller. Dabei sind an mancher Stelle die Dialoge in ihrer Abfolge schwierig zuzuordnen. Einige Dialoge müssen dem jeweiligen Gesprächspartner aus dem Textkontext heraus zugeordnet werden. Ein für Kinder nicht ganz leichtes Unterfangen – dennoch lohnt es sich, hier aufmerksam zu sein, da Walda gerade die Dialoge – und damit auch die Interaktionen der Darsteller – überaus spannend in Szene setzt und sie für den weiteren Verlauf der Handlung von Bedeutung sind. Alles in allem stellt das Buch durchaus hohe Ansprüche an die Leser – aber es stellt dadurch auch einen umso intensiveren Bezug zur Geschichte her und gibt so erste, kindgerechte Einblicke in die Gesellschaft der damaligen Zeit.
Und nicht zuletzt ist es sowohl von der Erzählstruktur als auch der Dramaturgie her ganz unverkennbar ein Kinderbuch. Walda hält sich nicht lange mit langen Erläuterungen von Hintergründen auf, erklärt nur das Nötigste, weiß immer wieder spannende ";Highlights"; zu setzen und indem er die Geschehnisse geschickt aber dennoch gut durchschaubar verknüpft, treibt er die Geschichte in einem unterhaltsamen Tempo voran ohne jedoch jemals oberflächlich zu wirken.
Fazit:
Kaum ein Gemälde ist so voller Geheimnisse und Andeutungen wie ";Die Nachtwache"; von Rembrandt. Viele Details sind auch heute noch nicht geklärt, z.B. wer die Frau, die Rembrandts Frau Saskia ähnelt, auf dem Bild darstellen soll. Diese Faszination überträgt Dick Walda auf seine gleichnamige Geschichte, in der er ganz eigene Erklärungen findet und dabei die Geschichte eines ganz besondern Jungen erzählt.
Eingebettet in zahlreiche historische Begebenheiten aus dem Leben Rembrandts, werden geschickt Fakten und Fantasie miteinander verknüpft, so dass sich ein lebendiges und faszinierendes Bild der damaligen Zeit ergibt. Seine Erzählweise ist unglaublich dicht und durch seine bemerkenswerten Charaktere ist es ein durchweg fesselndes Buch. Für anspruchsvollere und leseerfahrene Kinder ist ";Die Nachtwache"; sicherlich ein sehr reizvolles Buch, das ihre Neugierde sowohl auf den berühmten Maler als auch auf die damalige Zeit weckt. So macht es Spaß, sich mit Kunst und Geschichte auseinanderzusetzen!
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