Ein zauberhaftes Vorlesebuch
Im Glücklichen Land ist alles so, wie man es sich wünscht. Und wenn es doch einmal geschehen sollte, dass etwas nicht stimmt, wird Kuchen gebacken und über das Problem geredet. Da jede Stimme gleich viel zählt, ist das hübsche kleine Haus samt Garten der Königin auch eher ein freundlicher Versammlungsort, als ein prächtig-abgeschottetes Anwesen.
Als eine Kuchenzusammenkunft der Einwohner des Glücklichen Landes mit allerlei Unfreundlichkeit und Wut endet, wird der Königin klar, dass jemand fehlt, der schon immer für selbstverständlich gehalten wurde: Der Hoffnungsvogel erfreute die Menschen mit seiner Anwesenheit und seinen Liedern. Er war wohl für die gute Stimmung im Land verantwortlich – und nun wurde er schon lange nicht mehr gesehen. Jabu, der Freundliche Prinz, hat die Veränderungen an den Menschen um sich herum schon eine ganze Weile beobachten können. Er entschließt sich, den Hoffnungsvogel suchen zu gehen.
„Da nickte der Freundliche Prinz. Weil er wusste, dass seine Mutter recht hatte und das Land erst wieder glücklich sein würde, wenn der Hoffnungsvogel zurück war. Und dass niemand sonst nach ihm suchen würde.”
Gemeinsam mit Alva der Tochter der Leuchtturmwärterin macht er sich auf, über das Meer zu fahren, um den Hoffnungsvogel im dortigen Land zu suchen. Die Überfahrt gestaltet sich schwieriger als erwartet und die Menschen und die Lebensumstände im Land jenseits des Meeres sind noch viel erschütternder für die Kinder, als sie sich dies vorstellen konnten. Ganz kalt präsentiert sich ihnen das neue Land. Abweisend Fremden gegenüber, verarmt und überaus unfreundlich erscheinen die Mehrheit der Menschen dort. Kein Wunder also, dass die Prinzessin dieses Landes todunglücklich darniederliegt und sich an nichts mehr erfreuen kann.
Das Schicksal der Prinzessin bringt die Kinder jedoch auf die Spur des verschwundenen Hoffnungsvogels.
Vorlesevergnügen
Kirsten Boie ist die bekannteste und fleißigste Kinderbuchautorin Deutschlands. Ihre Kinderbücher werden schon seit Jahrzehnten gelesen, vorgelesen und gehört. Neben lustigen und abenteuerlichen Geschichten schreibt sie aber auch Bücher über und für Kinder, deren Lebenswelt häufig nicht in Kinderbüchern thematisiert wird. Soziale Ungerechtigkeiten und historische Begebenheiten sind immer wieder realistischere Themen ihres Schreibens.
Der Hoffnungsvogel ist zuallererst ein sehr spannend aufgebautes und erzähltes Kinderbuch zum Vorlesen. Ein ganz besonderer Vogel verschwindet und die heile Welt zerbröckelt nach und nach zu einer, die uns Lesenden nur allzu bekannt vorkommt. Beim Versuch, ein modernes Märchen mit wenigen Stereotypen zu erzählen, wohnt die Königin ganz normal in einem Häuschen und bewirtet liebend gerne ihre Gäste. Ihr Sohn, der Prinz ist nicht ganz so heldenhaft und mutig wie in den meisten Büchern, dafür aber umso mehr bedacht und freundlich. Die Berufe der Menschen im Glücklichen Land sind wunderbar verteilt, sodass wir hier Schlosserinnen, Fischerinnen und Leuchtturmwärterinnen begegnen, ebenso wie Schmieden und Malern.
Auch durch die vielen bunten und warmherzigen Illustrationen werden die Vielfalt und die Sichtbarkeit der dargestellten Personen sehr gut deutlich.
Hervorzuheben wäre hier noch die besondere Erzählweise Kirsten Boies. Häufig ergreift die Erzählerin der Geschichte selbst das Wort, indem sie Geschehnisse oder Personen kommentiert. Das kann als störend oder auch belehrend empfunden werden, ruft aber auch aber auch das Gefühl hervor beim Selbstlesen, Teil einer Art Gesprächs zu sein. Auch lockert dies das Vorlesen ungemein auf und führt fast automatisch zum Mitdenken und Nachempfinden.
Fazit
Der Hoffnungsvogel ist ein abenteuerliches und warmherziges Kinderbuch über eine Welt, die wir uns alle wünschen. In einem unvergleichlichen Rhythmus erzählt und modern bebildert wird dies sicherlich ganz schnell zu einem weiteren Klassiker der Kinderliteratur.
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