Ein roter Faden, der zum sagenhaften Anfang führt
Die Liebe zu Geschichten scheint uns Menschen schon seit Anbeginn mit in die Wiege gelegt worden zu sein. Unzählige sind heute unbekannt, weil sie zuerst nur mündlich überliefert wurden, weil Aufgezeichnetes verloren ging oder weil sie einfach in Vergessenheit gerieten.
Der römische Dichter Ovid sammelte vor mehr als 2000 Jahren Sagen aus der römischen und griechischen Mythologie und veröffentlichte 250 von ihnen unter der Thematik der Verwandlung. Sein Werk wurde zu seiner Zeit und vor allem auch im Mittelalter äußerst populär und inspirierte viele Dichter und Geschichten und ist bis heute noch Bestandteil des Allgemeinwissens.
Vielen Lernenden der lateinischen Sprache dürften auch die ein oder anderen Texte aus ihrem Unterricht bekannt sein.
„Eine Tür wird geöffnet, eine Tür zur weitverzweigten Welt der Metamorphosen.”
Während viele Kinder heutzutage schon mit den römischen und griechischen Sagenwelten durch Filme und Kinderbücher bekannt sind, ist ihnen sicherlich häufig nicht deren Ursprung bewusst. Sagen waren eine Art der Menschen, sich die Welt mit ihrer Veränderlichkeit zu erklären, um Ängste zu nehmen und durch traditionelle Handlungen Einfluss zu nehmen.
Der Schriftsteller Heinz Janisch hat nun in Das Goldene Zeitalter 17 Geschichten aus Ovids Sagenschatz ausgewählt und neu erzählt. Vom Anbeginn der Menschheit, über deren Bestrafung und Neuerschaffung, von intrigierenden Göttern und mächtigen Göttinnen, von verschreckten Nymphen bis hin zu einfachen Menschen spannt sich die Auswahl, die den Reichtum und die Vielfalt von Ovids Sammlung zeigen soll.
Die ersten Geschichten erzählen die römische Entstehungsgeschichte der Welt, in der Jupiter aus Zorn auf die Kriege der Menschen unbändige Fluten schickte, um die Erde wieder reinzuwaschen und Deucalion und Pyrrha die Erde neu besiedelten.
Eine der bekannteren Geschichten ist die von Jupiter, oder im griechischen Zeus, der zum Stier verwandelt die schöne Europa entführt, die die Namensgeberin unseres Kontinents ist.
Sehr perfekt endet die Auswahl im Haus der Fama, in welchem alle Geschichten der Welt ertönen, denen Fama Tag und Nacht lauscht.
Geschichten, die bleiben
Geschichten können auf vielerlei Weisen erzählt werden. Ovid erschuf in 15 Büchern ein mythologisches Gedicht, welches vielfältige Erzählformen aufwies und unter anderem deshalb als „einzigartig“ gilt. In Comics und als Figuren in Kinderbüchern werden die Göttinnen und Götter ganz neu und modern erzählt und aus ihren Ursprungsgeschichten in die Moderne geführt.
Heinz Janisch besinnt sich auf den Anfang, auf Ovids Sammlung, und schafft damit eine Brücke vom epischen Werk hin zu den fast losgelösten Interpretationen.
Wunderbar melodisch, fast märchenhaft erzählt er von Liebe und Kampf, von Zerstörung und Wiederaufbau. Er möchte damit neugierig machen, auf all die vielen anderen Geschichten, die hier nicht erzählt werden konnten. Ob dies gelungen ist, kann jeder für sich entscheiden.
Ob schon 6-jährige hinter die Bedeutung der Erzählungen blicken können, liegt sicherlich an literarischer Vorerfahrung und Begleitung durch die Vorleser; aber Kinder ab 10 Jahre können gewiss mit Staunen erkennen, welch ungeheuer spannende Geschichten über mehr als 2000 Jahre hinweg immer noch einen Einfluss auf sie selbst haben.
Sehr eindrucksvoll sind auch die Aufmachung des Buches und die Illustrationen von Ana Sender. Ihr Bild vom weißen Stier und der schönen Europa ziert das Cover, der Titel glänzt golden und der türkise Buchschnitt passt wunderbar zum farblichen Thema des Buches. Wie die Geschichten vermögen die Bilder den Spagat vom Traditionellen hin zur Moderne zu schaffen und die Blicke zu bannen.
Fazit
In Das Goldene Zeitalter werden Geschichten erzählt, die zum Teil in neuer Ausführung schon bekannt sind und somit deutlich machen, wie viele Jahrhunderte sie schon erzählt und gehört werden.
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