Ein kleines Mädchen mit großer Wirkung
April ist ein Mädchen, das gern und viel beobachtet. Natürlich bleibt ihr auch häufig nicht viel anderes übrig mit Klassenkameraden, zu denen sie nicht den richtigen Kontakt findet und einem Vater, der fast immer arbeitet. Über ihrem Leben liegen Trauer und Einsamkeit wie eine dicke Decke, seit Aprils Mutter gestorben ist. Deswegen liebt sie es, Zeit in der Natur zu verbringen, die sie tröstet und vor allem auch in Einklang mit sich selbst bringt.
„Ich hab einfach gelernt, den Tieren zu zeigen, dass sie mir vertrauen können. […] Es kommt darauf an, dass man ihnen zuhört, erklärte sie und legte eine Hand aufs Herz. Hier drin.”
Eines Tages bekommt ihr Vater ein Forschungsangebot, das er nicht ausschlagen will: 6 Monate auf einer einsamen Insel am nördlichen Polarkreis, um in einer Wetterstation Daten zur Klimaerwärmung zu sichten. Für ihn ist es selbstverständlich, dass April ihn begleitet, die ihrerseits fast vor Aufregung platzt, vor allem auch in der Hoffnung, etwas mehr Zeit mit ihrem Vater verbringen zu können. Diese Hoffnung erfüllt sich leider nicht, doch dann trifft April auf einen Eisbären, der ihre Hilfe braucht. Und obwohl April nur ein kleines Mädchen ist, vollbringt sie Großes!
Klimawandel ganz konkret und sehr berührend
Durch die anhaltende Klimaerwärmung schmilzt das Eis in den Polarregionen immer schneller und beraubt damit den Eisbären am nördlichen Polarkreis ihrer Lebensgrundlage. Ihr Bewegungsradius schränkt sich massiv ein und sie haben mehr Probleme damit, Nahrung zu finden. Der letzte Bär in unserem Buch ist durch menschengemachten Müll, der es bis zu den entferntesten Orten der Welt schafft, verletzt und scheint jetzt der einzige Bär auf der ehemals sehr belebten Bäreninsel zu sein.
Da sich Aprils Vater keine Zeit für sie nimmt, erkundet sie auf eigene Faust die Insel und freundet sich nach und nach durch viel Einfühlungsvermögen und Geduld mit dem einsamen, aber gefährlichen Bären an. Sie lernt mit ihm zu kommunizieren und versteht, dass sie etwas tun muss, damit er überleben kann. April ist trotz all ihrer Einsamkeit, der Trauer des Vaters um den Tod der Mutter, ein positives, interessiertes und gefühlsstarkes Mädchen. Sie kennt sich mit den Problematiken des Klimawandels aus und beschließt, selbst aktiv zu werden, obwohl sie „nur“ ein einziges, kleines Persönchen ist.
Hannah Gold hat es geschafft, mit liebevollem Blick, voller Herzenswärme und Schönheit eine beeindruckende Freundschaftsgeschichte zu erzählen, die gar nicht so unrealistisch erscheint. Der Bär ist nicht zahm, sondern wild und gefährlich und doch kann man sich gut vorstellen, dass das Kind es schafft, durch seine gute Beobachtungsgabe und der Achtung von Grenzen, diesen einsamen Eisbären zu verstehen und ihm nahe zu kommen. Genauso, wie sich sie um die Beachtung durch ihren Vater immer wieder bemüht, und seine Gefühle nachzuvollziehen versucht, richtet sie einen offenen und einfühlsamen Blick auf den Bären. Sie verliert nicht dem Mut angesichts aller Ungerechtigkeiten und Rückschritte, sondern versucht, überlegt und nachhaltig zu handeln.
Diese Geschichte ist außerdem äußerst bezaubernd, vor allem, wie die unwirtliche eisige Gegend beschrieben wird, die April jeden Tag erkundet, sowie die fantastische Freundschaft eines Mädchens mit einem Bären, die miteinander spielen, rennen und Spaß haben.
Unterstützt wird diese sehr liebevolle und sensible Geschichte von ganzseitigen Illustrationen des bekannten Kinder- und Bilderbuchillustrators Levi Pinfold. Die Wildheit der Gegend und des Bären sind grandios durch die detaillierten Bilder wiedergegeben. Mit Zeichenkohle und genauem Blick werden ganz viele beeindruckende Szenen gezeigt, die sehr gut zu dieser besonderen Geschichte passen.
Fazit
Der letzte Bär ist ein sehr beeindruckendes Kinderbuch über eine starke Freundschaft, die in Zeiten des Klimawandels außergewöhnliche Taten hervorruft. Überaus sensibel, voller Gefühl und Hoffnung erzählt Hannah Gold eine wichtige Geschichte, die wunderschön und stimmungsvoll von Levi Pinfold illustriert wurde.
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