Serafin und seine Wundermaschine

Serafin und seine Wundermaschine
Serafin und seine Wundermaschine
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonAug 2006

Idee

Eine herrlich altmodische Geschichte, mit aktueller Botschaft: Lebe Deine Träume. Serafin zeigt uns, wie man mit etwas Fantasie und Geschick wunderbare Dinge erschaffen kann, die wirklich zufrieden machen.

Bilder

Ganz eigener Illustrationsstil, der sofort an die Entstehung des Buches in den 70ern erinnert. Wunderbar detailliert und phantasievoll.

Text

Der Text funktioniert sehr gut als erklärendes Element für die phantasievollen Zeichnungen. Leider stimmt die Kombination der Bilder mit Text an einigen Stellen nicht überein, was den Lesefluss stört.

[ab 5 Jahren]

Serafin, der sympathische Träumer, macht gemeinsam mit seinem Freund Plum das Unmögliche möglich und erfüllt sich, trotz der manchmal so ernüchternden Wirklichkeit, seine Kindheitsträume. Dazu benötigt er viel Fantasie und Geschick und so rettet er sich mit seinen Erfindungen vor Langeweile und vielen Widersachern.

Serafin, ein wasserscheuer, friedlicher junger Optimist mit wuscheligen Haaren und zarter Gesundheit entscheidet sich für den Beruf des Fahrkartenknipsers. Er merkt schnell dass das fehlende Sonnenlicht in der U-Bahnstation und die traurig dreinschauenden Passagiere ihm auf das Gemüt drücken. Er wird nachlässig und freut sich nur noch auf den Moment, wenn der Dienst zu Ende ist und er in seine Dachkammer zurückkehren darf. Da kann er endlich seinen Freund Plum treffen und mit ihm Maschinen oder Spielzeug basteln. Als der unglückliche Serafin einen im U-Bahnschacht gefangenen Schmetterling retten will, wird auch er selbst an die Luft gesetzt. Seine Laune bessert sich erst wieder, als er ein verfallenes Haus mitsamt einem alten Auto erbt. Plum repariert umgehend das Gefährt, das fortan als Lieferwagen für Baumaterialien aller Art fungiert. Sie bauen Tag und Nacht und geben das ganze Ersparte aus, um sich ihren Traum zu verwirklichen. Es entsteht ein ebenso traumhaftes wie ungewöhnliches Haus, das keinem anderen gleicht.

Danach ist die Kasse leer und für den Innenausbau müssen sich die beiden zunächst Geld mit einem selbstgebauten fahrenden Laden verdienen. Aber dann entsteht ein gemütliches Innenleben mit geheimnisvollen Schlupfwinkeln und unzähligen Überraschungen. Damit im Haus Musik spielt, tüftelt Serafin zwei Tag und zwei Nächte an gebrauchten Instrumenten und Kabeln und erfindet eine musikalische Wundermaschine, die auf Knopfdruck jeden Musikwunsch erfüllen kann. Die Freunde leben in Serafins Haus glücklich und zufrieden.

Doch eines Tages wird dieses Glück jäh gestört, denn ihnen wird mitgeteilt, dass eine Wohn- und Industriesiedlung aus Beton auf ihrem Grundstück entstehen soll. Ausziehen? Das scheint ganz unmöglich. Und obwohl die beiden ihr Domizil nicht räumen, entsteht um sie herum eine riesengroße Baustelle, die immer bedrohlicher wird. Serafin, der Erfinder, baut sogar einen Drachen mit glühenden Augen, der Feuer speit um alle zu vertreiben, aber der Schreck lässt schnell nach und die Bauarbeiter rücken wieder an. Da treffen die Freunde den Entschluss zu fliehen, sammeln alle Bretter die sie finden können und nageln einen riesengroßen Turm auf das Dach. Alle Drohungen können sie nicht dazu bewegen, wieder hinunter zu steigen. So klettern sie immer höher und höher und als alles Holz verbraucht ist, hat Serafin eine weitere großartige Idee: Sie lösen sich vom Turm indem sie Treppenstufen in der Luft aneinander bauen. Und so steigen Sie in den Himmel und waren bald nicht mehr zu sehen.

Zeitlos oder rückständig? Genial oder kitschig? Wenige Kinderbücher haben bei ihrer Wiederauflage so widersprüchliche Kritiken geerntet. Und tatsächlich erkennt man in diesem Buch eine ablehnende Haltung der Moderne gegenüber. Das Auto ist nicht nur besonders toll weil es das eigene ist, sondern weil es ein Oldtimer ist und daher anders als das Gros der modernen Flitzer. Sein Himmelbett mit goldenen Putten ist vom Flohmarkt und Musik kommt nicht aus dem Radio sondern aus Serafins Wundermaschine, die er aus altem Instrumentenschrott zusammengesetzt hat. Philippe Fix lässt sogar den Fortschritt, in Form von Baumaschinen und Beton, gegen Serafins nostalgische Lebensform antreten. Seinerzeit als handfeste Kritik gegen die dominierende Ausbreitung von Industrie und allzu technisierter Umwelt gedacht, funktioniert dieser Gedanke auch heute noch. Es macht das Buch sogar sympathisch und hinterlässt trotzdem nicht den Eindruck, generell gegen den Fortschritt zu stehen. Es zeigt, wie aufregend es sein kann aus alt neu zu machen und die eigene Fantasie spielen zu lassen. Es zeigt auch, wie zufrieden es machen kann, wenn man selbst anpackt und versucht, Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Serafin und Plum sind sogar bereit, ihre Ideale auch dann noch zu verteidigen als es eigentlich sinnlos geworden ist. Und siehe da, mit einer letzten zündenden Idee schaffen die beiden auch diese Hürde und entschwinden der Wirklichkeit auf einer selbstgebauten Himmelstreppe. Eine wunderbare Idee, die viel Stoff zur Diskussion liefern kann.

Den Zeichnungen, insbesondere dem Cover, erkennt man sofort an, dass sie 1967 entstanden sind. Aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Die teilweise an Monty Python erinnernden Illustrationen im Innern sind ebenso detailliert und fantasievoll, wie die Ideen in Serafins Kopf. Das muss auch so sein, wie sonst könnte man verstehen, welch ungewöhnliche Träume Serafin hat und auf welche Weise er sie mit seinen Erfindungen Wirklichkeit werden lässt. Wenn aus der Ruine eine architektonisch wahrlich außergewöhnliche Burg, mit einer riesenseifenblasenähnlichen Glaskugel oder einer begrünten Untergrundbahnstation am Tageslicht wird, dann nimmt dieser Traum durch die Bilder von Fix Gestalt an. Das gilt ebenso für die monströse Musikmaschine und den Innenausbau des Hauses. Wie ungewöhnlich anders das Leben in diesem Traumhaus ist, zeigt eine Begebenheit in der Bibliothek. Während Serafin vor dem Kamin ein Nickerchen hält, werden um Plum herum auf wundersame Art und Weise alle Gestalten der Bücher und Bilder lebendig.

Aufgrund der zeichnerischen Umsetzung kann man auch sehr gut verstehen, warum der seriöse Serafin Plum zum Freund hat. Er ist ein stets fröhlicher, kindgebliebener Rotschopf mit einem übergroßen Streifenpulli, der ihm bis an sein Kinn reicht. In diesem Pullover sind außer seinem Hamster Herkules noch unzählige andere Gegenstände, wie Lolli und Taschenlampe beheimatet.

Für Kinder manchmal etwas schwierig nachzuvollziehen ist die Reihenfolge der Bildbeiträge. So wird, scheinbar aus Platzgründen, ein ganzseitiges Bild gezeigt, dessen Text erst auf der folgenden Seite unten zu lesen ist. Die quer über zwei Seiten laufende Episode des Schmetterlingsfangversuchs im U-Bahnschacht ist sogar durchnummeriert, um die Abfolge besser zu verstehen. Letztendlich bringt das aber den Verlauf der Geschichte nicht durcheinander, denn diese entwickelt sich interessant bis zum absoluten Spannungshöhepunkt, der Flucht vor dem Gesetz.

Serafin und seine Wundermaschine verdient es unbedingt wieder neu entdeckt zu werden. Vielleicht benötigt es dazu die Hilfe der heute erwachsenen Enddreißiger, die mit diesem Titel aufgewachsen sind.

Fazit:

";Serafin und seine Wundermaschine"; ist ein etwas anderes Märchen, das zeigt, dass man bei aller Vernunft erst wirklich zufrieden sein kann, wenn man seine Träume ernst nimmt und ihnen durch Tatkraft, gestärkt mit einer guten Portion Eigensinn, einen festen Bestandteil im Leben gibt.

Gabriele Jansen


Serafin und seine Wundermaschine

Philippe Fix, Diogenes

Serafin und seine Wundermaschine

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