Wie das Kaninchen mutig wurde
- Kerle bei Herder
- Erschienen: Juli 2006
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Muß ein Angsthase (in diesem Fall ein Kaninchen) immer ein Angsthase bleiben? Oder hilft schon einen kleiner Schubs ins kalte Wasser? Wie wichtig dabei Freundschaft und manchmal sogar eine fragwürdige Freundschaft ist, zeigt dieses wunderschöne Bilderbuch auf einfühlsame Weise.
Das kleine Kaninchen wohnt mit seinem Freund, der Katze, glücklich in einem alten Baum. Die beiden sind sich sicher: Wir sind die besten Freunde auf der ganzen Welt. Jedoch ist das kleine Kaninchen immer sehr, sehr ängstlich. Schon bei den kleinsten Geräuschen zuckt es zusammen und sucht Schutz bei seinem besten Freund. Die Katze hingegen ist stets mutig und hat vor nichts Angst, schürt aber die Angst des Kaninchens indem sie von Tigern, Riesen und Ungeheuern erzählt.
Irgendwann wird es der Katze mit ihrem Angsthasen aber doch zu bunt und sie beschließt, in die weite Welt zu ziehen, um nach einem neuen Baumhaus zu suchen. Unterwegs trifft die Katze einen Waschbären, aber der hat keine Zeit zum Plaudern. Auch die Otter sind zu sehr mit dem Fischefangen beschäftigt. Selbst der Igel, das Eichhörnchen und die Maus rennen vor der Katze weg. Während die Katze noch weiter sucht, wird das Kaninchen wach und bemerkt, daß es allein ist. Sogleich bekommt es wieder Angst. Aber es besinnt sich und faßt Mut und paßt auf. Erst jetzt bemerkt es, daß die angsteinflößenden Geräusche völlig harmlos sind: Keine Spur von Tigern, Riesen oder Ungeheuern. Furchtlos und stolz vor Freude tanzt das kleine Kaninchen am Abend vor dem Baumhaus. ";Passend"; zum Abendessen kommt die Katze mit einem Blumenstrauß zum Kaninchen zurück. Keiner hatte Zeit für sie.
Da hoffen wir als Leser und aufmerksame Zuhörer nur, daß die Katze aus ihrem Abenteuer gelernt hat, eine gute Freundschaft nur wegen einiger Unbequemlichkeiten nicht einfach aufzugeben. Zumal die Katze das Nervenkostüm ihres kleinen langohrigen Gefährten ja nun selbst arg strapaziert hat. Doch wie dem auch sei: Am Ende sitzen die beiden wieder vereint Arm in Arm in der Abenddämmerung und sind froh, einander zu haben. Und es scheint tatsächlich, dass beide etwas aus ihrer kurzen Trennung gelernt haben, denn dem Kaninchen ist nicht mehr so schnell etwas vorzumachen und die Katze wird wohl nun mit ihrem selbstbewussteren Freund noch eine Menge Spaß haben.
Mit großem Geschick entschied sich die mehrfach ausgezeichnete Autorin Käthe Recheis für zwei Tiere, die nicht treffender zu den jeweiligen Charakteren hätten gewählt werden können. Zum Einen ist dort das Kaninchen – eigentlich ein Angsthase. Es ist schüchtern, lieb und niedlich dargestellt aber es ist ängstlich und vor allem stets zu gutgläubig. Zum Anderen ist dort die Katze, die bekannte Einzelgängerin. Um gut überleben zu können, muß sie listig, so manches Mal auch egoitisch und vor allem mutig sein. Trotz dieser unterschiedlichen Charaktere sind diese beiden Tiere in dieser Geschichte die allerbesten Freunde. Mit einem gewissen Ungleichgewicht: Das Kaninchen ist von der Stärke der Katze abhängig und die Katze nutzt ihre Stärke aus, vielleicht auch um ihren Freund noch enger an sich zu binden. Natürlich verhält sich ein guter Freund nicht so wie es uns hier die Katze vorführt. Aber wir alle kennen das und es liegt eine Wahrheit darin, dass die anderen dann beginnen sich zu verändern, wenn wir uns selbst verändern. Die Katze hat dem Kaninchen – eigentlich ungewollt- die Chance dazu gegeben, diese Veränderung zu vollziehen. Und sicherlich wird auch der Katze diese Tatsache so einiges zu denken geben.
Für die ganz jungen Zuhörer könnte der Text an manchen Stellen etwas zu lang sein – aber mit entsprechenden Unterbrechungen können auch sie der Geschichte ohne weiteres folgen. Denn Käthe Recheis versteht es wunderbar mit wenigen sehr guten Dialogen den Kindern wichtige Lebenserfahrungen nahe zu bringen: Auch wenn man noch so mutig ist, kann man ohne einen guten Freund nicht leben. Einen guten Freund sollte man stets gut behandeln und ihm helfen, niemals seine Schwächen übelnehmen oder ausnutzen. Und jeder ertappt sich schon mal dabei, so zu sein wie die Katze. Käthe Recheis läßt uns darüber nachdenken und zeigt den Kindern, ebenso wie uns, daß so ein Verhalten nicht in Ordnung ist. Sie zeigt aber auch, daß man, im Falle des Kaninchens, daraus lernen und wachsen kann, um so unabhängiger und selbstbewusster durchs Leben zu gehen. Das großzügige Herz des Kaninchens ist beneidenswert. Sein Vertrauen zu seinem Freund läßt es schwierige Hürden überwinden.
Mit den farbintensiven, stimmungsvollen und immer doppelseitigen Illustrationen unterstützt Frauke Bahr die typischen Charakterzüge der Hauptdarsteller und die jeweilige Stimmung des Textinhaltes auf hervorragende Weise. Fast jedes Bild ist gespickt mit kleinen Details, die den Blick der kleinen Zuhörer gerne länger verweilen lassen, ohne sie dabei vom Wesentlichen abzulenken. Somit ist ein intensives Zuhören und Betrachten sehr gut möglich. Versöhnlich, beruhigend und beflügelnd auch das letzte Bild, welches die zwei Freunde vor Glück strahlend im Mondschein zeigt.
Fazit:
";Wie das Kaninchen mutig wurde"; gehört zu den wunderbaren Bilderbüchern, die man wegen ihres Gesamteindrucks schnell ins Herz schließt, weil man von Anfang bis Ende mitfühlt und sich mitfreut. Eine schöne zeitlose Kinderbuch- Unterhaltung für die Kleinen wie auch für die Großen.
Käthe Recheis, Kerle bei Herder
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