Was wäre der Tag ohne die Nacht?
Das Kaninchen ist noch gar nicht müde. Überhaupt nicht! Doch wenn es dunkel wird und die Nacht kommt, muss es ins Bett, schlafen, sich ausruhen. Phhh, wie langweilig. Das Kaninchen ist wahnsinnig genervt von der Dunkelheit, aber auch sehr clever. Kurzentschlossen schnappt es sich, als die Dunkelheit im Anmarsch ist, die Keksdose. Darin liegt eh nur ein einziger Keks. Mit der Dose unterm Arm geht es die Dunkelheit suchen und bietet ihr freundlich einen Keks an. Die Dunkelheit sagt nicht nein und greift in die Dose. Schwups schließt das Kaninchen den Deckel und, zack, ist die Dunkelheit in der Dose gefangen. Ein Kinderspiel! Die Dunkelheit diskutiert zwar mit dem Kaninchen, dass sie wichtig ist, doch das Kaninchen lässt sich nicht erweichen, die Dunkelheit muss in der Dose bleiben.
Doch tatsächlich scheint wahr zu sein, was die Dunkelheit behauptet: es gibt Tiere, die das Tageslicht nicht mögen und die Dunkelheit vermissen. Fledermäuse, Eulen, Füchse streifen suchend umher. Das Kaninchen bekommt zwar schlechte Laune, will die Dunkelheit aber nicht freilassen. Erst als es sieht, dass die Sonne ununterbrochen erbarmungslos auf seine Mohrrüben brennt und sie schon ganz schlecht aussehen, hebt es ein klein wenig den Deckel der Dose an…
Die Notwendigkeit des Dunkels
Um es vorwegzusagen: wer glaubt, dass mit diesem Buch das Einschlafen des Nachwuchses zukünftig einfacher und schneller klappt, sollte sich langweiligere Lektüre suchen. All denjenigen, die gemeinsam mit dem gewitzten Kaninchen entdecken wollen, wie wichtig zwei Seiten einer Sache sein können, sei dieses Buch empfohlen. Denn am Ende der kurzentschlossenen Idee des Kaninchens steht die Erkenntnis, dass Tag nicht ohne Nacht funktioniert und dass beide Zustände ihre Berechtigung haben. Ein Thema, das weiterführend umfangreich vertieft werden kann.
Zweifelsohne handelt das Kaninchen nicht nur egoistisch, sondern auch sehr unüberlegt, als es die Dunkelheit in die Keksdose sperrt. Das mag am kindlichen Übermut liegen. Allerdings ist es schade, dass die Einsicht im Unrecht gewesen zu sein, eigentlich erst dann kommt, als es selbst betroffen ist und sieht, wie sehr seine Karotten unter der Dauerbestrahlung leiden. Vorher führen das Reden und geduldige Erklären der Dunkelheit und der anderen Tiere lediglich zu schlechter Laune – immerhin ein erstes Anzeichen der Einsicht. Trotzdem wäre es schöner (wenn vielleicht auch idealistischer) gewesen, wäre die Einsicht nicht erst durch eigene Betroffenheit ausgelöst worden.
Die Geschichte ist fröhlich und mit viel wörtlicher Rede einfühlsam erzählt. Die Sätze sind kurz und gut verständlich und durchweg alle Charaktere sind sympathisch. Die wenigen Sätze sind gut lesbar auf den seitenfüllenden Illustrationen platziert, Schlüsselwörter wie Keks oder Dunkelheit und wörtliche Rede sind etwas größer geschrieben. Alle Tiere und auch die Dunkelheit sind absolute Sympathieträger, wobei das Kaninchen zudem vermenschlicht gezeigt wird (es besitzt offensichtlich eine Keksdose, darüber hinaus noch einen Stuhl, Tisch und ein Bett).
Originelles Highlight der Buchgestaltung ist sicherlich die eingeklebte, gefaltete Keksdose zum Öffnen, aus der sich die Dunkelheit in all ihrer Schönheit ergießt.
Fazit
Gegensätze ziehen sich nicht unbedingt nur an, manchmal brauchen sie einander regelrecht. Eine Erfahrung, die auch das Kaninchen machen muss, nachdem es die Dunkelheit gefangen hat – lehrreich und amüsant erzählt.
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