Das Glück liegt scheinbar doch sehr nah
Was ist eigentlich Glück? Ist es greifbar, zum Beispiel in Form eines besonders großen Eisbechers, eines günstig erstandenen Traum-Pullovers oder dem neuesten Handy? Oder ist Glück nichts Materielles, sondern eher besondere und flüchtige Momente wie ein leuchtender Sonnenaufgang, eine gelungene Überraschung, ein gelungener Witz? Nun, Glück hat scheinbar viele Gesichter und kommt manchmal ganz unvermittelt.
So erzählt im kurzen Märchen von Erich Kästner ein älterer Herr in einer verräucherten Kneipe von seinem Erlebnis mit dem Glück. Das Gespräch startet recht unvermittelt, zumindest suggeriert der namenlose Erzähler diesen Eindruck. Zwei fremde Personen sitzen sich gegenüber, als der ältere Herr anfängt laut darüber zu sinnieren, dass die Menschen schlicht dumm seien, da sie das Glück nicht richtig wertschätzen. „Das Glück ist schließlich keine Dauerwurst“, stellt er fest, woraufhin sein Gegenüber feststellt, dass das zwar stimme, er jedoch trotzdem so aussähe, als hätte er einen geräucherten Schinken zu Hause.
Bereits Wissen macht glücklich
Dieser markige Beginn leitet über zu einer phantastischen kurzen Erzählung darüber, wie dem älteren Herrn vor vielen Jahren drei Wünsche geschenkt wurden. So plötzlich, wie die Unterhaltung beginnt, so plötzlich kam er zu diesem besonderen Umstand. Damals war er viel jünger, sehr viel verbitterter und unglücklicher. Allerdings konnte er diese überraschende Gabe keinesfalls gleich wertschätzen und verschleuderte zwei Wünsche mehr oder weniger sofort. Doch anstatt sich über seine eigene Dummheit zu grämen, reichte allein das Wissen um den noch vorhandenen dritten Wunsch aus, das ihn zu einem anderen Menschen macht.
Zeit für das Glück nehmen
Innehalten, durchatmen, besinnen auf die schönen Dinge – all dies kommt im trubeligen Alltag oft zu kurz. Ein Termin jagt den nächsten und plötzlich ist der Tag, der gerade erst begonnen hatte, auch schon wieder vorbei. Nur zu häufig verlieren wir in diesem ganzen Stress die wichtigen Dinge aus den Augen, werden mürrisch und unzufrieden. Das kleine Buch Das Märchen vom Glück bietet eine kostbare Auszeit von Hektik, Stress und dem nächsten To-Do und zwar mit nachklingender Wirkung.
Sprachlich mag die Erzählung für junge Ohren etwas antiquiert wirken, allerdings passt diese aus unserer Zeit gefallene Sprache sehr gut zum Thema. Das Märchen ist textlich sehr kurz und sehr plastisch erzählt, so dass es trotz einzelner unüblicher Wörter leicht verständlich ist.
Einen frischen Anstrich bekommt es durch die tiefsinnigen Bilder von Ulrike Möltgen, die mit einer Art Collagentechnik den Figuren ein Gesicht verleiht und die märchenhafte Aura unterstreicht.
Fazit
Das Märchen vom Glück ist ein kleines, kostbares, wunderbares Buch, das nachwirkt und die Augen für das Glück öffnet, das uns bereits umgibt.
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