Patchwork für Fortgeschrittene
Dass Suri das letzte Mal glücklich war, ist schon lange her. Um genau zu sein war sie das letzte Mal glücklich, als ihre Eltern noch zusammen und sie eine Familie waren. Doch seit ihr Vater ausgezogen ist und mit seiner neuen Freundin Miranda ein Kind erwartet, hat sich für Suri und ihre Brüder Erik und Bjarne alles geändert. Als dann auch noch ihre Mutter Klaas kennenlernt und sie ihr gewohntes Zuhause verlassen und zu ihm aufs Schloss ziehen sollen, bricht für die drei Kinder eine Welt zusammen. Sie fühlen sich ein weiteres Mal einfach übergangen, sodass ihre Mutter schließlich einen Deal mit ihnen abschließt: Wenn es ihnen auch nach einem halben Jahr nicht in ihrem neuen Zuhause gefällt, ziehen sie zurück in ihr altes Haus. Widerwillig lassen sich die drei auf das Experiment ein, schließlich sind sechs Monate eine überschaubare Zeit. Dass Klaas auch noch eine Tochter hat, macht die Sache nicht einfacher, noch weniger, dass sie sehr „besonders“ ist, denn Amy hat das Down-Syndrom…
Amy hingegen freut sich. Die neue Freundin Theo von ihrem Vater Klaas ist ihr sofort sympathisch. Am liebsten hätte sie es, wenn sie direkt bei ihnen einziehen würde. Zwar lebt sie eigentlich nur jedes zweite Wochenende bei ihm, doch als bei ihm mit Teddy noch ein kleiner Welpe einzieht, möchte sie viel lieber nur noch jedes zweite Wochenende zu ihrer Mutter und ansonsten bei ihrem Vater wohnen, wo zudem auch noch ihre geliebten Pferde leben. Als sie erfährt, dass Theo bald wirklich bei ihnen einziehen wird und auch noch ihre drei Kinder, die in ihrem Alter sind, mitbringt, ist die Freude perfekt. Vielleicht findet sie in Erik, Suri und Bjarne ja die Freunde, die sie sich schon so lange wünscht?
Eine Familie werden – gar nicht so einfach
Seit vielen Jahren schreibt Monika Feth Bücher, die vom Kinderbuch bis zum Jugendthriller reichen und auch von vielen Erwachsenen noch gerne gelesen werden. Bei Randvoll mit Glück handelt es sich um einen Roman, der sich an Kinder ab 10 Jahren richtet, aber auch für Jugendliche noch interessant sein kann. Thematisch stehen dabei mehrere Probleme im Vordergrund, die abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonistinnen Suri und Amy erzählt werden. Zunächst erfolgt ein großer Teil aus Suris Sicht, in der ihre Gefühle zur Trennung und den neuen Lebensgefährten der Eltern im Vordergrund stehen. Dabei wird deutlich, wie schlecht sie noch immer mit der Situation zurechtkommt und wie sie und ihre Geschwister weiterhin die Hoffnung haben, die Eltern könnten doch wieder zusammenkommen und alles wieder wie früher werden.
Der nächste große Abschnitt wird aus Amys Perspektive erzählt, wobei ihre ganz besondere Sicht auf die Dinge gut nachvollziehbar wird. Sie ist impulsiv, schwankt zwischen überglücklich und kann auch tief traurig sein. Vorgänge zu durchblicken gelingt ihr teilweise nicht so gut, sie nimmt alles so, wie es kommt, wobei ihr Veränderungen schwerfallen. Oft stößt sie an ihre Grenzen und hadert mit dem Down-Syndrom, das sie nicht mit anderen Kindern mithalten lässt, was diese sie oft auch deutlich spüren lassen. Sie möchte einfach nur „normal“ sein, nicht tollpatschig, kein Wortchaos im Kopf haben und genauso schnell denken können wie alle anderen.
Zwei Welten prallen aufeinander
Ab dem Zeitpunkt des Zusammenziehens werden die Kapitel abwechselnd aus der Perspektive der beiden Mädchen erzählt, wobei deutlich wird, wie unterschiedlich die beiden die Situationen wahrnehmen. Suri fühlt sich durch ihre neue Stiefschwester zurückgedrängt und sie geht ihr auf die Nerven, Amy hingegen findet Suri toll und sucht ihre Freundschaft. Als Leser fällt es einem aufgrund dieses Perspektivwechsels nicht schwer, sich in die beiden Figuren hineinzuversetzen und die Gefühle und Sichtweisen beider nachzuvollziehen. Man kann beide verstehen, fühlt mit ihnen mit und hofft, dass beide am Ende zueinander finden.
Monika Feth gelingt es überzeugend, die Welt aus der Sicht eines Mädchens mit Down-Syndrom zu beschreiben, das sich seiner „Besonderheit“ bewusst ist und dem seine Grenzen immer wieder schmerzlich vor Augen geführt werden. Durch Amys emotionale und direkte Art, mit der sie ihre Gefühle offen zeigt, eckt sie bei vielen Kindern an, wohingegen die meisten Erwachsenen sie wegen ihrer Herzlichkeit ins Herz schließen. Das Buch hilft dabei, Menschen mit ihren Besonderheiten zu verstehen und zu akzeptieren, was ohne erhobenen Zeigefinger gelingt. Denn auch Suris Verhalten, ihre Eifersucht auf die Stiefschwester, ihr Hadern mit der Trennung der Eltern und ihr Zurückgesetztfühlen als „Zwischenkind“, wie sie ihre Position zwischen älterem und jüngerem Bruder empfindet, machen nachvollziehbar, warum sie sich gegenüber ihrer Stiefschwester oft unfair verhält.
Durch die verschiedenen Perspektiven, vielseitige Charaktere, eine tolle Kulisse mit Schloss, Pferden und jungem Hund ist die Geschichte abwechslungsreich und spricht Kinder thematisch an. Die Themen Inklusion, Trennung der Eltern, Patchworkfamilie und Zwist mit den Geschwistern sind alltagsnah und betreffen in einem oder mehreren Punkten viele der jungen Leserinnen und Leser, sodass es nicht schwerfällt, sich mit den Figuren zu identifizieren und ihre Sichtweise zu verstehen.
Fazit
Ein gelungener Roman, der durch seine abwechselnde Erzählweise einen vielschichtigen Blick auf die Themen Inklusion, Patchwork und Freundschaft vermittelt und zeigt, welche Chancen sich aus all den Schwierigkeiten ergeben können und wie sich Zusammen viele Hürden überwinden lassen!
Deine Meinung zu »Randvoll mit Glück«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!