Ein Menschenmädchen und ein Kater als Ermittlerduo.
Die zwölfjährige Leonie Liebig und ihr fünfjähriger Kater Bobby, schwarz-weiß, mit bernsteinfarbenen Augen und einer Kerbe im Ohr, sind unzertrennliche Freunde seit sie sich das erste Mal im Tierheim Pfoten-Arche getroffen haben und sofort wussten, dass sie zusammengehören. Sie verständigen sich über Blicke, Laute und Zeichen und sind so vertraut miteinander, dass Beobachter oft nur staunen können, wenn Bobby sich verhält, als würde er genau verstehen, was Leonie sagt.
Teeniealltag auf dem Dorf
Zusammen mit ihren Eltern und Bobby lebt Leonie in einem kleinen Dorf, in dem es bis auf einige wenige Läden und einen Hühnerhof nicht viel gibt. Der „Dorfadel“, die arroganten Geschäftsinhaber, interessieren sich nur für sich und den eigenen Gewinn und spenden auch nichts, um das Tierheim, das dringend renoviert werden müsste, zu unterstützen.
Leonies Mutter arbeitet bei der örtlichen Zeitung und ihr Vater kümmert sich um Haus und Garten.
Seit vor einigen Monaten neue Nachbarn auf die Straße gezogen sind, hat er mit dem perfektionistischen Herrn Petersen dabei in Sachen Ordnung ein unerreichbares Vorbild.
Dessen Sohn Oskar ist ein halbes Jahr älter als Leonie und beide gehen in die gleiche Klasse. Manchmal wundert sie sich über sein Verhalten, zum Beispiel, dass er fraglos immer den Anweisungen seines peniblen Vaters folgt oder wie er fast panisch reagiert, wenn er nicht zu den genau festgelegten Mahlzeiten pünktlich zu Hause ist.
Leonie zieht Katzen generell Menschen vor, aber mit seinen blonden Wuschelhaaren und den Sommersprossen findet sie Oskar eigentlich ganz sympathisch. In Sachen Freizeit kommen sie allerdings nicht überein. Oskar springt Trampolin und trainiert Parkour, während Leonie leidenschaftlich und supergut Fußball spielt.
Einbrechecherjagd in guten Händen und Pfoten
Mit der Ruhe im Dorf ist es schlagartig vorbei, als sich eine Serie von merkwürdigen Einbrüchen ereignet, bei denen die Täter keine Spuren hinterlassen und immer nur die wertvollsten Dinge mitnehmen. Auf diese Weise bekommt Frau Liebig endlich wieder einmal eine richtige Story für die Tageszeitung. Leonie hat, seit Bobby sie in einer Nacht zuvor aufgeweckt hat, allerdings ganz andere Probleme. Das Auto der Nachbarn parkte nicht in der Garage und durch das Fenster konnte sie beobachten, wie Herr Petersen Oskar schrecklich anbrüllte. während seine Mutter einfach daneben stand. Außerdem hat sie bei ihm einen Bluterguss am Arm bemerkt, so dass sie sich langsam wirklich Sorgen macht. Zumindest irgendetwas passt nicht im Nachbarhaus, denn Bobby knurrt immer, wenn er in die Nähe zu dessen Bewohnern kommt, und auf sein Gespür ist Verlass.
Um herauszufinden, was bei Familie Petersen vor sich geht, legt sich Leonie zusammen mit ihrem Kater nachts auf die Lauer und was die beiden dabei beobachten, scheint eindeutig. Wenn Leonie Bobby dann noch als Erkundungskommando in den Nachbargarten schickt und der Detektiv auf leisen Pfoten, verdächtiges an Oskars Trampolin entdeckt, stecken die Freunde mitten in spannenden Ermittlungen, die absolut Erstaunliches zu Tage fördern.
Realistische und gut lesbare Darstellung
Lange Krallen ist ein Buch des Autorengespanns Oliver Uschmann und Sylvia Witt, aus dessen Zusammenarbeit schon einige Kinder- und Jugendromane hervorgegangen sind. Gemeinsam mit zwei Katern leben sie, wie ihre Protagonistin, in einem Dorf auf dem Land und bilden daher mühelos und sehr stimmig, mit lebendig und realitätsnah beschriebenen Schauplätzen, diese besondere Atmosphäre zwischen Idylle und Verschlafenheit ab. Ebenso gut geben die Autoren ihren Charakteren Kontur, so dass sich eine Identifizierung mit den Personen schnell einstellen kann.
Besonders gilt das für die Hauptfigur Leonie, die sehr selbstständig und selbstbewusst agiert und ihren Alltag meistert, nicht nur auf dem Bolzplatz, wo sie sich als einziges Mädchen unter ihren Mitschülern behauptet. Zu Geschehnissen in ihrem Umfeld hat sie ihre eigene Sicht und geht mit Empathie und Engagement gegen Missstände vor. Sympathisch macht Leonie vor allem der respektvolle Umgang mit Kater Bobby. Er gehört ihr nicht, er ist ihr Freund und wird so bei den unfreiwilligen Ermittlungen zu ihrem idealen Partner.
Der Krimi-Plot ist spannend aufbereitet und findet eine etwas schräge Auflösung. Unaufdringlich lassen die Autoren auch gesellschaftliche Themen wie Tierschutz oder Altersarmut anklingen und zeigen mit Leonies Eltern ein bis heute doch eher unübliches Familienmodell. Gut zu lesen und verständlich geschrieben, entspricht die Erzählung genau dem Sprachniveau der anvisierten Zielgruppe. In lockeren Abständen ergänzen Illustrationen mit Comic-Charakter, die durch kleine Details besonders authentisch wirken, in schwarz-weiß den Text.
Fazit
Ein ideenreicher Kinderkrimi mit einem Fall voller Überraschungen und geschickten Ermittlern, die sich mit Krallen und Köpfchen auf die Spur der Langfinger begeben. Spannend, schräg und sympathisch. Schön, wie dabei Freundschaft und gesellschaftliches Engagement als positive Werte dargestellt werden.
Oliver Uschmann, Sylvia Witt, Gulliver
Deine Meinung zu »Lange Krallen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!