Ein hochaktuelles Buch, das unter die Haut geht
Ostpreußen, Winter 1944/45. Es herrscht Krieg und die Front rückt immer näher. Die Familie Wolf, bestehend aus den Großeltern, der Mutter (der Vater wurde als Soldat bereits eingezogen) und den drei Kindern Liesl, Otto und der kleinen Mia, beschließt, alles stehen und liegen zu lassen, und zu fliehen, um dem Feind nicht in die Hände zu fallen. Zuerst müssen sie die Großeltern hinter sich lassen, dann werden die Kinder auf der Flucht von der Mutter getrennt. Ein gnadenloser Kampf ums nackte Überleben beginnt.
Solche „Wolfskinder“ gab es wirklich, bezeichnet man doch mit diesem Begriff die tausenden von Kindern, die in den Wirren des Krieges ihre Eltern verloren oder von ihnen getrennt wurden und so auf sich gestellt, in Ostpreußen zurückblieben und sich alleine durchschlagen mussten.
Die historischen Ereignisse geben den Spannungsbogen vor, der Leser fiebert mit Liesl und ihren Geschwistern mit, ob es ihnen gelingen wird, zu überleben, als sie zum Beispiel auf russische Soldaten oder andere „Wolfskinder“ stoßen, die ihnen nicht wohlgesonnen sind. Die Geschichte wird aus Liesls Sicht erzählt und diese Wahl der Ich-Perspektive und eine klare Sprache verleihen den geschilderten Ereignissen eine berührende Unmittelbarkeit.
Als älteste Schwester hat sie ihrer Mutter versprochen, dass sie auf die jüngeren Geschwister, den 7-jährigen Otto und die zwei-jährige Mia, aufpassen wird und diese Aufgabe nimmt sie sehr ernst. Ein großes Anliegen ist ihr, dass sie trotz der widrigen Umstände nicht verwahrlosen, weshalb sie zum Beispiel darauf besteht, Schulunterricht zu halten, als sie einen geeigneten Lagerplatz gefunden haben.
Dem jungen Leser wird auf eindringliche Weise bewusst, was es bedeutet, als Soldat für sein Heimatland zu kämpfen und zu sterben, als Liesl, noch zu Hause, beobachtet, wie eine Nachbarin darauf reagiert, als sie Nachricht erhält, dass ihr Sohn gefallen ist. Beeindruckend ist auch die Schonungslosigkeit, mit der der harte Überlebungskampf der Geschwister geschildert wird. So werden etwa Eier aus Vogelnestern gestohlen und roh verschlungen. Das Ende gelingt dagegen sehr versöhnlich.
Hervorzuheben sind auch die schlichten Illustrationen von Martina Heiduczek, die durch ihre Kargheit und Schnörkellosigkeit bestechen und die eindringliche Grundstimmung zwischen Bedrohlichkeit und Hoffnung dieses Kinderbuches hervorragend unterstreichen.
Fazit
Ein Kinderbuch, das seine Leser nicht gleichgültig lässt, sondern noch lange nachwirkt, indem es ihm gelingt, ein schwieriges Thema kindgerecht aufzubereiten.
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