[ab 5 Jahren]
Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*, Kinderbuch des Monats (12.2004). Ein kleiner Junge nimmt uns mit auf seiner Suche nach den Antworten des Lebens. Auf dieser philosophischen Mission erfahren wir, worauf es im Leben wirklich ankommt – ganz ohne moralisierenden Unterton und Belehrungen. In dem Bilderbuch zum Vorlesen nach dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi, wird eine wahrhaft wunderbare Welt der Stille offenbart; sie ist niemals effektheischend und dennoch so spannend, daß sie uns schnell gefangen nehmen wird.
Das Bilderbuch zum Vorlesen von Jon J Muth erzählt die Geschichte des Jungen Nikolai, der drei Freunde hat: Sonja, den Reiher, Gogol, den Affen und Puschkin, den Hund. Ihnen drei stellt er die drei Fragen: Wann ist die beste Zeit etwas zu tun? Wer ist der Wichtigste? Was ist die richtige Entscheidung? Die drei Freunde beantworten ihm diese drei schwierigen Fragen sofort – jeder nach seinem Naturell, versteht sich. Nikolai aber spürt, dass es nicht die Antworten sind, die er sucht und macht sich auf den Weg zu der alten, weisen Schildkröte Leo. Jedoch bekommt er hier nicht sofort die gewünschten Antworten und als Nikolai und Leo gerade vor einem Unwetter Schutz suchen wollen, hört Nikolai einen Hilfeschrei aus dem nahen Wald. Schnell rennt er in den Wald und findet ein verletztes Pandaweibchen. Der Junge trägt das verletzte Tier in Leos Hütte und versorgt es. Als die Bärin aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht, fragt sie sogleich nach ihrem Kind. Schnell läuft Nikolai abermals in den tosenden Sturm hinaus und rettet auch das Kind. Nachdem Mutter und Kind wieder glücklich vereint sind, setzt sich Nikolai vollkommen erschöpft auf den Boden. Leo legt ihm eine Decke um und reicht ihm warmen Tee. Die alte Schildkröte lächelt wissend. Am nächsten Tag, der wieder hell und freundlich ist, fühlt Nikolai einen tiefen inneren Frieden und er freut sich über die Ankunft seiner drei Freunde, die zu ihm geeilt sind, um sich zu vergewissern, daß es ihm nichts zugestoßen ist. Aber dennoch ist er enttäuscht, denn die Antworten auf seine drei so wichtigen Fragen hat er noch immer nicht erhalten. Als er die alte Schildkröte abermals fragt, meint sie, daß Nikolai seine drei Fragen bereits selbst beantwortet hat...
Die wunderbare Erzähldichte der Illustrationen nimmt die kleinen und großen Betrachter gefangen. Die Bildsprache des Autors und Illustrators Jon J Muth ist voller Symbolik, die, kommt man ihr auf der Spur, diese stille Welt noch kostbarer macht. Der rote Drachen, der auf fast allen hellen, ruhigen Aquarellzeichnungen zu sehen ist, steht für die drei Fragen. Am Anfang der Geschichte schwebt der Drachen ganz weit oben, ganz weit weg von Nikolai, und symbolisiert seine mentale Distanz. Auf dem Weg zur alten Schildkröte hält der Junge seinen Drachen unter dem Arm: Die Fragen sind ihm nun ganz nahe und er geht deren Beantwortung mit aller Entschlossenheit an. Während des Sturms aber ist der Drache nicht zu sehen denn Nikolai hat gar keine Zeit, sich über seine eigenen Belange Gedanken zu machen - er muß zwei Leben retten. Am daraffolgenden Tag hält Leo, die alte Schildkröte, die Drachenleine fest. Er ist bereit, dem Jungen seine ersehnten Antworten zu geben... Der rote Drachen schwebt in der Weite des Himmels und der Berge – man sieht in dieser weiten Welt nur die leuchtendrote Raute, den Drachen, und darunter die Antworten. Dieses Bild vermittelt Freiheit und Frieden, leert den Kopf von wirren Bildern, läßt uns wieder mit den Füßen auf der Erde stehen und mit dem Kopf die kühle des Himmels spüren. Ganz am Ende liegt der rote Drachen beinahe auf einer Achse mit den vier Hauptdarstellern: Die Fragen sind beantwortet und die erlangte Weisheit liegt nun ganz in ihnen. Nur schemenhaft dargestellt, wird auf dieser Illustration der Eindruck erweckt, als würden sie auf Wolkenbergen gehen – und sie wirken dabei sehr glücklich.
Ebenso beeindruckend, neben der Symbolik des Drachen, ist auch die Dramaturgie der Bildsprache und deren Farbkompositionen. Beginnt die Geschichte eher hell und unbeschwert an den Ufern eines weiten Strandes, so nimmt sie eine heftige Wendung, als Nikolai zur Rettung in den Wald aufbricht. Diese Zeichnung befindet sich, im Gegensatz zu den meisten anderen Darstellungen, auf einer Doppelseite und der Übergang mit seinem Spannungsbogen ist mitreißend dargestellt: Nikolai läuft aus einer zwar stürmischen aber noch hellen Umgebung in den dunklen Wald. Die Pandabärin ist in dieser bedrohlichen Umgebung mit ihrem kontrastreichen Fell sehr gut zu sehen. Die Darstellungen der darauffolgenden Bilder wirken wie filmisch umgesetzte Momentaufnahmen. Sie wirken sehr nahe, auf gewisse Weise sogar realistisch und vermitteln eine ganz und gar überzeugende Dichte und Intensität: Sie beschreiben in ihrer ganz eigenen Bildsprache die wohl einschneidendsten Momente im Leben des Jungen. Hier ist Jon J Muth ein wahres Meisterwerk der Atmosphäre geglückt. Sehr berührt hat mich persönlich die Illustration des Jungen, wie er nach der Rettung vollkommen erschöpft auf dem Boden sitzt. ";Leo lächelte, als er sah, was der Junge getan hatte"; - und die Schildkröte hält ihm so wissend und liebevoll lächelnd die die dampfende Tasse Tee hin, daß sich dieses Bild sehr einprägt. Die Zeichnung wirkt so realisitsch und nah, daß sie es vermag, auch in unseren Herzen einen Moment der Stille und des Innehaltens entstehen zu lassen. Auf beide, Nikolai und Leo, fällt ein warmes Licht, dessen Quelle nicht auszumachen ist. So wie der Junge auf dem Boden sitzt, die Hände auf den Knien, die Augen geschlossen, den Kopf gesenkt, das Licht auf seinen Haaren und seinem Gesicht, kann man sich dem Eindruck eines Erleuchteten fast nicht erwehren. Der neue Tag bricht für Nikolai hell und unbeschwert an, dem Pandaweibchen geht es besser und seine Freunde sind auch gekommen: Die vorher sehr intensiven Aquarellzeichnungen zeigen sich nun konstrastarm und hell. Die Bildsprache wird wieder klar und akzentuiert, als wir alle die Antworten auf die drei Fragen erhalten: In der Weite der Berge liegt zu Füßen der Text, dort ist ein kräftiger Grauton vorherrschend, während der Drache in luftiger Höhe schwebt in dem Weiß der Berggipfel und dem kräftigen, strahlenden Blau des Himmels.
Ein hohes künstlerisches Niveau zeichnet dieses philosophische Bilderbuch aus. Die Charaktere, sind eindringlich und nahe, sie wirken realisitsch dargestellt ohne ihren Zauber vermissen zu lassen. Die Bilderwelt schafft es im gesamten Buch, uns die Ruhe zu geben, die philosophischen Fragen sacken zu lassen, um das, was passiert, auch mit unserem Herzen verstehen zu können.
";Die drei Fragen"; wird mit viel Gefühl und Liebe erzählt. Die Sprache ist leicht und dabei dennoch tiefgründig. Der Text unterstützt die Dramaturgie der Bilder und hält sich an manchen Stellen geschickt zurück. Es ist für die kleinen Leser ein sehr wertvolles Buch, das sich einer durchaus kindgerechten Sprache bedient, ohne auch nur ansatzweise simpel zu wirken. Vom Situationswitz bis hin zur Spannung pur, bietet das Buch neben seinem hohen philosophischen Auftrag alles, was die Aufmerksamkeit unserer Kinder bannen kann. ";Die drei Fragen"; von Jon J Muth ist ein Buch das man nicht vergisst, ein Buch das unseren Kindern eine Botschaft auf den Weg geben kann, die in unserer hektischen Welt innehalten lässt, den Boden gibt zum festen Stand und zum inneren Frieden.
Fazit:
Ein ganz und gar wunderbares Buch, denn es berührt in seiner gesamten Aussage und stimmt nachdenklich. Ein Buch, das die Botschaft der Nächstenliebe einmal ganz anders übermittelt und nicht zuletzt die Frage nach dem allergrößten Warum unseres Lebens beantworten kann.
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