Normal um jeden Preis?
Bisher war Norman ein ganz normaler Junge, der wie andere Kinder gerne Eis isst, Drachen steigen lässt oder mit seinem Hund spazieren geht. Doch dann passiert es, ihm wachsen Flügel, die er zunächst auch total super findet, denn es macht ihm großen Spaß, mit ihnen wie ein Vogel durch die Luft zu fliegen. Doch als er abends nach Hause muss, bekommt er ein ganz komisches Gefühl und fragt sich, wie seine Eltern wohl auf die unerwarteten Flügel reagieren werden, schließlich war er immer ganz normal und seine Eltern würden bestimmt weiterhin auch einen normalen Jungen erwarten.
Zuhause angekommen schnappt er sich vor lauter Unbehagen schnell seine Jacke, unter der er seine neuen Flügel gut versteckt. Von nun an sieht man Norman nur noch mit seiner gelben dicken Jacke, egal ob im Schwimmbad, auf dem Spielplatz oder in der Badewanne. Der kleine Junge wird von Tag zu Tag unglücklicher, was jedoch nicht an den Flügeln, sondern viel mehr an seiner gelben Jacke liegt. Ob er irgendwann den Mut finden wird, seine Jacke auszuziehen und zu seinen Flügeln zu stehen?
Was ist eigentlich normal?
Für viele Kinder ist es ganz wichtig, so zu sein wie alle anderen, schließlich will man dazu gehören und das scheint nur zu gehen, wenn man der „Norm“ entspricht. Doch wie sieht diese „Norm“ aus? Müssen Mädchen rosa tragen, Jungen kurze Haare haben und Fußball toll finden? Ist es wichtig zu wissen, was in der beliebten Zeichentrickserie mit der Hundebande passiert, um mitreden zu können? Für viele Kinder wird die Antwort wahrscheinlich „ja“ lauten, doch Tom Percival zeigt mit seinem Buch, dass man manchmal gar nichts dazu kann, wenn man „anders“ ist, schließlich hat Norman sich nicht ausgesucht, dass ihm Flügel wachsen.
Die Geschichte zeigt, je mehr Norman sich versteckt und versucht, „normal“ zu sein und den Erwartungen zu entsprechen, desto einsamer und unglücklicher fühlt er sich. Als er endlich entschließt, sich zu zeigen, geht es ihm endlich wieder gut und plötzlich trauen sich auch andere Kinder, zu ihren Flügeln zu stehen. Die Reaktion der Eltern, vor der Norman auch große Angst hatte, fehlt leider. Hier wäre es schön gewesen zu sehen, dass sich in ihrer Liebe zu ihm auch durch ein Paar Flügel nichts ändert. Die Idee, als „unnormales“ Element etwas zu wählen, was es nicht gibt, ist gut, da so alle Kinder gleichermaßen angesprochen werden und nicht die Gefahr besteht, dass beispielsweise, wenn die Scham durch eine Brille ausgelöst wird, sich ein Kind mit Brille durch das Lesen der Geschichte schlecht fühlt.
Gestaltung
Die Geschichte richtet sich an Kinder ab vier Jahren, was auch im Wesentlichen passt. Im Fokus des Buches stehen vor allem die Bilder, die von kurzen und einfachen Texten begleitet werden. Dadurch, dass es sich um eine Beispielgeschichte handelt, die einige Fantasieelemente aufweist, muss sie vor dem Verstehen der Botschaft zunächst auf das „echte“ Leben transferiert werden, was nicht allen Kindern in diesem Alter leichtfällt. Sie lässt sich jedoch gut als Gesprächsanlass verwenden, um das Thema „normal“ mit Kindern zu besprechen.
Die Illustrationen sind teilweise schwarz-weiß, wobei dann einzelne Elemente wie die gelbe Jacke, die Flügel oder fliegende Vögel bunt hervorgehoben und somit in den Fokus gerückt werden. Erst als Norman seine Jacke auszieht und zu seinen Flügeln steht, wird auch die ganze Welt um ihn herum bunt. Die Figuren wirken sympathisch, es fällt nicht schwer, Normans Gefühle im Laufe der Geschichte in seinem Gesicht abzulesen und zu erkennen, wann er glücklich und unglücklich ist.
Fazit
Insgesamt eine schöne Geschichte, die das Thema „normal“ auf anschauliche Weise thematisiert. Die Botschaft ist jedoch etwas versteckt, sodass einige Kinder sie wahrscheinlich erst durch Gespräche verstehen werden.
Deine Meinung zu »Ganz normal, oder?«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!