Von Höhen und Tiefen
Der Angebär ist, wie der Name bereits vermuten lässt, ziemlich angeberisch unterwegs. Von sich selbst überzeugt, stolziert er ohne Rücksicht auf andere Tiere oder Pflanzen durch den Wald. Er ist der Mittelpunkt der Welt, das wichtigste Lebewesen, alle anderen zählen nicht. Die Bitten anderer Tiere, doch etwas vorsichtiger und umsichtiger zu sein, ignoriert er. Wo der Angebär langläuft, hinterlässt er eine Schneise der Verwüstung. Sogar auf die Schildkröte tritt er, da nach unten gucken natürlich unter seiner Würde ist.
Doch eines Tages trifft er auf den Elch und wo der Elch steht, da steht er nun mal. Dagegen kann auch der Angebär nichts machen. Er probiert natürlich, den Elch aus seinem Weg zu räumen, doch sooo stark ist der angeberische Bär dann doch wieder nicht. Im Gegenteil. Also muss er wohl oder übel um den Elch herumlaufen und während er ihm noch überheblich die Zunge rausstreckt und die gut gemeinten Ermahnungen des Elchs nur mit einem überheblichen Gesichtsausdruck quittiert, strauchelt und stolpert er und purzelt schließlich einen steilen Abhang hinunter. An dessen Ende wartet eine tiefe und dunkle Senke auf den Bären und dort sitzt er dann ziemlich lädiert und verdreckt.
Nun könnten die anderen Tiere ihn einfach dort sitzen lassen – verdient hätte es der Angebär allemal. Doch der weise Elch überzeugt die Tiere, dass sie dem Angebär besser helfen sollten. Gemeinsam befreien sie ihn aus seinem Verlies und, siehe da, ans Tageslicht kommt ein völlig gewandelter Bär, der sich seitdem umsichtig und rücksichtsvoll durch den Wald bewegt.
Hochmut kommt vor dem Fall
Natürlich bietet sich diese Redewendung hervorragend an, plastisch erzählt und gezeichnet zu werden. Die Handlung ist daher ziemlich vorhersehbar und leider auch nicht besonders innovativ oder einfallsreich ausgebaut, erfreut Kinder jedoch allemal. Begleitet von kurzen Texten zeigen die großformatigen Illustrationen slapstickartige Szenen, die der Geschichte etwas mehr Lebendigkeit verleihen.
Die Bilder zeigen sympathische Tiere, die durchaus Identifikationspotenzial haben, auch wenn ihr Charakter aufgrund der Kürze des Buches im Text nicht besonders ausgebaut ist. Grundsätzlich hätte die Handlung eine sprachliche Aufwertung gut vertragen. Das Spielerische, das der Titel assoziiert, findet sich im Text nicht überzeugend wieder. Er beschränkt sich auf das absolut Notwendigste, ohne Raffinesse oder einer emotionalen Ebene, die sich aufbauen könnte.
Dass Fuchs, Bär, Schildkröte, Schlange und Elch zusammen in einem Wald wohnen, ist konstruiert und wirkt nicht überzeugend, auch wenn das Kindern vermutlich nicht so wichtig ist. Die Tiere sprechen schließlich auch. Dennoch ist hier vielleicht der Anspruch, möglichst Kinder in vielen Breitengraden ansprechen zu wollen, etwas übers Ziel hinausgeschossen. Das trifft ebenso auf den Titel zu. „Angebär“ lässt viel erwarten, leider ist das Wortspiel nicht überzeugend ausgebaut oder kreativ genutzt worden. Es wirkt vielmehr unpassend, denn statt angeberisch ist der Bär eher egozentrisch und rücksichtslos. Von daher wurde die große Erwartungshaltung, die der Titel erweckt, nicht erfüllt und Potenzial verschenkt. Gleichwohl ist es ein kurzweiliges und unterhaltsames Buch, das Kindern deutlich zeigt, dass Rücksichtslosigkeit ihren Preis hat.
Fazit
Wer sich wie der Angebär durchs Leben bewegt, wird wahrscheinlich irgendwann böse aufwachen. Kurzweilig und unterhaltsame Geschichte mit einer großen Prise Lebensweisheit.
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