Insu-Pu. Die Insel der verlorenen Kinder
- Jungbrunnen
- Erschienen: April 2006
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In Urbien herrscht Krieg. Deshalb bekommen viele urbische Kinder die Möglichkeit, nach Terranien, einem vom Krieg nicht betroffenen Land, in Sicherheit gebracht zu werden. Doch während der Überschiffung läuft ein Passagierschiff auf eine Mine und sinkt. Schnellstens werden die Kinder des sinkenden Schiffes auf Rettungsboote verteilt. Doch in der entstehenden Hektik bemerkt die Besatzung des Schiffes nicht, dass sich ein Rettungsboot losreisst und mit elf Kindern abtreibt...
Was wie ein Albtraum für die Schiffbrüchigen beginnt, wird zu einem Abenteuer für die Darsteller des Buches und die Leser. Mira Lobe spinnt eine fesselnde Geschichte um die Organisation eines ";Kinderstaates", der sich aus den elf Schiffbrüchigen neu gründet und verdeutlicht den Lesern, wie wichtig die Rolle jedes einzelnen ist.
Nach einiger Zeit strandet das Boot mit den ";verlorenen Kindern" am Ufer einer unbewohnten Insel. Nun ist es an den Kindern, sich zu organisieren. Denn wer weiß schon, wann und ob sie gerettet werden?! Schnell ist ein ";Anführer" gefunden: Oliver ist nicht nur das älteste Kind, er ist auch Pfadfinder und kann den anderen Kindern so manches beibringen. Auch für Sepp, mit seinem handwerklichen Talent, ist schnell klar, dass seine Aufgabe der Bau der Hütte und der Möbelstücke ist. Diana, das Zirkuskind, ist geradezu prädestiniert dafür, auf Bäume und Palmen zu klettern, um Früchte zu ernten. Lina und Katrin übernehmen die Versorgung des ";Kinderstaates" und selbst die unscheinbare Baroness Claudia, die von sich selbst behauptet, sie sei zu nichts nütze, entpuppt sich als sehr geschickt und einfallsreich.
Nach und nach wachsen die Kinder zu einem gut funktionierenden System zusammen, sorgen füreinander und merken, dass sie gemeinsam viel mehr erreichen können, als alleine. Aus der Not, auf einer einsamen Insel gestrandet zu sein, entwickeln die Schiffbrüchigen eine Tugend, gewöhnen sich langsam an die Umstände und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. So wird aus der namenlosen Insel die "Insula puerorum", die Insel der Kinder, kurz: Insu- Pu.
Während sich der Kinderstaat organisiert, glaubt in Terranien kaum noch jemand daran, dass die elf Kinder überlebt haben könnten. Nur Michael, der Enkel des Präsidenten, will die Hoffnung nicht aufgeben und setzt alles daran, die Schiffbrüchigen zu finden. Und dann erfährt er von einem Flugzeugabsturz über einer kleinen Insel. Ob es ihm mit Hilfe des überlebenden Piloten gelingt, die Erwachsenen davon zu überzeugen, dass die Kinder überlebt haben?!
Mira Lobe spinnt eine fesselnde Geschichte, die man kaum wieder aus der Hand legen möchte. Originell und überzeugend gelingt es der Autorin, uns in das Entstehen des ";Kinderstaates" emotional zu involvieren. Besonders gelungen sind die Darstellungen der Charaktere. Junge Leser werden sich schnell mit einem der Kinder identifizieren können,da die Persönlichkeiten sehr vielfältig sind. Für jeden Leser bietet dieses Kinderbuch eine Rolle, in die er schlüpfen kann: Sei es die verwöhnte Baroness, der anfangs gar nichts zugetraut wird, oder der fleissige Arbeitersohn, der mühelos Betten und stühle für alle Kinder anfertigen kann, oder das sportliche Zirkuskind, dem es gelingt, sich das Affenvolk der Insel zum Freund zu machen, sowie der vernünftige Pfadfinder, der es schafft, die Kinder zu einer Gruppe zu formen.
Der unvergesslichen Mira Lobe gelingt es, jedem Kind seinen eigenen Platz in der Geschichte zu geben und dessen Besonderheiten herauszustellen. Schnell merken nicht nur die Kinder auf Insu- Pu, sondern auch die, die das Buch in Händen halten, dass jeder etwas Besonderes ist und seinen Teil zur Gesellschaft beitragen kann und muss. Dass die Gemeinschaft für jeden wichtig ist, merken die Inselbewohner erst, als Karl- Conrad, ein eingebildeter Professorensohn, beschliesst, sich alleine durchzuschlagen und dabei sein Leben riskiert.
Die erfolgreiche Autorin beweist mit diesem Buch, dass ihre bildhafte Sprache, die sich nahe am Kind bewegt, sowie der ständige Wechsel zwischen Dialog und Erzählung einen guten Erzählfluss entstehen lassen. So ist eine enge Bindung des Lesers an das Geschehen garantiert. Die Darstellungen der Protagonisten und Landschaften sind sehr lebendig und lassen den Leser erahnen, welche Bilder der Autorin vorschwebten.
Mira Lobe schrieb die Erstfassung dieses Buches 1951 und wollte damit an die Kinderverschickungen des zweiten Weltkrieges anlehnen. Sie verknüpfte die damaligen Kinderverschickungen mit der 57-tägigen Bombardierung Londons durch Deutschland im Jahr 1941. Die ursprüngliche Fassung von ";Insu-Pu", die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Israel erschien, trugen alle Kinder englische Namen und sie wurden nicht nach Terranien, sondern nach Amerika gebracht. Als Mira Lobe die deutsche Fassung von ";Insu- Pu" vorbereitete, gefielen ihr die Verbindungen zu den historischen Tatsachen nicht mehr. Das eigentliche Ziel, was die Autorin mit diesem Werk erreichen wollte, war, zum Ausdruck zu bringen, dass es Kindern, unabhängig von Herkunft, Zeit, Alter oder gesellschaftlichem Status, gelingen kann, ein gemeinschaftliches Leben aufzubauen. Auch auf einer weltvergessenen Insel. Und auch in der nun vorliegenden, von der Tochter der Autorin überarbeitete Fassung, die in diesem Jahr erstmalig so aufgelegt wurde, erreicht diese Botschaft wohl all ihre Leser.
Fazit:
Eindrucksvoll und fesselnd schildert Mira Lobe das Leben der gestrandeten Kinder auf der Insel. Besonders gelungen sind dabei nicht nur die einzelnen Charaktere, sondern vor allem auch der geschilderte Zusammenhalt und die Neuorganisation der Insulaner.
";Insu- Pu" ist ein Kinderbuch, das durch Spannung, Ideenreichtum und Sympathie junge Leser erobern wird. Die Autorin versteht es, in eine spannende Geschichte die tiefergehende Botschaft zu integrieren, dass jeder von uns etwas Besonderes ist und über Fähigkeiten verfügt, die vielleicht erst noch entdeckt werden müssen.
Die Erzählweise der Autorin, gepaart mit den gewählten Figuren sind ein Garant dafür, dass dieses Kinderbuch immer wieder gern aus dem Regal gehoilt werden wird.
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