Stella und der Mondscheinvogel

  • KJB
  • Erschienen: Oktober 2021
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übersetzt von Ulrike Köbele; Hardcover, 208 Seiten

ISBN: 9783737342506

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Claudia Goldammer
89%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2021

Idee

Stella und ein klappriger mechanischer Vogel machen sich auf die Suche nach einem verschwundenen Jungen, der von mythischen Wesen entführt wurde.

Text

Spannend, gut zu lesen und bildsprachlich fesselnd geschriebene Geschichte.

Schluss mit der Geheimniskrämerei

Das zwölfjährige Waisenmädchen Stella ist allein unterwegs in eine ungewisse Zukunft bei ihrem Patenonkel und seiner Familie im fernen Wales, als sie auf einem einsamen Bahnhof von einem fremden, verängstigt um sich blickenden Mann ein verschnürtes Päckchen in die Hand gedrückt bekommt. Er wäre nach fünf Minuten wieder da, versichert ihr der Unbekannte, Stella möge doch bitte so lange auf die Schachtel aufpassen. Die Zeit verstreicht, die fünf Minuten sind schon lange vorbei, Stellas Zug fährt ein, vom Mann ist nichts zu sehen. Also schnappt sie sich in letzter Minute die Kiste und nimmt sie auf ihrer Reise nach Wales mit sich.

In Wales angekommen erlebt sie eine herbe Enttäuschung: Captain Jones, ihr Patenonkel und seine Frau Lady Mair sind nicht da, das Anwesen Plasd-y-Fran liegt dunkel und ziemlich verwaist da, nur eine griesgrämige Haushälterin und zwei weitere Angestellte sind die einzigen Menschen in dem großen herrschaftlichen Haus. Über den Verbleib von Tomos, dem ebenso abwesenden Sohn des Captains, liegt ein mysteriöser und verschreckter Schleier des Schweigens. Stella ist traurig und enttäuscht, hatte sie sich doch so auf einen gleichaltrigen Spielgefährten gefreut.

In ihrer Einsamkeit beschließt sie irgendwann, einen Blick in die Schachtel zu wagen. Lauter Einzelteile, wie Zahnräder, Federn, Schrauben und Muttern, fallen ihr entgegen. Kurz entschlossen macht sie sich daran, die Teile akribisch zu einem Ganzen zusammenzufügen – hält am Ende einen recht zerrupft aussehenden mechanischen Vogel in der Hand. Etwas angewidert von seiner Schäbigkeit dreht sie unmotiviert einen rostigen Schlüssel, mit dem offensichtlich ein Mechanismus im Inneren des Vogels aktiviert wird. Tatsächlich beginnt sich der Vogel zu recken und zu strecken und – und nun ist Stella doch verblüfft – zu reden. Wie sich herausstellt, ist er mit seinen ganz eigenen Vorstellungen, wie das Leben zu sein hat, kein einfacher Zeitgenosse, aber Stella ist in ihrer Einsamkeit über jeden Kontakt froh.

Trotzdem versucht sie weiterhin zu ergründen, was mit Tomos passiert ist. Schnell stellt sie fest, dass eine geheimnisvolle Family, alte walisische Sagen und viel Zauberei etwas mit seinem Verschwinden und der Trauer, die über dem gesamten Haus liegt, zu tun hat. Dass über all dem noch ein Schleier der Angst schwebt, hält Stella nicht davon ab, sich unerschrocken auf die Suche nach Tomos zu machen. Wie gut, dass nicht nur die Family, sondern auch der Mondscheinvogel über magisches Wissen und Kräfte verfügt …

Einmal so mutig sein wie Stella Rhys …

Es ist mehr als bewundernswert, mit welchem Mut und welcher Unerschrockenheit Stella scheinbar völlig unkindliche Situationen souverän meistert. Ganz allein ist sie unterwegs, in Dunkelheit und Kälte, trifft unheimliche Gestalten, wird nicht gerade herzlich in Empfang genommen und doch sprühen aus ihr Elan, Witz und Zuversicht. Sie lässt sich nicht verbiegen, bleibt neugierig, humorvoll, willensstark und unerschrocken, auch, als ihre Zukunft einsam und trostlos erscheint. Eine Prise kindliche Aufmüpfigkeit, Naivität und sehr viel Neugier sind auch dabei und bestimmen ihr Handeln. Mit dieser Mischung ist Catherine Fisher eine spannend erzählte Geschichte um ein liebenswertes Mädchen gelungen, die sehr viel Lesevergnügen bereitet.

Allerdings sollten Leser*innen aufgeschlossen sein für Märchen, Zauberei und phantastische Wendungen, da sie einen Großteil der Magie des Buches ausmachen. Leider wurde nicht jede Idee von Catherine Fisher bis ins letzte Detail ausgearbeitet, wodurch einige Begebenheiten nicht ganz schlüssig wirken, zumindest nicht, wenn Leser*innen in der walisischen Mythologie nicht sattelfest sind. Denn die „Tylwyth Teg“ mag in Wales bekannt und daher dort nicht erklärungsbedürftig sein, in anderen Ländern mit eigenen Mythen und Sagen ist „Die schöne Familie“ nicht unbedingt ein Begriff. Aus diesem Grund wirkt das Buch auf Personen ohne Vorkenntnisse mitunter etwas überraschend oder holpriger als für Personen, die mit dem Mythos vertraut sind. Zwar kreiert Catherine Fisher eine ganz besondere Aura, allerdings bleibt es bis zum Ende etwas unklar, wer oder was die Family, ihre Magie und ihr Einfluss eigentlich ist.

Damit zusammenhängend entsteht der Eindruck, dass die Autorin den Spannungsbogen sehr weitläufig aufbaut, dann aber den dichten und sich schnell entwickelnden Höhepunkt der Geschichte auf vergleichsweise wenigen Seiten stattfinden lässt. Etwas mehr Raum hätte die Geschichte durchaus gut vertragen, zumal die beschriebene Szenerie und die Figuren das Potenzial dazu haben. Dennoch ist Stella und der Mondscheinvogel insgesamt sehr flüssig, bildsprachlich und fesselnd erzählt, tatsächlich ein ziemlicher „Page-Turner“ und damit ideal für lange dunkle Abende in der Winterzeit.

Fazit

Magie, Mythologie, ein unerschrockenes Mädchen und viel Schnee – Catherine Fisher ist mit dieser Mischung ein spannender, unterhaltsamer und fesselnder Roman gelungen, der perfekt in die dunkle und kalte Jahreszeit passt.

Stella und der Mondscheinvogel

Catherine Fisher, KJB

Stella und der Mondscheinvogel

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