Warum gibt es verschiedene Religionen?
Die Frage nach der richtigen Religion beschäftigt die Menschen schon sehr lange. Gerade für Kinder kann es ziemlich verwirrend sein, wenn ihr Freund oder ihre Freundin in der Schule vielleicht manche Dinge nicht essen darf oder andere Feste feiert. Auf den ersten Blick werden vor allem die Unterschiede wahrgenommen, die die eigene Religion oder Lebensweise von der der anderen unterscheidet. Aber können verschiedene Glaubensrichtungen überhaupt gleichzeitig richtig sein? Muss nicht die eine Religion „falsch“ sein, wenn die andere richtig sein soll? Mit dieser Frage beschäftigt sich Christina Hubka in ihrem Buch über die drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam, wobei sie zeigt, dass es nicht die eine „richtige“ Religion gibt!
Eine vielfältige Familie
Jonathan, genannt Jojo, wächst in einer ziemlich multikulturellen und multikonfessionellen Familie auf. Seine Mutter war einst evangelisch, ist inzwischen jedoch aus der Kirche ausgetreten, wohingegen sein äthiopischer Vater orthodox ist. Seine Schwester lässt sich wie seine katholische Tante im Laufe der Geschichte taufen, sein Onkel ist Muslim, seine Oma evangelisch und sein Opa jüdisch. Auch sein sprechender Kater Abraxas hat seine ganz eigenen Vorstellungen von Religion, wie er immer wieder deutlich macht. Das kann manchmal ganz schön verwirrend sein, denn alle haben unterschiedliche Gewohnheiten und Ansichten, wenn es um Gott und die Ausübung der Religion geht. Glücklicherweise ist das in seiner Familie kein Problem, denn alle respektieren die Ansichten der anderen Personen.
Für Jojo ist das jedoch manchmal etwas verwirrend, denn wie kann es zum Beispiel sein, dass der Gott von seinem Onkel und seinem Opa nicht möchte, dass Schweinefleisch gegessen wird, der Gott der anderen Familienmitglieder jedoch nichts dagegen hat. Und warum setzt Opa, bevor er in die Synagoge geht, erst eine Kopfbedeckung auf, wohingegen bei Oma in der Kirche alle Männer ihre Kopfbedeckung abnehmen. Auch die Sache mit den Bildern, der Fastenzeit, den verschiedenen Gotteshäusern, dem Tod oder der Art des Betens unterscheidet sich zwischen den Familienmitgliedern oft deutlich. Zum Glück gibt es aber auch viele Gemeinsamkeiten, wie Jojo immer wieder erfährt und seine Oma hat eine ganz einfache Erklärung: So wie es vor langer Zeit nur eine einzige Apfelsorte gegeben hat, so gab es auch nur eine Religion, die sich dann in verschiedene Richtungen entwickelt hat. Heute ist es mit den Religionen wie mit den Äpfeln, man kann sagen: „Und doch sind alle Äpfel rund…“
Ein Buch voller Vielfalt
Wenn es um Religionen geht, liegt der Fokus meist auf den scheinbar unüberwindbaren Unterschieden. Dass alle Religionen dabei denselben Ursprung und auch viele Gemeinsamkeiten haben, gerät dabei oft in Vergessenheit. Christine Hubka lenkt in ihrem multikonfessionellen Kinderbuch den Blick auf die vielen Gemeinsamkeiten und räumt mit vielen Vorurteilen auf, die bei der Wahrnehmung der Unterschiede häufig aufkommen. Durch die Augen von Jojo, der bisher keiner Religion angehört und sich bei den vielen Möglichkeiten in seiner Familie einfach nicht entscheiden kann, welches seine Lieblingsreligion sein soll, lässt sie Kinder die großen Religionen Judentum, Christentum und Islam kennenlernen.
Wertfrei und neutral stellt Jojo viele Fragen, die wahrscheinlich bei vielen Kindern aufkommen, wenn es um Religion geht. Da das Buch aus der Sicht von Jojo in der Ich-Perspektive geschrieben wurde, passt das Buch auch sprachlich gut zur Zielgruppe, die mit Kindern ab 7 Jahren angegeben ist. Es fällt daher nicht schwer, sich in Jojo hineinzuversetzen und mit ihm auf Entdeckungsreise durch die Religionen zu gehen. Fragen und Antworten werden kindgerecht und anschaulich mit vielen Beispielen erklärt, sodass sie gut nachvollziehbar sind. Religionsspezifische Begriffe wie Ramadan, Rabbiner, Hijab oder Taufe sind farblich hervorgehoben und werden in eigenen kleinen Texten kurz erklärt.
Gestaltung
Auch die Bilder passen gut zur multikulturellen Geschichte und spiegeln die Vielfalt unserer Gesellschaft wider. Die Charaktere stammen aus verschiedenen Ländern, was sich auch in ihrer unterschiedlichen Hautfarbe zeigt. Jojo selbst trägt lange Haare und einen roten Pullover, sodass das Buch zudem einige genderneutrale Anteile enthält. Auch Behinderung wird kurz erwähnt, da seine Oma in ihrer Kindheit an Kinderlähmung erkrankte und seitdem unter einer Gehbehinderung leidet. Auf den Bildern lassen sich viele kleine Details entdecken, die oft mit kleinen Textabschnitten versehen sind und zum Stöbern und genauem Betrachten der Bilder einladen. Die Figuren wirken sympathisch und freundlich.
Fazit
Insgesamt ein gelungenes Buch, das viele Fragen rund um die Religionen beantwortet und zeigt, dass es nicht die eine „richtige“ Religion gibt, sondern dass Judentum, Christentum und Islam alle denselben Ursprung haben und sich dann „nur“ in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt haben. Ein empfehlenswertes Buch, dass einen guten Beitrag bei der Erziehung hin zu einer offenen und toleranten Gesellschaft leistet.
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