Diversität im Bilderbuch
Julian geht mit seiner Großmutter zusammen ins Schwimmband, die dort mit anderen älteren Damen Wassergymnastik betreibt, während Julian schwimmen und tauchen darf. Auf dem Weg nach Hause treffen sie in der U-Bahn drei junge Frauen, die wunderbar schillernd als Meerjungfrauen verkleidet sind. Julian liebt Meerjungfrauen. Er träumt sich aus dem Buch, dass er sich gerade anschaut, in eine bunte Unterwasserwelt, in der er selbst zur Meerjungfrau wird. Und dass er eine Meerjungfrau ist, erzählt er auch seiner Oma, als er mit ihr vor der Haustür steht.
Julians Verwandlung
Nachdem sie duschen gegangen ist, hat Julian eine Idee. Mit einem Vorhang, Farnblättern und Blumen verwandelt er sich in eine Wassernixe, die einen langen Fischschwanz nach sich zieht und einen prächtigen Kopfschmuck trägt. Als Julians Großmutter zurückkommt ist sie überrascht von der kleinen Seejungfrau, die plötzlich vor ihr steht. Doch dann gibt sie ihrem Enkel einfach noch eine Kette für seine Verkleidung dazu, zieht sich auch ein hübsches Kleid an, nimmt ihn an der Hand und zusammen spazieren sie an den Strand. Es ist ein besonderer Tag und Julian entdeckt dort hingerissen ganze Scharen von wunderschön kostümierten Meerjungfrauen. „Genau wie du, mein Schatz“ sagt seine Oma zu ihm.
Warmherzig umgesetzt
Die amerikanische Autorin Jessica Love bringt ihre anrührende Erzählung mit zarten Bildern in hellen, bunten Farben, begleitetet von wenig Text aufs Papier. Zurückgenommen fängt sie Julians unbekümmerte Entdeckung seiner Empfindungen sehr behutsam ein und lässt Geschlechterklischees dabei schier verblassen. Die ganzseitigen zum Teil auch doppelseitigen Illustrationen verzaubern beim Betrachten und verströmen pure Lebensfreude und Leichtigkeit.
Mit Details und in Beziehung gesetzt ist ihre Bildgewalt enorm. Drei Mädchen tanzen um einen spritzenden Hydranten wie drei Meerjungfrauen, ein großer Fisch, der Julian in seinem Unterwassertraum auch eine Kette bringt, ist genauso gemustert wie das Kleid der Großmutter und die Abbildungen im Bucheinband zeigen die Wassergymnastikgruppe und Julian, zu Beginn in normaler Schwimmkleidung und zum Schluss allesamt als „Schwimmbadjungfrauen“ mit Fischschwänzen.
Plädoyer für Selbstliebe und Verständnis
Jessica Love lebt in New York im Stadtteil Brooklyn. Von der dort jährlich stattfindenden Mermaid-Parade, die ganz im Zeichen der Selbstdarstellung steht, wurde sie für ihr Bilderbuch inspiriert. Julians Verwandlungsgeschichte ist nur augenscheinlich eine kleine Alltagsepisode, denn in ihrer entwaffnenden Schlichtheit erlangt sie ein Höchstmaß an Emotionalität und Aussagekraft, wird zum Loblied auf Diversität, Selbstwert und Akzeptanz. Julian, wagt es nach außen zu zeigen, wie er sich in seinem Inneren fühlt und hat dabei das unsagbare Glück, diese wundervolle Großmutter zu haben, die nicht schimpft und zetert, als ihr Schatz zur Nymphe wird. „Oh“, mehr sagt sie nicht. Für diese Reaktion möchte man sie in den Arm nehmen, weil sie mit dieser fraglosen Annahme ihrem Enkel so kostbare Hilfe bei seiner Selbstfindung leistet. Julian bekommt gespiegelt, dass divers zu fühlen und zu sein, nichts ist, das man verstecken muss oder für das man sich schämen braucht. Die kindliche Unbeschwertheit, mit der er zur Meerjungfrau werden darf und seine unbändige Freude daran, stimmen auch die Leser glücklich und zuversichtlich.
Fazit
Julian ist eine Meerjungfrau ist ein hinreißend schönes Bilderbuch, das mit bezaubernden Illustrationen und klugen Worten in spielerischer Leichtigkeit das Thema Diversität anspricht. Ganz im Zeichen der Wertschätzung für sich selbst und andere, lässt die empathisch erzählte Geschichte am daraus erwachsenden Glücksgefühl teilhaben.
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